von Sabine
„We, the people …“
Mit diesen bekannten und vielzitierten Worten beginnt die Verfassung der USA. Sie macht in den ersten drei Worten klar: Wir, die Gesamtheit der Individuen, haben Handlungsautonomie. Hier spricht kein König oder Kaiser, kein Gott oder Gottesvertreter, hier spricht das Volk – und damit letztlich jeder einzelne. Oder zumindest die Gesamtheit der Einzelnen.
We, the people …
Diese drei Worte würden auch gut zu einer Geschichte passen, die sich in den letzten Monaten in den USA ereignet hat. Die Firma „Backcountry“ , einer der führenden Online-Händler für Outdoorbedarf und Partner des deutschen Online-Händlers „Bergfreunde“, ließ sich ihren Namen (Backcountry = Hinterland) als Markenzeichen eintragen und überzog dann Hersteller und Veranstalter, die das Wort „Backcountry“ im Namen haben, mit zivilrechtlichen Prozessen. Zu den „Opfern“ dieser aggressiven Firmenpolitik gehörten Skihersteller genauso wie kleine Kaffeeröstereien. Diese mussten ein kostspieliges „Rebranding“ durchlaufen.
Doch diese Praktiken blieben nicht unentdeckt, und als immer mehr Kunden in den sozialen Medien unter #boycottbackcountry ihrem Ärger Luft machten, schlug die Stimmung um. Das wiederum führte dazu, dass Backcountry Anfang November ankündigte, sich von seinen Rechtsanwälten zu trennen. Gleichzeitig versprach Backcountry eine große Wiedergutmachungskampagne: Einige der von ihnen geschädigte Marken sollen in ihr Produktportfolio aufgenommen werden, und bei anderen sollen die Kosten für das Rebranding erstattet werden.
We, the people …
Der Fall „Backcountry“ zeigt, dass die Kunden und Verbraucher nicht ganz so machtlos sind, wie es immer aussehen will.
Und wie ist es bei uns Läufern? Die „Backcountry“-Geschichte weckt Erinnerungen. Trailrunning ist – auch wenn es manche anders sehen – kein Hort der Glückseligkeit fernab von kommerziellen Interessen. Nun sind kommerzielle Interessen an sich nichts Schlechtes, aber Auswüchse solcher Interessen können dazu führen, dass die Stimmung umschlägt und hässlich wird. Auch im Trailrunning wurde schon mit Abmahnungen gedroht, wurde versucht, mit Juristen oder mit ausgefeilten Verfahren die eigene Position zu stärken. Zum Beispiel bei dem Streit um den „Stealth Runner“ Nick Clark beim Grand Slam of Ultrarunning. Oder beim Streit zwischen ZUT und UTMB um das mit Trademark gelabelte „Ultra Trail“ – und die Konsequenz bzgl. der Qualifikationspunkte für den UTMB. Oder die Fortsetzung der Qualifikationsmonopolisierung beim UTMB mit den im letzten Frühjahr angekündigten “Running Stones”, die letztendlich ein Schlag ins Gesicht war für diejenigen Veranstalter, die Qualifikationspunkte vergeben und bisher die Steigbügelhalter des UTMB waren. Die Reaktion auf solche legalen, für das Ethos des Sports aber grenzwertigen kommerziellen Auswüchse ist eher verhalten. Sicher empören sich einige Sportler und Veranstalter. Aber den Grand Slam of Ultrarunning gibt es weiterhin, und der UTMB kann sich vor Zuspruch kaum retten. Von vielen werden diese Auswüchse achselzuckend hingenommen. Man passt sich halt an. Neue Qualifikationsregeln beim UTMB? O.k., dann muss ich in Zukunft eben nach China, Patagonien oder Oman fliegen – Hauptsache ich bekomme meine Punkte oder Stones zusammen …
Diese achselzuckende Anpassung sieht man auch bei den Gadgets, die für Läufer auf den Markt gebracht werden, und die man eigentlich nicht braucht. Wenn eine Schuhmarke für einen Rekordlauf einen Rennschlappen herstellt, der bei dramatisch geringerer Lebensdauer einen deutlich höheren Preis als andere Schuhe hat und sich beim Durchschnittsläufer kaum auf die Laufzeit auswirken wird, dann sieht man trotzdem in der folgenden Saison diesen Schuh auch an den Füßen einer Reihe von eben diesen Durchschnittsläufern. Dabei scheinen sie billigend in Kauf zu nehmen, dass sie sich dabei im Zweifel selbst schaden (Überlastungsverletzungen aufgrund von unpassendem Schuhmaterial), und auch die Umwelt belasten aufgrund der geringen Lebensdauer des Schuhs. Aber egal, man will eben keine Chance auslassen, die eigene Bestzeit doch noch um ein paar Sekunden zu verbessern.
