UTMB-Whistler Dilemma: Reaktionen und Kommentar

 


von Sabine


Mittlerweile sind drei Wochen vergangen, seitdem der UTMB die neue und erste Veranstaltung der UTMB World Series in Kanada angekündigt hat. Der „Ultra Trail Whistler by UTMB“ soll die 40. Veranstaltung der UTMB World Series werden. Es gab viel Aufregung darum, weil der Renndirektor des ehemaligen Whistler Alpine Meadows (WAM) Rennens, Gary Robbins, in einem Blogpost dem UTMB implizit vorwarf, ihn durch bestehende Kontakte mit den Skigebietsbetreibern Whistler/Vail aus dem Geschäft gedrängt zu haben. Dem folgte – vor allem in den USA und Kanada – ein Aufschrei von LäuferInnen, VeranstalterInnen und Coaches. 

Trotz der vielen Meinungsäußerungen zum Thema: In der Sache selbst steht es weiterhin Aussage gegen Aussage. Dazu kommt, dass die wesentlichen Details der Geschichte für Außenstehende nicht nachprüfbar sind – und das wird wohl auch so bleiben.

Ironman/UTMB stellen die Sache so da: Gary Robbins bzw. Whistler Alpine Meadows (WAM) hatte die Segel in Whistler gestrichten und das im Februar 2023 veröffentlicht – erst dann habe man selbst die Verhandlungen mit Whistler/Vail begonnen. Man sei also Gary nicht auf die Füße getreten, sondern habe das von Gary verlassene Feld übernommen.

Gary Robbins geht dagegen davon aus, dass Ironman/UTMB schon vor seiner Rennabsage mit Whistler/Vail verhandelt hat, und dass die Skigebietsbetreiber Whistler/Vail ihn deshalb so lange geghostet bzw. hingehalten haben, weil man schon mit Ironman/UTMB verhandelt hat. Ein weiteres Detail verstärkt bei Gary diesen Verdacht: Er hatte im Jahr 2022 Gespräche mit den Veranstaltern der UTMB World Series, die Interesse an der Übernahme von Squamish 50 – einem anderen von Gary veranstalteten Rennen - zeigten. In diesen Gesprächen wurde man nicht handelseinig; vor allem die Community Support Programs waren ein Streitthema, das Gary nach dessen Angaben mehr am Herzen liegt als dem UTMB [so hat Gary Robbins in den letzten Jahren aus den Erlösen seiner Rennen rund 500.000$ an die lokale Search and Rescue gespendet].

Gary weist in seinen Darstellungen auch auf Diskrepanzen bei der Darstellung der Timeline zwischen ihm und UTMB hin: Während es in den Statements des Ironman/UTMB heißt, dass es ab Januar 2023 – also vor der Absage des WAM – keine Gespräche mit Gary mehr gab, schildert Gary eine andere zeitliche Abfolge: Man habe Ironman/UTMB erst im März 2023 die notwendigen und von Ironman/UTMB gewünschten Dokumente zugesandt und habe dann erst Ende Mai von Ironman/UTMB gehört, dass man dort zunächst die Überlegungen für die Übernahme des Rennens [Squamish 50] ausgesetzt habe. 

Also: Aussage gegen Aussage. Objektive Beweise haben bislang weder Whistler/Vail noch Ironman/UTMB oder Gary Robbins vorgelegt. Das Ganze wird auch dadurch verkompliziert, dass es wegen der Übernahmegespräche von Gary Robbins mit Ironman/UTMB eine unterschriebene Vertraulichkeitserklärung gibt. 

In der Zusammenschau kann man jedoch schon mal eines sagen: Für den UTMB war diese Rennankündigung ein PR-Desaster. Denn in der ersten Ankündigung hieß es noch, dass man beim „Whistler by UTMB“ in jeder Einzelheit und jedem Schritt mit Gary bzw. Coastal Mountain Trail Running (CMTR) zusammengearbeitet habe – diese Ankündigung musste Ironman/UTMB zweimal modifizieren, bis sie die gegenwärtige Form erreicht hat. 



