Trailrunning Trends 2018

von Sabine



Das Jahr 2018 ist vorbei. Viele Läufer haben inzwischen ihren persönlichen Jahresrückblick geschrieben und veröffentlicht. In meinem Jahresrückblick geht es mir nicht um meine Trailerlebnisse. Es geht mir um die Entwicklung der Sportart Trailrunning. Und hier hat sich in diesem Jahr sehr viel getan: Der Sport ist weiter gewachsen. Aber es gab auch deutliche Trends zu beobachten – manche überraschend, manche deuteten sich die letzten Jahre schon an. Hier eine (subjektive) Zusammenstellung der wesentlichen Trends, die sich für mich als interessierte Beobachterin 2018 erkennen ließen.



SMALL IS BEAUTIFUL

In den USA ging der Trend in den letzten Jahren zu immer längeren Rennen: 200 Meilen, es durften gerne auch mal 240 Meilen sein. Auch in Europa gibt es solche Rennen: Der Tor des Geants, das Spine Race. Im letzten Jahr standen plötzlich auch wieder Rennen über die Marathondistanz im medialen Fokus. Warum? Nicht zuletzt durch einen zweiten Trend, die Rennserien. Salomon hat mit der Golden Trail Series sehr viele Elite-Athleten angezogen, genau wie die Sky Classic World Series. Bei vielen der großen Trailrunning-Events sind mittlerweile die kürzeren Strecken ebenso nachgefragt und hochkarätig besetzt – das hat man beispielsweise beim UTMB gesehen, wo es bei TDS, CCC und OCC vor Elite-Athleten nur so wimmelte. Hier wurden Wettkämpfe geboten, die teils spannender waren als der Hauptwettkampf. Kurzdistanzen haben beim Trailrunning viele Vorzüge – Moritz auf der Heide hat das sehr schön in seinem „Plädoyer für die Kurzdistanz“ zusammengefasst. Da wundert es nicht, dass beim Zugspitz Ultratrail die kürzeste Strecke, der Basetrail, gerade als erste Strecke ausverkauft gemeldet wurde …


RENNSERIEN UND ANDERES GEDÖNS

Als Salomon im letzten Jahr seine „Golden Trail Series“ ankündigte, haben sich viele gewundert: Noch eine Rennserie? Es gibt doch schon die Ultra Trail World Tour. Es gibt die diversen Skyrunning-Serien (die man gerade auf eine Serie zusammendampft). Muss es da noch ein Angebot sein? Aber Salomon hatte den richtigen Riecher: Mit dem Fokus auf die Marathondistanz, auf der eine Serie mehr Sinn macht als auf den Ultradistanzen. Mit einer ungewöhnlichen Medienpräsenz, die man sonst nur beim UTMB gewohnt ist. Mit einem außergewöhnlichen Konzept, denn am Ende werden nicht nur die Ergebnisse zusammengerechnet, sondern es gibt ein großes Finale, zu dem die besten 10 Frauen und Männer eingeladen werden. Ein voller Erfolg! Konsequenz: Die Golden Trail Series geht 2019 in ihre zweite Saison – und es wird neben der internationalen Serie auch nationale Trailserien geben.
Ein zweiter Trend: Meisterschaftsinflation! Bei der noch recht jungen Sportart Trailrunning sind Verbandsstrukturen noch sehr schwach ausgeprägt – in Diskussionen zeigt sich immer wieder, dass dieses Vakuum auch durch eine Aversion gegen Verbände begründet ist. Fazit: Es gibt jede Menge selbst ausgerufener Meisterschaften, z.B. die INFINITE TRAILS World Championships in Gastein oder die Trailrun Worldmasters in Saalbach. Ob das sinnvoll für den Sport ist, kann bezweifelt werden.
Ein weiterer seltsam anmutender Trend ist das „Franchising“ bestimmter Rennen bzw. Marken. Beim Marathon des Sables konnte man dieses Franchising erstmals 2017 beobachten, als neben dem Original in Marokko auch noch Rennen in Peru und in Fuerteventura mit ähnlichem Konzept angeboten wurden. Seit 2018 gibt es daneben auch UTMB® International: Dieser Zweig des UTMB steckt hinter den 2018 veranstalteten Rennen Gaoligong by UTMB (China) und Oman by UTMB sowie dem Ushuaia by UTMB (Argentinien). Auf der Internetseite von UTMB® International heißt es: UTMB® International wurde gegründet, um die internationale Entwicklung der Marke UTMB® zu beschleunigen und zu kontrollieren und mit Veranstaltern aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Das klingt ein bisschen nach Sportkolonialismus und lässt befürchten, dass es beim Trailrunning mal so gehen könnte wie beim Triathlon (Ironman): Dass eine Marke große Teile des Sports kontrolliert. Dazu passt, dass Ironman im Frühjahr 2018 mit dem Ultra Trail Australia die erste Ultratrail-Veranstaltung „gekauft“ hat.
Fazit: Wer nicht möchte, dass der Trailrunning-Sport irgendwann von 2 oder 3 Konzernen dominiert und bestimmt wird, sollte sich sehr genau überlegen, wo er sich anmeldet. Noch gibt es sie, die lokalen und unabhängigen Veranstalter …


