Eiger Ultratrail 2018 - E101 Das Rennen

von Erik


12.13 Uhr - Burglauenen - Ende!

Amelie's sorgenvolle Augen schauen mich fragend an. Sie hat mich in den letzten Stunden per Tracking verfolgt und meine immer geringere Geschwindigkeit und schlechtere Zwischenzeiten registriert. Ich schüttele den Kopf und winke ab: "Das war's. Ich höre auf."

Seit einer guten Stunde stand mein Entschluß fest. Die Reise endet heute für mich in Burglauenen. Ich breche den E101 zur Halbzeit ab.


Der Eiger! Ultratrail! E101! Mein großes Ziel für 2018! Der Hauptwettkampf und DER Fokus in diesem Jahr!

Nach dem E101 2017 war klar, daß ich auch 2018 starten würde. Mit voller Konzentration, ein Jahr Vorbereitung, so optimal wie möglich. 12 Monate durchgeplant. Doppelperiodisierung mit den Höhepunkten TransGranCanaria und Eiger Ultratrail. Dosiert Vorbereitungswettkämpfe. Professioneller, individueller Trainingsplan von Michael Arend, drei Monate kaum Alkohol und Essenssünden usw. Noch nie habe ich mich so professionell auf einen Wettkampf vorbereitet.

Ich habe viel investiert. Sehr viel. Und das war gut. Ich habe mich super verbessert, wieder einiges gelernt und - es hat Spaß gemacht. Entsprechend gross war dann auch die Vorfreude - und die Erwartungshaltung: Ich habe mir richtig was zugetraut.


In der Vorbereitung und durch Berichte davon hat sich dann nach und nach unser Eiger-Team vergrössert. Zum Rumpf-Team TrailrunningHD Sabine, Andrea, Katrin und mir kamen mein Bruder Dirk und seine Frau Uta, unsere Freunde Esra, Bernd und Wolfgang als Läufer hinzu. Als Betreuer-Team sollten wieder Amelie und meine Eltern fungieren. Also ein richtig großes Team. Super Sache!

Leider mussten dann kurzfristig meine Eltern absagen. Schade. (Das nächste Mal seid ihr bestimmt wieder dabei! LG)

So sind wir dann angereist. TrailrunningHD und Amelie am Donnerstag, alle anderen am Freitag.
Im Hotel gibt es dann tatsächlich Kühe


Aber es gab auch Ausblicke:



Freitags nach dem Frühstück dann erstmal die Startnummern holen. Zum Glück diesmal nicht gar so voll wie letztes Jahr.




Und im Starterbeutel gab es tolle Geschenke: Zum Beispiel Zipfelmützen für Badkappen:


Dieses Mal hatte ich auch das Essen vorher geplant. Es sollte mir nicht wieder wie 2017 ergehen, als wir zu spät am Vorabend gegessen hatten und ich auch noch zu schwer. Und wahrscheinlich dann mit zu geringem Zeitversatz vor dem Rennen zu viel. Das Resultat war dann ja eine Magenverstimmung gewesen und eine üble erste Rennhälfte. Dieses Jahr also frühes, leichtes Abendessen: Spaghetti oder Pizza:


Freitag abends dann nochmal alles prüfen.

Motivations-Schrein für nach dem Rennen:




Laufsachen liegen bereit. Fast alles wie immer:

Dynafit Feline SL. Meine Sorglos-Schuhe. Auch nach 18 Stunden Wettkampf keine Fußprobleme. CEP 2.0. Keine Falten, kein Verrutschen, keine Reibung im Schuh. Super Tragekomfort.
Short/Shirt: X-Bionic. Super Tragekomfort. Keine wunden Stellen, Reibung, Hautprobleme.