Die Fakten

Die bislang umfassendste Zusammenstellung der Fakten findet man im Artikel von Meghan Hicks (iRunFar) „Local Race Org., UTMB World Series, and Whistler Blackcomb Clash Over New Race Announcement“. Sie hat beide Seiten - Ironman/UTMB und Gary Robbins -  befragt und aktualisiert den Artikel ständig, sobald es neue Fakten gibt.

Wer wissen will, was die beiden Konfliktparteien sagen, der sollte hier nachlesen bzw. nachhören:



Die Kommentare

Natürlich hat der Clash zwischen Ironman/UTMB und Gary Robbins/CMTR jede Menge Reaktionen hervorgerufen. Interessant ist dabei eine Zweiteilung: In Kanada und USA ist steht man mehrheitlich sehr klar auf der Seite von Gary Robbins/CMTR. Der UTMB und die Verantwortlichen in Whistler/Vail werden nach dieser Lesart als diejenigen gesehen, die hier eine rote Linie überschritten haben. Ganz anders dagegen bei den Multiplikatoren in Deutschland: Hier sieht man das Problem eher beim unternehmerischen Geschick von Gary Robbins sowie bei den Verantwortlichen des Skigebiets Whistler/Vail – sieht die Aufregung darübe eher als "Empörungskultur". 


Kommentare aus Nordamerika

Ellie Greenwood, ehemalige Ultraläuferin, heute Trainerin. Sie war eine der ersten, die in den sozialen Medien reagiert hat. Sie ist sehr klar auf der Seite von Gary Robbins und ruft die TrailläuferInnen dazu auf, genau zu überlegen, wem sie ihr Geld geben:

„TRAIL- UND ULTRA-LÄUFER. Unser Sport steht an einem Scheideweg und es ist an der Zeit zu entscheiden, wie unser Sport und unsere Gemeinschaft aussehen sollen. [...]

Ich verstehe es ja, der UTMB in Chamonix ist cool und man braucht „Steine“ von einem „ihrer“ Rennen, um dort teilnehmen zu können. Aber denkt bitte darüber nach: Wollt Ihr den UTMB wirklich so dringend laufen, dass Ihr ein solches Verhalten gutheißt? Lauft die Route der „Tour du Mont Blanc“ alleine oder auf einer geführten Mehrtagestour. Oder lauft in den Schweizer Alpen die Ultra Tour Monta Rosa – ein Rennen, das nichts mit dem UTMB zu tun hat, das noch härter und landschaftlich noch reizvoller ist (Rennleiterin: Lizzy Hawker). Oder wartet auf die Ankündigung des neuen Rennens September, das Gary Robbins und CMTR veranstalten werden. Unsere Trail-Community wird sich dort ehrenamtlich engagieren, nicht aber bei der UTMB-Veranstaltung (viel Glück bei der Suche nach Freiwilligen).

Wenn Ihr Euch für Rennen anmeldet, könnt Ihr wählen, in welche Richtung unser Sport gehen soll. Lassen wir uns nicht vom UTMB schikanieren – nicht SIE sitzen am Steuer, sondern WIR, die Läufer. Es geht um Geld, und ich werde dem UTMB nicht einen Cent geben und meine Freizeit nicht bei einem UTMB-Rennen verbringen. Ich ermutige Euch, darüber nachzudenken, wohin Euer Geld und Eure Zeit fließen sollen.“


Jason Koop, Trainer/Coach verweist auf die Parallelen der jetzigen Situation zu ähnlichen Ereignissen der Vergangenheit, bei denen der Ironman lokale Veranstalter aus dem Wettbewerb gedrängt hat. “Wenn Ihr wissen wollt, was IRONMAN/UTMB tun wird – die Blaupause ist längst da. Ironman hat uns gezeigt, wer sie sind. Glaubt ihnen.“


Ethan Newberry, Läufer, Filmemacher und Podcaster (Ginger Runner)  hat in der Vergangenheit viel mit Gary Robbins zusammengearbeitet, z.B. beim Film „Where Dreams Go to Die“. Er schreibt:

„Ich bekomme jede Menge Nachrichten von normalen Läufern mit den Worten: „Das ist scheiße, ABER ich wollte unbedingt UTMB laufen…“ oder „Ich habe gerade einen Startplatz bei einem UTMB-Rennen in … bekommen … Ich möchte laufen, was soll ich tun?“ usw.