Wundert es da, wenn die schwedische Verbraucherforscherin Carys Egan-Wyer in einer Studie konstatiert, dass das Selbst- und das Fremdbild von Ausdauerläufern teilweise deutlich auseinanderklafft? Dass Läufer zwar glauben, dass sie ihren Sport betreiben, um zu sich selbst zu kommen oder die Natur zu erleben, dass ihre Triebfeder aber viel eher neoliberale Ideale sind.
Liegt also das Problem darin, dass alle nur mit sich selbst beschäftigt sind und kein Interesse am Schicksal des Sports als solches haben? Sicher nicht nur. Bei vielen ist es auch das Gefühl „da kann man sowieso nichts machen“. Man beobachtet die Kommerzialisierung zwar mit Stirnrunzeln, man findet die Auswüchse der Kommerzialisierung zwar ätzend – aber was kann man als einzelner Sportler schon ändern?
Dabei sind wir gerade in der Trailrunning Community exzellent vernetzt – real und virtuell. Wir kennen aus unserem Training das Prinzip der Selbstwirksamkeit. Und wir wissen, dass es viele kleine Schritte sind, die einen am Ende ins Ziel bringen.
Gerade der Fall „Backcountry“ kann uns zeigen, dass wir gemeinsam nicht machtlos sind – wenn wir unsere Handlungsautonomie nutzen.
We the runners, we the people.
„We, the people …“
Mit diesen bekannten und vielzitierten Worten beginnt die Verfassung der USA. Sie macht in den ersten drei Worten klar: Wir, die Gesamtheit der Individuen, haben Handlungsautonomie. Hier spricht kein König oder Kaiser, kein Gott oder Gottesvertreter, hier spricht das Volk – und damit letztlich jeder einzelne. Oder zumindest die Gesamtheit der Einzelnen.
We, the people …
Diese drei Worte würden auch gut zu einer Geschichte passen, die sich in den letzten Monaten in den USA ereignet hat. Die Firma „Backcountry“ , einer der führenden Online-Händler für Outdoorbedarf und Partner des deutschen Online-Händlers „Bergfreunde“, ließ sich ihren Namen (Backcountry = Hinterland) als Markenzeichen eintragen und überzog dann Hersteller und Veranstalter, die das Wort „Backcountry“ im Namen haben, mit zivilrechtlichen Prozessen. Zu den „Opfern“ dieser aggressiven Firmenpolitik gehörten Skihersteller genauso wie kleine Kaffeeröstereien. Diese mussten ein kostspieliges „Rebranding“ durchlaufen.
Doch diese Praktiken blieben nicht unentdeckt, und als immer mehr Kunden in den sozialen Medien unter #boycottbackcountry ihrem Ärger Luft machten, schlug die Stimmung um. Das wiederum führte dazu, dass Backcountry Anfang November ankündigte, sich von seinen Rechtsanwälten zu trennen. Gleichzeitig versprach Backcountry eine große Wiedergutmachungskampagne: Einige der von ihnen geschädigte Marken sollen in ihr Produktportfolio aufgenommen werden, und bei anderen sollen die Kosten für das Rebranding erstattet werden.
We, the people …
Der Fall „Backcountry“ zeigt, dass die Kunden und Verbraucher nicht ganz so machtlos sind, wie es immer aussehen will.