Rucksack ist gepackt:
Ultimate Direction. Für mich der perfekte Laufrucksack.
Montane Minimus. Super Regenjacke. Leicht und atmungsaktiv.
Beinlinge. Die sind leichter als eine Hose.
Langes Oberteil mit 150 Gramm (Vorschrift)
Rettungsdecke, elastische Binde.
Petzl Tikka zum Start. Ausreichend Licht. Petzl E+lite. Mini und leicht, da 2. Lampe Pflicht.
Drei Gels. Eines für direkt vor dem Start, zwei für die erste Stunde. (Soll: 2 Gels pro Stunde)
Ultimate Direktion Flasks. Große Öffnung, deshalb gut zu befüllen. Eine ist Pflicht, die zweite nehme ich anstatt des obligatorischen Trinkbechers. So bin ich flexibler. Beide Flaschen gefüllt, also 1 Liter. Einen halben Liter trinke ich 5 Minuten vor dem Start.
Handy (Pflicht)
Taschentücher
Ersatzkontaktlinsen
Sonnenbrille (Pflicht)
Handschuhe (Pflicht)
Stirnband (Pflicht)
Tüte mit Salztabletten.
Kleine Plastiktüte (1l Gefrier). Da ich auf langen Downhills die Stöcke hinten in den Rucksack packe, brauche ich die Tüte, damit die Spitzen der Stöcke nicht am elastischen Stoff hängen bleiben. Rutscht einfach besser rein.
Leki Micro Trail Pro. Hier mache ich etwas, was man eigentlich nicht machen soll: Ich setze etwas im Rennen ein, was ich vorher nicht getestet habe. Die Stöcke habe ich am Freitag auf der Messe gekauft. Darüber nachgedacht habe ich schon lange. Das Schlaufensystem zum Einklicken verspricht bessere Kraftübertragung und mehr Komfort.

Frühstück ist hergerichtet:
Ultra Starter. Flüssiges Frühstück. Besonders wertvoll, wenn man so knapp vor dem Rennen aufsteht.
Zwei Riegel, zwei Stück dunkle Schokolade, ein Elotrans (Elektrolytmischung) aus der Apotheke.

Kinesiotape am rechten Knie ist angebracht. Knieverletzung ist immer noch nicht ganz ausgeheilt.
Kontaktlinsen, Nasenpflaster, Vaselineersatz, Sonnencreme liegen bereit

Mit der Checkliste alles zwei Mal geprüft. Sicher ist sicher und es beruhigt.


Dann früh ins Bett, es wird eine kurze Nacht. Ich bin nicht besonders nervös oder aufgeregt. Kann ab er trotzdem nicht einschlafen.

Also gehe ich in Gedanken das Rennen nochmals durch:

Wie ist der Status Quo? Ich bin super vorbereitet (siehe oben). Längerer Vorlauf, mehr Wettkämpfe, super Trainingsplan, Schwächen verbessert, abgenommen, gut trainiert. Laufzeiten im Training waren vielversprechend und der Vorbereitungswettkampf (ZUT Basetrail XL) lief auch recht gut. Alles bereit also für ein gutes Rennen und eine deutlich bessere Zeit als letztes Jahr.

Einerseits. Andererseits hatte ich in den letzten acht Wochen mit meiner Knieverletzung zu kämpfen. Da mache ich mir aber aktuell keine großen Sorgen. Fraglicher hingegen ist der Infekt der mir über drei Wochen zu schaffen gemacht hat und von dem ich leider nicht sicher sein kann, ob er komplett weg ist. Ich habe mich aber in den letzten Tagen recht gut gefühlt und bin mir sicher, daß ich den E101 finishen werde. Die Frage ist eher, ob ich die gute Zeit die ich mir zutraue bringen kann.

Meine Strategie für morgen wird sein, kontrolliert loszulaufen. Puls um die 150, max. 155. Downhills je nachdem wie sich das Knie anfühlt. Ausgeruht auf dem Faulhorn ankommen um den langen Downhill nach Burlauenen mit ca. 1800 HM genießen zu können und schnell zu laufen. Dann kontrolliert bis Eigergletscher. Ab hier: Feuer frei. Was geht. Soweit der Plan.

Mit diesen Gedanken schlafe ich ein. Ich freue mich auf das Rennen!


2.00 Uhr. Der Wecker klingelt. Unmenschlich! Jetzt läuft erstmal alles automatisiert ab. Oft genug durchexerziert und es ist ja alles perfekt vorbereitet. Als erstes rein mit dem Frühstück, es bleiben nur zwei Stunden bis zum Rennen. Kontaktlinsen, Nasenpflaster, Sonnencreme, Vaselineersatz auf alle neuralgischen Stellen, anziehen. Trinkflaschen in den Rucksack, alles bereitlegen. Fertig. 2.35 Uhr. Bis zum vom Hotel angebotenen Frühstück (Kaffee!!!) um 3.15 Uhr bleibt noch Zeit. Gelegenheit noch ein paar Photo-Faxen zu machen.


Da fällt mir auf, daß ich ordentlich Druck auf dem Bauch habe. Beim Blick in den Spiegel denke ich: "Oh nein. Bitte nicht schon wieder!" Der Bauch ist ähnlich aufgebläht, wie letztes Jahr, als ich massive Magenprobleme hatte. Kann doch eigentlich nicht sein. Alles richtig gemacht!? Also erstmal runter zum Frühstück und ein paar Kaffees trinken, Verdauung anregen und nochmal auf die Toilette, dann wird sich das schon geben.