Ich kann diese Fragen nicht für Euch beantworten. Aber ich kann sie verdammt noch mal für mich selbst beantworten.“


John Kelly, Barkley Finisher 2017 und 2023 und FKT-Inhaber unter anderem auf dem Long Trail, Pennine Way, Grand Round und Wainwrights 214, sagt, dass er in Zukunft den UTMB boykottieren wird und ruft implizit auch andere Elite-Läufer dazu auf.

„Ursprünglich befürchtete ich, dass Ironman den UTMB dazu verwenden würde, dem Ultrarunning das anzutun, was sie dem Triathlon mit Kona [Ironman Hawaii, Anm. der Verfasserin] angetan haben. Das hier ist schlimmer. Ich weiß, wie sehr sich Gary Robbins für den WAM engagiert hat. Ich würde zwar gerne mal den UTMB laufen, werde aber nach dieser Sache niemals bei einem UTMB-Rennen antreten. Ich weiß, darum wird sich der UTMB nicht scheren. Aber wenn genügend Läufer ebenso handeln, wird der UTMB uns vielleicht hören.“


Jackson Brill, (noch) ungesponserter Trailrunner und Mitglied des Teams USA bei der WMTRC 2023 hat bereits die Konsequenz gezogen, ein “by UTMB”-Rennen abzusagen: 

"Ich hatte geplant, in ein paar Wochen nach Thailand zu reisen, um beim Doi Inthanon by UTMB die 100 km zu laufen. Jetzt habe ich aber beschlossen, die Reise abzusagen. Vor einer Woche kündigte UTMB (im Besitz von Ironman) ein neues Rennen in Whistler an, am selben Wochenende und auf fast derselben Strecke wie Garry Robbins‘ früheres CMTR-Rennen. UTMB/Ironman scheint letztlich Garys Rennen „gestohlen“ zu haben, da Whistler CMTR aus dem Rennen verdrängte und gleichzeitig grünes Licht für die Veranstaltung von UTMB gab. Kurz gesagt, UTMB/Ironman (zusammen mit Vail Resorts, dem Whistler gehört) verhielten sich wie Drecksäcke, und ich will sie nicht unterstützen, indem ich an ihrem Thailand-Event teilnehme. Gary ist einer der angesehensten Typen in diesem Sport, und die Tatsache, dass sein Unternehmen und seine Community durch die Aktionen von UTMB/Ironman geschädigt wurden, hat in der nordamerikanischen Trail-/Ultrarunning-Community große Anti-UTMB-Stimmung hervorgerufen. […] Ich bin deprimiert. […] Ich habe mich darauf gefreut, eine knifflige 60-Meilen-Strecke mit über 20.000 Fuß Höhenunterschied zu laufen […]. Und ich konnte es kaum erwarten, mich (hoffentlich) für den UTMB 2024 zu qualifizieren und daran teilzunehmen. Für mich als derzeit nicht gesponserter Athlet, dessen Stärken zu diesem Rennen passen, wäre eine gute Leistung beim UTMB der einfachste Weg, mehr Geld mit meinem Sport zu verdienen. Vorerst werde ich jedoch an keinen UTMB-/Ironman-Events mehr teilnehmen." 


Jim Walmsley, Streckenrekordhalter beim UTMB und Sieger 2023  haut in die gleiche Kerbe wie John Kelly und Jackson Brill, tut das aber auf seinem Strava-Account etwas subtiler:

Welches Rennen werden wir dann nächstes Jahr laufen?


Jeff Pelletier, Filmemacher und Zweiter des diesjährigen Moab 2014, konstatiert ebenfalls, dass er nicht beim „Whistler by UTMB“ antreten wird. Denn es sei wichtiger, die lokale Trail-Community zu unterstützen, also irgendwelche UTMB Steine zu sammeln. 