Ruth Croft und Stian Angermund Vik waren die Gesamtsieger bei den Golden Trail Series. Foto: Golden Trail Series.


DIE CHINESEN KOMMEN

Januar 2018: Hongkong 100. In einem der ersten Rennen des Wettkampfjahrs gibt es einen chinesischen Doppelsieg und zweimal Kursrekord: Miao Yao und ihr Lebensgefährte Min Qi, die zuvor nur in China bekannt waren (wenn überhaupt), laufen sich in den Fokus der internationale Trailrunning-Szene. Denn es bleibt nicht nur bei diesem einen Sieg: Das Pärchen startet auch beim Lavaredo Ultra Trail. Hier wird Miao Yao Zweite; Min Qi läuft lange an der Spitze, bevor er aufgeben muss. Und dann der CCC: Miao Yao siegt, Min Qi wird Zweiter. Doch dabei bleibt es nicht: Erenjia Jia brilliert auf kürzeren Trails und gewinnt den OCC. Und Jin Liang wäre der eigentliche Sieger des Hongkong 100 gewesen – hätte nicht ein Vorfall zur Disqualifikation geführt, der stark an die Wasser-Affäre von Xavier Thevenard beim Hardrock 100 erinnerte.
Die Chinesen kommen! Wirklich? Im Vergleich zu anderen Nationen ist die Zahl der Spitzenläufer noch sehr klein. Gerade mal 14 Läufer und zwei Läuferinnen aus China erreichen derzeit im ITRA Performance Index internationales Eliteniveau (>800 Punkte bei den Männern, >700 Punkte bei den Frauen).
Und dennoch: Die Chinesen kommen! Denn gerade erlebt China einen wahren Running-Boom verbunden mit einer Trailrunning-Bewegung. Im Zeitraum zwischen 2015 und 2018 hat sich die Zahl der Trailrennen in China (Volksrepublik China, Hongkong, Taiwan) verfünffacht. Zum Vergleich: In Europa hat sich die Zahl der Trail-Veranstaltungen im gleichen Zeitraum gerade mal verdoppelt …

Miao Yao und Min Qi an der Startlinie des CCC 2018



SPANNENDE FORMATE – KREATIVE IDEEN

Trailrunning ist mehr als 50km, 100km oder 100 Meilen. Es gibt immer mehr interessante Formate. Nicht erst seit diesem Jahr. Aber 2018 sind einige Formate stärker in den Fokus gerückt. Einfach, weil auch die Eliteläufer sich für neue und kreative Formate zu interessieren beginnen. Beispiel: Big’s Backyard Ultra – dieses Rennen gibt es schon seit 2012, aber als mit Courtney Dauwalter in diesem Jahr eine Frau ernsthaft ins Rennen eingegriffen hat, waren plötzlich alle Augen auf dieses „last runner standing“ Event gerichtet.
Auch die oben schon erwähnten Infinite Trails bringen als Team-Event neue Konzepte ins Trailrunning ein. Allerdings konnte dieser Wettbewerb 2018 wegen Veranstaltungsabbruch nicht voll ausgetragen werden. Man wird 2019 sehen, wieviel zusätzliche Spannung das Konzept ergibt und ob es von der Trailrunning-Community angenommen wird.