Meine Güte, ich sehe ja echt müde aus.

Gesagt getan. Nur fühlt es sich nicht besser an. Na ja. Abwarten, das wird schon weggehen.
Schnell noch ein Photo vor dem Hotel und Abmarsch Richtung Start.


Eigentlich wollte ich mich 10 Minuten warmmachen. Muß aber doch nochmal auf die Toilette und die Schlange ist lang. Beim Warten spricht mich ein Läufer an: "Hey Erik, ich kenne deinen Blog." Wir unterhalten uns kurz und wünschen uns viel Glück. Das wird mir dann während des Rennens noch mehrfach passieren, daß ich auf unseren Blog angeprochen werde. Finde ich super nett und freut mich total. Viele Grüße an alle, mit denen ich mich unterhalten habe. Ich hoffe, ihr hattet ein gutes Rennen und habt eure Ziele erreicht.

Dann schnell rein in den Startbereich, es geht gleich los.


4.00 Uhr. Startschuß. Die Kanone donnert. Das Rennen läuft.

Wie geplant laufe ich erstmal kontrolliert los. Locker und warm werden. Nach 700 Metern vor dem Hotel steht Wolfgang und macht Photos. Wir klatschen ab. Finde ich super. Steht der Verrückte um 4 Uhr auf um zu photografieren, obwohl sein Rennen doch erst um 9 Uhr startet. Laufe weiter. Da schreit es: "Eeeeriiiik." Haben sich doch tatsächlich zu nachtschlafender Zeit Teile unseres Teams (Dirk, Sabine und Andrea) auf dem Balkon versammelt. Winke und entschwinde mit den anderen Läufern in der Nacht. Zähle grob über das Läuferfeld vor mir. Sollten gut 100 Läufer sein. Ich werden dann aber in den nächsten Minuten noch von zahlreichen Leuten überholt. Sollte sich eher Richtung 150 einpendeln. Da stürmen einige ja wieder ganz schön los.

Nach einem Kilometer an der Bäckerei Wüthrich biegen wir dann nicht wie bisher rechts sondern links ab. Aha. Streckenänderung. Wahrscheinlich aufgrund der höheren Teilnehmerzahl und um die enge Stelle an der kleinen Brücke zu vermeiden. Finde ich gut. Dann kann man mit ausreichen Platz schön einrollen. Wie fühlt es sich an? Geht so. Ging schon leichter.

Irgendwann endet dann die Straße und es geht auf den Trail. Also Stöcke in die Hand und in den Geh-Modus. Erster Eindruck meiner neuen Stöcke: super. Perfekte Kraftübertragung, längerer Schub, keine Griffkorrekturen notwendig. Fühlt sich gut an. Sicherheitshalber habe ich Amelie in den Betreuer-Rucksack meine alten Stöcke (Black Diamond Distance Carbon Z) gepackt, sollte ich mit den neuen Probleme bekommen. Wird aber nicht nötig sein.

Wie ich also nun so in der endlos langen Ameisenschlange von Läufern den Berg hochmarschiere, denke ich: " Sag mal, die Beine vor mir kommen mir irgendwie bekannt vor. Ist das nicht...?" In diesem Moment drehen sich die Beine rum. Bzw. der Kopf, der zu den Beinen gehört. Nicht zu fassen. Es ist Otmar Mitter. Sieger der letzten beiden Jahre. Seither haben wir ein paar Mal gechattet. Otmar hatte eine zähe Vorbereitung und zuletzt einen Infekt. Kommt mir bekannt vor! Soweit ich weiß, kam Otmar letztes Jahr unter den Top 30 oben an der Großen Scheidegg an. Heute dürften wir an Position 100 plus liegen. Entweder hat er eine andere Strategie, oder er ist langsamer, oder das Feld schneller? Egal. Schön mein Tempo laufen. Klappt auch gut. Allerdings muß ich brutal für große Jungs. Ich unterdrücke und will erstmal oben ankommen, dann schauen wir weiter.

Gemeinsam mit Otmar komme ich nach einer Stunde 19 Minuten oben an. Langsamer als erhofft. Egal. Das Rennen ist noch lang. Otmar macht länger Pause, ich eile weiter. Nach fünf Minuten überholt er mich, ich lasse ihn ziehen. Beine sind gerade etwas müde. Da der Bauch immer noch drückt wie blöd gehe ich erstmal um die Ecke. Zum Glück habe ich Taschentücher dabei. Schaue auf die Uhr. Drei Minuten. Verdammt lang. Jetzt weiter Richtung First. Es wird hell. Das typische schöne Licht am Morgen. Es öffnet sich ein herrlicher Blick Richtung Eiger. Wow. Spektakulär.