Matt Walsh, Medienforschungsanalyst und Betreiber von TrailMix fragt sich, wie es zur Verdrängung eines erfolgreichen, lokal organisierten Laufs durch Ironman/UTMB kommen konnte und stellt fest:

Marktmonopole sollte es nicht geben, wenn der Markt über ausreichend wirksame Regulierungs- und Wettbewerbsregeln verfügt, die von einem Leitungsgremium durchgesetzt werden. Beim Trailrunning haben wir DREI Leitungsgremien, die aber alle sehr wenig dafür getan haben, den UTMB gegenüber lokalen Mitbewerbern in seine Schranken zu weisen. Wie ich bereits erwähnt habe, verfügen diese drei Gremien nicht über genügend politische Kraft, um den UTMB oder die Golden Trail Series unter Kontrolle zu halten. Letztlich mussten Profisportlern die Pro Trail Runners Association (PTRA) gründen, um das zu tun, was eigentlich ITRA/WMRA/IAU tun sollten.

Wenn man sich Sektoren anschaut, die darum gekämpft haben, die Auswirkungen von global agierenden Unternehmen auf den lokalen Wettbewerb abzumildern, […]  haben sie alle einen Vermittler oder ein Leitungsgremium gehabt, die Richtlinien umgesetzt haben, damit keine Partei übermäßig benachteiligt wird und damit Fairness im System herrscht. Trailrunning braucht das auch."


David and Megan Roche, Trail Runner und Trainer,  liefern in ihrem Podcast „Some work, all play“ die meines Erachtens differenzierteste Auseinandersetzung mit dem UTMB-Whistler Dilemma. Sie konstatieren zunächst mal, dass es sich hier um eine Konstellation Aussage gegen Aussage handelt. Und in dieser Konstellation geben sie dem Ironman/UTMB den Vertrauensvorschuss, dass deren Version der Ereignisse korrekt ist. Doch selbst dann stellen sie fest: Die Art wie der Ironman/UTMB hier agiert hat, verstößt gegen den guten Stil. Denn man war im Gespräch mit Gary Robbins und hat dennoch die eigenen Pläne verheimlicht.  Sie stellen fest, dass dieser Vorgang für den UTMB ein PR-Desaster ist und ihm – vor allem in Nordamerika - auf die Füße fallen könnte, denn die lokale Trail-Community ist nachhaltig verärgert. 


Finn Melanson, Produzent des Podcasts Singletrack, erörtert das Thema in einer Diskussionsrunde, in der auch ein erfahrener Race-Director sitzt: Jamil Coury (Aravaipa Running). Die ausführliche Diskussion berührt unterschiedliche interessante Aspekte. Ein Punkt darin: Der UTMB scheint in der Art, wie “Akquisitionen” von Rennen ablaufen, den US-Amerikanischen Markt nicht zu verstehen: Hier ist die Trail-Community viel wichtiger als in Europa. Man spricht von verpassten Chancen: Der UTMB hätte Gallionsfiguren des nordamerikanischen Trail- und Ultrarunning wie Karl Meltzer oder Gary Robbins einbinden und zum Sprachrohr für den UTMB machen können – genau das Gegenteil ist passiert. Man konstatiert: Der UTMB verfolge keinen kollaborativen Ansatz, sondern versuche, möglichst schnell die etablierten Race Directors rauszudrängen oder zu marginalisieren.



Kommentare aus Europa

Kilian Jornet, Ultratrailrunner,  äußert sich gewohnt diplomatisch – bei ihm muss man häufig die eigentliche Botschaft zwischen den Zeilen lesen: „Beim Trailrunning geht es um die lokale Communities, die sich um die Trails kümmern und die Natur lieben. Es ist traurig zu sehen, wie das Wachstum des Sports das Trailrunning von seinem eigentlichen Sinn entfernt.“ Die von ihm initiierte Pro Trail Runners Association (PTRA) hat sich noch nicht zur Causa Whistler geäußert. 


Trail-Magazin: Das größte deutsche Magazin für Trailrunner hat sich (bisher) noch nicht in dieser Sache geäußert. Der Chefredakteur, Denis Wischniewski, stellt in seiner „Wochenschau“  den oben schon genannten Film von Jeff Pelletier („Why I won’t be racing Ultra Trail Whistler by UTMB“) vor. Denis bezeichnet den Verdrängungswettbewerb des UTMB als unmoralisch. Er warnt aber vor Überreaktionen wie z.B. dem Boykottaufruf gegenüber dem US-Amerikanischen Trailrunner Magazine, aufgrund der Tatsache, dass dessen Mutterkonzern Outside offizieller Medienpartner des UTMB ist.