IMMER HÖHERE LEISTUNGSDICHTE

Bis vor wenigen Jahren gab es bei den langen Ultratrails häufig die Konstellation, dass ein oder zwei Athleten vornweg liefen – und der Rest des Feldes weit hinterher. Besonders drastisch war dies bei den Frauen … und daher boten die Rennen meist wenig Spannung. Inzwischen schaffen es immer mehr europäische Events, an der Spitze eine höhere Leistungsdichte zu erreichen. Neben dem UTMB mit seinen verschiedenen Events war das in diesem Jahr vor allem der Lavaredo Ultra. In USA schafft nur der Western States eine vergleichbare Leistungsdichte; alle anderen Rennen, auch der Leadville 100 oder andere Klassiker dümpeln eher vor sich hin.
Drastisch ist vor allem die Entwicklung bei den Frauen. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, wie weit beim UTMB Rang 1 und Rang 10 auseinander liegen, dann zeigt sich, dass die Leistungsunterschiede in den Top 10 immer geringer werden. Diesen Trend gibt es auch bei den Männern – weniger stark und auf anderem Niveau. Und so ist 2018 erstmals beim UTMB etwas passiert, mit dem man in den vergangenen Jahren kaum gerechnet hat: Die Leistungsunterschiede unter den Top 10 waren bei den Frauen geringer als bei den Männern. Das gleiche sah man beim Western States. Sicher spielen hier auch spezielle Effekte mit, wie der ungewöhnliche Rennverlauf mit vielen Drop Outs beim UTMB oder die Fabelzeiten von Jim Walmsley und Courtney Dauwalter beim Western States. Aber der Trend ist unverkennbar: Die Leistungsdichte steigt.
Ein weiteres Indiz dafür ist, dass 2018 beim UTMB so viele Eliteläufer wie noch nie zuvor an der Startlinie standen. Ganze 28 Frauen und 49 Männer machten von der Gelegenheit Gebrauch, aufgrund ihres ITRA-Performance Index (>770 bei Läufern, >670 bei Läuferinnen) einen garantierten Startplatz zu haben. Bei den Anmeldungen für 2019 sind es mittlerweile schon weit über 100. Das lässt auf ein spannendes Rennen hoffen. Und gleichzeitig ist hier viel Luft nach oben – denn 2018 hätten insgesamt 2638 Läufer/Läuferinnen die Möglichkeit gehabt, aufgrund ihrer Punktzahl vom „Elite Entry“ Gebrauch zu machen. Nur etwa 3% nahmen diese Möglichkeit wahr …

Entwicklung der Leistungsunterschiede der Top 10 Frauen und Männer beim UTMB.



FKT

Längst ist die Jagd nach den „Fastest Known Times“ zu einer neuen und wichtigen Disziplin im Trailrunning geworden. Kaum ein prominenter (Ultra)Trailrunner, der sich nicht irgendwann in seiner Karriere eine spezielle Strecke vornimmt. In diesem Jahr wurde der FKT-Trend noch verstärkt. Da haben wir wieder unglaubliche Höchstleistungen gesehen: Karel Sabbe’s FKT auf dem Appalachian Trail, Kilian Jornet‘s Fabelzeit auf der Bob Graham Round, Emelie Forsberg auf dem Kungsleden, Joe Grant und Alex Nichols mit den Nolan’s 14. Und der Grand Canyon wurde im Herbst fast schon täglich Ort eines neuen FKT-Versuchs: Dabei gab es erfolgreiche (Ida Nilsson, Taylor Nowlin) und erfolglose Versuche (Camille Herron, Sandi Nypaver) auf dem klassischen Rim2Rim2Rim durch den „Korridor“. Und es gab ungewöhnliche FKTs: So der 4-malige R2R2R durch Christof Teuscher oder der „Alternate“ R2R2R via South und North Bass Trail durch die Coconino Cowboys Eric Senseman, Jim Walsmsley und Tim Freriks.
Und mittlerweile kommt der FKT-Trend auch in Mitteleuropa an. So gab es dieses Jahr einen neuen FKT auf dem Stubaier Höhenweg durch Benni Bublak, Adrian Niski und Johannes Stimpfle zu vermelden. Oder neu definierte FKT-Routen wie der Grüne Ring in Hamburg, auf dem Patrick George und Michael Mankus einen OKT (Only Known Time) setzten.
FKTs bieten eine riesige Spielwiese für Läuferinnen und Läufer, die nicht unbedingt den Rummel der Rennen brauchen …


FKT auf der Bob Graham Round geschafft! Kilian Jornet auf den Stufen von Moot Hall, Keswick. Foto: Tim Harper.