Und wie ist es bei uns Läufern? Die „Backcountry“-Geschichte weckt Erinnerungen. Trailrunning ist – auch wenn es manche anders sehen – kein Hort der Glückseligkeit fernab von kommerziellen Interessen. Nun sind kommerzielle Interessen an sich nichts Schlechtes, aber Auswüchse solcher Interessen können dazu führen, dass die Stimmung umschlägt und hässlich wird. Auch im Trailrunning wurde schon mit Abmahnungen gedroht, wurde versucht, mit Juristen oder mit ausgefeilten Verfahren die eigene Position zu stärken. Zum Beispiel bei dem Streit um den „Stealth Runner“ Nick Clark beim Grand Slam of Ultrarunning. Oder beim Streit zwischen ZUT und UTMB um das mit Trademark gelabelte „Ultra Trail“ – und die Konsequenz bzgl. der Qualifikationspunkte für den UTMB. Oder die Fortsetzung der Qualifikationsmonopolisierung beim UTMB mit den im letzten Frühjahr angekündigten “Running Stones”, die letztendlich ein Schlag ins Gesicht war für diejenigen Veranstalter, die Qualifikationspunkte vergeben und bisher die Steigbügelhalter des UTMB waren. Die Reaktion auf solche legalen, für das Ethos des Sports aber grenzwertigen kommerziellen Auswüchse ist eher verhalten. Sicher empören sich einige Sportler und Veranstalter. Aber den Grand Slam of Ultrarunning gibt es weiterhin, und der UTMB kann sich vor Zuspruch kaum retten. Von vielen werden diese Auswüchse achselzuckend hingenommen. Man passt sich halt an. Neue Qualifikationsregeln beim UTMB? O.k., dann muss ich in Zukunft eben nach China, Patagonien oder Oman fliegen – Hauptsache ich bekomme meine Punkte oder Stones zusammen …
Diese achselzuckende Anpassung sieht man auch bei den Gadgets, die für Läufer auf den Markt gebracht werden, und die man eigentlich nicht braucht. Wenn eine Schuhmarke für einen Rekordlauf einen Rennschlappen herstellt, der bei dramatisch geringerer Lebensdauer einen deutlich höheren Preis als andere Schuhe hat und sich beim Durchschnittsläufer kaum auf die Laufzeit auswirken wird, dann sieht man trotzdem in der folgenden Saison diesen Schuh auch an den Füßen einer Reihe von eben diesen Durchschnittsläufern. Dabei scheinen sie billigend in Kauf zu nehmen, dass sie sich dabei im Zweifel selbst schaden (Überlastungsverletzungen aufgrund von unpassendem Schuhmaterial), und auch die Umwelt belasten aufgrund der geringen Lebensdauer des Schuhs. Aber egal, man will eben keine Chance auslassen, die eigene Bestzeit doch noch um ein paar Sekunden zu verbessern.
Wundert es da, wenn die schwedische Verbraucherforscherin Carys Egan-Wyer in einer Studie konstatiert, dass das Selbst- und das Fremdbild von Ausdauerläufern teilweise deutlich auseinanderklafft? Dass Läufer zwar glauben, dass sie ihren Sport betreiben, um zu sich selbst zu kommen oder die Natur zu erleben, dass ihre Triebfeder aber viel eher neoliberale Ideale sind.
Liegt also das Problem darin, dass alle nur mit sich selbst beschäftigt sind und kein Interesse am Schicksal des Sports als solches haben? Sicher nicht nur. Bei vielen ist es auch das Gefühl „da kann man sowieso nichts machen“. Man beobachtet die Kommerzialisierung zwar mit Stirnrunzeln, man findet die Auswüchse der Kommerzialisierung zwar ätzend – aber was kann man als einzelner Sportler schon ändern?
Dabei sind wir gerade in der Trailrunning Community exzellent vernetzt – real und virtuell. Wir kennen aus unserem Training das Prinzip der Selbstwirksamkeit. Und wir wissen, dass es viele kleine Schritte sind, die einen am Ende ins Ziel bringen.
Gerade der Fall „Backcountry“ kann uns zeigen, dass wir gemeinsam nicht machtlos sind – wenn wir unsere Handlungsautonomie nutzen.
We the runners, we the people.
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