Vom Laufen, der Podcast des (ehemaligen) Chefredakteurs der Laufzeit, Christian Bruneß, und seiner Frau Julia beschäftigen sich eher mit den Reaktionen auf die Problematik Whistler-UTMB. Auf der Sachebene vertreten die beiden die Meinung, dass die Anwälte des UTMB wohl das (kommerzielle) System verstanden haben, Gary Robbins dagegen nicht. Den Aufschrei, den das ausgelöst hat, betrachten die beiden von einer Hyperebene und verweisen hierzu auf den Soziologen Steffen Mau: Man sehe hier eine Empörungskultur am Werk, die sich dadurch auszeichne, dass es sich um punktuelle Reaktionen ohne konsistentes politisches Glaubenssystem handelt. 


Trailrunning Geschwätz, der Podcast der beiden Trainer Arne Wolff und Lars Schweizer von Two Peaks Endurance sieht den Schuldigen der jetzigen Misere nicht so sehr beim UTMB, sondern vor allem bei den Verantwortlichen von Whistler/Vail. Arne und Lars weisen darauf hin, dass es in Kanada genügend Platz gibt für VIELE Rennen. Und dass nicht nur der UTMB, sondern auch Gary Robbins bzw. der CMTR etwas verdienen will. Man sieht explizit nicht die Gefahr, dass kleine Rennen vom UTMB platt gemacht werden. Vielmehr sei der UTMB ein Pulsgeber für den Trailrunning-Sport und jeder Läufer und jede Läuferin profitiere vom UTMB, die Auswirkungen des UTMB gingen bis hin zur Produktentwicklung (Laufschuhe etc.). Arne und Lars vermissen - einen neutralen Vermittler – sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Es fehle ein starker Verband – der aber, anders als derzeit die ITRA, sponsorenfrei sein müsste. Lars weist auch darauf hin, dass es etwas mit der Causa Whistler „vergleichbares“ schon mal in Europa gab, als 2014 der seit 2005 veranstaltete Zugspitz-Extremberglauf keine Genehmigung der regionalen Behörden mehr bekam, während Plan B mit der in die „Rock the Top“ integrierte „Vertical Challenge“ von 2014 bis 2017 einen auf fast identischer Strecke stattfindenden Wettbewerb anbot.



Die Reaktionen

Die erste Reaktion auf die Rennankündigung des "Whistler Ultra Trail by UTMB" war die von Gary Robbins, der ein CMTR-Rennen in der Nähe von Whistler (genauer Ort noch unbekannt) am gleichen Wochenende ankündigte. Das ist natürlich eine Kampfansage, und verschiedene AthletInnen und VeranstalterInnen haben bereits jetzt zugesagt, bei dem Rennen von Gary auszuhelfen oder dabei zu sein. 

Von Dominic Grossman & co. wurde kurz nach dieser Ankündigung eine GoFundMe-Seite geschaltet, auf der man für Gary spenden kann, damit dieser – wie es sarkastisch heißt – den UTMB aufkaufen kann ... ansonsten kann er das Geld für sein neues Rennen verwenden. Bislang sind schon mehr als 7000 $ Spenden eingegangen.

Man muss sich nicht der Illusion hingeben, Gary’s Konkurrenzrennen würde dazu führen, dass es für den Whistler by UTMB keine Anmeldungen gibt – es gibt genügend „Steinesammler“ aus Kanada und dem Ausland, die sich da anmelden werden. Viel größer ist ein anderer Punkt einzuschätzen: Die lokale Trail-Community hat sehr schnell und  lautstark verkündet, dass sie keine Volunteers für den Whistler by UTMB stellen wird. Unter der Rennankündigung des UTMB konnte man lesen: „Good luck getting volunteers for that weekend“. Natürlich kann der UTMB auch seine Volunteers mitbringen, aber jeder, der schon einmal ein Trailrennen veranstaltet hat weiß, dass es wichtig ist, genügend Leute dabei zu haben, die jeden Meter der Strecke kennen. 

Etwa eine Woche nach der Ankündigung von Whistler by UTMB hat der Eastern States 100 mitgeteilt, dass sie aus Protest alle Verbindungen mit dem UTMB abbrechen – insbesondere wird der Eastern Trail States und die von ihm organisierte Trail-Alliance nicht mehr als UTMB Index-Rennen fungieren. Ob sich dem weitere Rennen anschließen, ist bislang nicht bekannt. 