BEWEGTE BILDER

Es gibt nichts Besseres, als rauszugehen und die Natur bei einem Lauf oder einer Wanderung zu genießen. Aber wenn das nicht möglich ist, dann schauen Trailrunner sehr gerne Filme oder Dokumentation über Trailrunning. Auch in diesem Jahr gab es wieder jede Menge neuer Trailrunning-Filme. Immer häufiger werden die Filme von den Sponsoren in Auftrag gegeben. Inzwischen hat auch fast jedes größere Trailrunning-Event seinen Image-Film. Aber es gibt sie noch, die unabhängigen und qualitativ hochwertigen Dokumentationen. „Where dreams go to die“, „Rooted“ und „Underdog“ sind nur drei Beispiele dafür.
Gerade die oben schon erwähnten Trailserien sind inzwischen Vorreiter in Sachen filmischer Aufarbeitung der Events. In den Jahren 2016 und 2017 hat die Ultratrail World Tour umfangreiche Filmdokumentationen zu ihren Stationen veröffentlicht. Mittlerweile hat die UTWT aber den Weg gewählt, diese Filme direkt zu monetarisieren: Sie sind nur noch über Horizon Sports zu sehen, einem kostenpflichtigen Videokanal.
Seit 2018 lässt auch die Skyrunner World Series von allen ihren Events kleine Filme produzieren. Diese erscheinen kurz nach dem Event und dokumentieren in wenigen Minuten das Rennen. Ein Novum – musste man doch bislang auf solche Filme häufig wochenlang warten.
Und einen noch innovativeren Weg hat die Salomon Golden Trail Series eingeschlagen: Sie setzt auf Live-Übertragungen der Rennen. Das kannte man bisher nur vom UTMB. Zwar war die Videoqualität in der ersten Saison noch gemischt, aber es macht Spaß, sich beispielsweise beim Mont Blanc Marathon per e-Bike oder Drohne an die Fersen der besten Trailrunner der Welt zu heften.
In den USA sind die Macher von Ultrasportslive.TV mit ihrem Ansatz gescheitert, mit statischen Kameras Ultrarennen live zu übertragen. Aber wenn sich die filmische Aufarbeitung von Rennen wie beim UTMB, der Skyrunner World Series oder der Golden Trail Series in Zukunft durchsetzt, dann wird ein neues Kapitel von Trailrunning als Zuschauersportart aufgeschlagen …


MEINE HIGHLIGHTS 2018

Hier die Trail-Momente, die für mich die Highlights 2018 waren:
  • Bester Wettkampf / Läuferinnen: Courtney Dauwalter‘s Sieg beim Western States. Zweitbeste jemals gelaufene Zeit. Schneller als alle Rennen von Ann Trason. Und der Beweis, dass Courtney sich auch bei starker Konkurrenz durchsetzen kann.
  • Bester Wettkampf / Läufer: Xavier Thevenard‘s Sieg beim UTMB. Xavier hatte nur wenige Wochen, um seinen Frust über den unnötigen DQ beim Hardrock zu verdauen, wegzustecken und sich neu aufzubauen. Und während beim UTMB die anderen Favoriten gestorben sind wie die Fliegen, lief er konstant, schüttelte schließlich noch Zach Miller ab und sicherte sich einen beeindruckenden Sieg.
  • Spannendster Wettkampf: TDS. So etwas hat es noch nicht gegeben. Ein Ultra-Wettkampf voll Dramatik. Mit scheiternden Favoriten, Spitzenreitern, die sich verlaufen – und am Ende trennen die drei Führenden gerade mal zwei Minuten. Ein Wettkampf, der auf der Zielgeraden entschieden wurde …
  • Fastest Known Time: Kilian Jornet’s FKT auf der Bob Graham Round. Es war ein Paukenschlag. Erst verletzte sich Kilian Jornet beim Skimo. Im Frühsommer sah man dann sein Comeback bei den „kürzeren“ Rennen. Dann sagte er den Hardrock 100 ab, weil er sich für die große Schleife noch nicht fit genug fühlte. Und reiste stattdessen in den Lake District, wartete auf gutes Wetter und tat dann das, was er eigentlich Ende der Saison 2017 schon vorhatte: Er machte sich auf die Bob Graham Round. Als er wieder nach Keswick zurückkam, hatte er den alten Rekord von Billy Bland, der 36 Jahre gehalten hatte (13:53) um mehr als eine Stunde unterboten. Ein Meilenstein!

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