Und dann ist da der Shitstorm, der sich seit nunmehr drei Wochen unter jeder Ankündigung des UTMB in die Kommentarzeilen ergießt. Dazu kommen noch einige kreative Memes, die eines ganz deutlich erkennen lassen: Welche Rolle auch immer Ironman/UTMB in Whistler spielte, sie haben sich auf jeden Fall ins Knie geschossen. 



Original (by UTMB) ...



... und "Fälschung" (by Tony Darracoté)




Mein Kommentar

Zum Schluss möchte ich kurz schildern, wie ich die Sache sehe:

Wir werden vermutlich nie genau erfahren, was der Grund war, weswegen Gary Robbins und CMTR den WAM letztlich aufgeben mussten. Waren da nur inkompetente Mitarbeiter von Whistler/Vail schuld – oder hat Ironman/UTMB im Hintergrund die Strippen gezogen? Gehen wir also mal davon aus, dass Ironman/UTMB tatsächlich erst nach der Ankündigung der Rennabsage von WAM aktiv wurde. Dass man dann aber den ehemaligen Renndirektor erst in der Nacht vor der eigenen Rennankündigung über das neue Rennen informiert, zeugt nicht nur von Arroganz, sondern auch von einer kompletten Fehleinschätzung der Trail Community in Kanada. Ironman/UTMB kommt mir da vor wie ein Bulldozer: Sie können vor Kraft kaum laufen - und haben jeglichen Sinn für den "guten Ton" verloren. Ich denke aber, dass sie sich da verschätzt haben – denn gerade im nordamerikanischen Markt ist die Skepsis gegenüber diesem Konzern sehr groß, was man in der Vergangenheit z.B. beim Hardrock oder beim High Lonesome gesehen hat. Hier hat es nur noch einen Tropfen gebraucht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen – und der UTMB hat gleich einen Eimer ins Fass geschüttet. Es wird schwierig sein, diese Situation wieder einzufangen ...

In vielen Diskussionen wurde betont, wie wichtig der UTMB für den Trailrunning-Sport insgesamt ist. Obwohl ich seit Jahren schon den UTMB wegen seiner Monopol-Politik kritisiere, so muss ich neidlos anerkennen, dass der UTMB z.B. in Sachen live-Bilder von der Strecke Maßstäbe gesetzt hat. Allerdings glaube ich nicht, dass man dem UTMB gegenüber völlig machtlos ist und ßeinfach mit Verweis auf die Vorteile alle Nachteile akzeptieren sollte. John F. Kennedy soll einmal gesagt haben: „a rising tide lifts all boats”. Was dieses Zitat ausdrückt, war oft der Unterton bei Kommentaren: Ja, Ironman/UTMB ist groß und mächtig – aber wenn dort das Business gut läuft, dann ist es auch gut für die vielen kleinen Unternehmen, die auch vom Trailsport leben – und schließlich auch für die Trailläufer. Einem Wirtschaftsberater von Bill Clinton wird eine Modifikation des oben genannen Satzes zugeschrieben: "the rising tide will lift some boats, but others will run aground." Ich denke, dieser modifizierte Satz beschreibt die Situation, die wir jetzt erlebt haben (und vielleicht in der Zukunft noch häufiger erleben werden) besser. Ja, für viele ist die Existenz des UTMB zuträglich: Da gibt es für Laufmagazine was zu berichten, Fotografen können sich austoben, von Trainern müssen Trainingspläne geschrieben werden, kleinere Rennen ziehen mehr Interessenten an, weil sie ein „UTMB Index Race“ sind. Aber die Sache mit WAM hat auch gezeigt, dass auch mal eine Welle kommen kann und ein Boot unter Wasser drückt. Gerade der Blick auf Ironman sollte einem bewusst machen, dass ein Platzhirsch auch nachhaltigen Schaden anrichten kann: Denn in den vergangenen Jahren wurden gut laufende Triathlon-Rennen aufgekauft – und nach wenigen Austragungen „discontinued“ ... und auf diesem Boden ist nie wieder ein lokales Rennen entstanden. 

In den Diskussionen der vergangenen Wochen habe ich oft gehört: „Nicht nur der Ironman/UTMB, auch andere verdienen Geld mit dem Sport“. Ja, das stimmt. Und das ist gut so. Auch Gary Robbins bzw. CMTR verdienen Geld mit ihren Rennen. Aber es macht für mich einen Unterschied, ob es sich um ein eigentümergeführtes Unternehmen handelt, oder ob dort ein Investor (wirtschaftlich) das Sagen hat. Eigentümergeführten Unternehmen geht es vor allem um wirtschaftliche Auskömmlichkeit. Wenn ein solches Unternehmen gut läuft, verdient der Eigentümer Geld  – aber es muss ihm um eine nachhaltige Entwicklung gehen, damit er auch in den kommenden Jahren noch sein Geld mit diesem Business verdienen kann. Wenn aber ein Investor im Hintergrund steht, dann geht es dem meist nicht um die Sache selbst, auch nicht so sehr um die laufenden Einnahmen, sondern darum, das Unternehmen so zu gestalten, dass es beim Verkauf deutlich mehr einbringt als den eigenen Kaufpreis. Es geht um Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das haben wir in den letzten 2 Jahrzehnten beim Ironman gesehen: 2008 wurde die WTC – damals Eigentümer des IRONMAN - von Providence Equity Securities für 85 Mio USD gekauft. Die verkauften 2015 an die chinesische Dalian Wanda Group für 650 Mio USD, und die wiederum 2020 für 730 Mio USD an Advance. Investoren sind an solchen „Wachstumsmärkten“ interessiert. Und gleichzeitig sieht man, dass das Wachstum des Ironman seine Grenzen erreicht hat und eine gewisse Sättigung eingetreten ist. Weiteres Wachstum war nur durch noch mehr Qualifikationsrennen, ein aufgeblähtes Finale in Kona und schließlich eine Trennung von Männer- und Frauenrennen möglich. In dieser Phase hat man das Trailrunning als "neuen" Wachstumsmarkt ausgemacht. Man muss keine Prophetin sein um zu sagen, dass die Entwicklung des Ironman eine Blaupause für die Entwicklung von UTMB / UTMB World Series sein wird. Und genau dem sollte Einhalt geboten werden. Außerdem sollte man die ökonomischen Auswirkungen von Rennen auf die lokale Wirtschaft betrachten: In einem interessanten Interview des österreichischen „laufend entdecken“ Podcasts gibt der Veranstalter des Großglockner-Ultratrail, Hubert Resch, einen Einblick und stellt fest, dass die lokale Wirtschaft bei kleinen Veranstaltern mehr profitiert als wenn der UTMB die Veranstaltung choreographiert und viele Dienstleistungen selbst durchführt oder Vertragspartner hat, die er mitbringt.  

Was mich aber an den Reaktionen auf das UTMB-Whistler Dilemma am meisten erstaunt und erschreckt hat: Es sind nicht nur die Verantwortlichen des UTMB, die nicht zu verstehen scheinen, wie die nordamerikanische Trail-Community „tickt“. Auch die hiesigen Multiplikatoren, aber auch die Trailrunner-Basis scheint diesseits und jenseits des Atlantiks ganz unterschiedlich auf Kommerzialisierung, aber auch auf Fairness zu blicken. Und während hierzulande ein nicht geringer Anteil der Trailläufer die Ansicht vertritt, dass das nun mal so ist und man eh nichts ändern kann, trauen sich die Trail-Communities in USA und Kanada, gegen empfundene Ungerechtigkeit und falsche Entwicklungen aufzustehen. „We, the people“ – ein erster Schritt zur Selbstwirksamkeit.



DANK

Mein besonderer Dank in der Vorbereitung zu diesem Artikel geht an Steve Auch von uptothetop. Er hat in der Vergangenheit schon einige Rennen von Gary Robbins/CMTR kennengelernt. Nach vier Starts in Squamish und einem beim WAM ist er von der Organisation von Gary/CMTR begeistert – und natürlich an der Entwicklung von CMTR/Ironman/UTMB interessiert. Er hat mir schneller Links zu neuen Entwicklungen zugespielt, als ich sie selbst recherchieren konnte. 






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