Versuche nun in einen flüssigen Rhytmus zu kommen. Kurz vor First geht es ab in den ersten Downhill. Knie fühlt sich gut an. Spüre nichts. Laufe trotzdem nicht zu agressiv um nichts zu riskieren. Will dem Knie Zeit geben, sich warmzulaufen. Nach ca. 300 Höhenmetern sehe ich wieder Otmar vor mir. Wahnsinn, habe fast drei Minuten aufgeholt. Blöd nur, daß ich nochmal auf Toilette muß. Wieder zwei Minuten weg. Die hole ich bis Bort wieder raus. Gemeinsam gehen wir den Anstieg zum First an. Otmar nimmt mir ungefähr eine Minute ab, wir kommen fast zeitgleich oben an. Leider in 3 Studen 17. Plan war 3 bis 3.10. Also nicht toll, aber geht noch.


Amelie steht fröstelnd bereit. Die Arme stand wartend im Regen. Wir tauschen die Flaschen aus, ich nehme zwei Salztabletten, zwei Gels, einen Riegel und weiter gehts. Im Augenwinkel sehe ich, wie Otmar Mitter Richtung Gebäude läuft. Später erfahre ich, daß er hier den Wettkampf abgebrochen hat. Sch... Infekt!

Bisher war das Wetter super. Etwas wärmer als im Vorjahr, aber noch angenehm, durch den leichten Regen zwischendurch ausreichend kühl. Schwitze trotzdem stark und fühle mich mittelgut. Aber auch nicht schlecht. Also weiterrollen. Läuft sich bestimmt raus. So kommen wir zum Bachalpsee und dann bergab Richtung Feld. Hier ruft das Faulhorn. Der nächste steile Anstieg. Normalerweise gehe ich wenn es steiler wird in den gleichmäßigen Rhytmus kurzer, dynamischer Schritte über. Heute ist es schon kurz, aber leider nicht dynamisch. Fühlt sich alles etwas kraftlos an. Ich laufe streng nach Puls und versuche, bei gegebenem Puls das Tempo zu optimieren. Beim ZUT vor drei Wochen hat sich das aber noch ganz anders angefühlt. Da bin ich noch richtig schön zack zack in kurzen knackigen Schritten den Berg hoch. Das bestätigt sich dann auch durch die Zwischenzeit auf dem Faulhorn. 5.22.31. Das ist deutlich langsamer als ich vorhatte und ich bin langsamer geworden. Jetzt hoffe ich, daß der endlos lange schöne Downhill gut läuft. Schnell verpflegt und - erstmal ab ins Dixie-Klo. Ich muß schon wieder dringend.

Der Downhill startet dann zäh. Ich bin irgendwie steif. Es läuft nicht so flüssig und elastisch wie ich das gewöhnt bin. Ich konzentriere mich, hier bin ich letztes Jahr gestürzt, das will ich auf jeden Fall vermeiden. Laufe so schnell, wie es sich risikolos anfühlt. Werde immer wieder von Läufern überholt. Das bin ich bergab nicht gewohnt. Seit einiger Zeit mache ich mir diverse Gedanken. Ist das normale Ermüdung? Oder doch der Infekt? Kein Tief, sondern dauerhaft schlapp, konstant langsamer werdendes Tempo, steife, müde Beine. Wie ist das zu bewerten? Ich hatte ja einen Infekt.

Andererseits will ich mir ja auch nichts einreden. Vielleicht ist es ja nur ein zäher Anfang und das gibt sich? Vielleicht spiele ich mal wieder nur "Pity Party" und rede mich selber schlecht? Zum wiederholten Male interpretiere ich das ganze positiv. Trotz des müden Gefühls läuft es doch nicht schlecht. Ich komme ganz gut den Berg hoch, die Beine sind ok, ich habe keine Probleme und wenn ich einen guten Downhill zur Schynige Platte und nach Burglauenen hinlege, ist die Zeit gar nicht so schlecht.


Leider werde ich ab Faulhorn nochmals deutlich langsamer. Es fällt mir zunehmends schwer schnell und flüssig zu laufen. Ich stolpere häufig, laufe steif, auf schmalen Pfaden, zum Beispiel auf den Schneefeldern, fällt es mir schwer auf Kurs zu bleiben. Teilweise fühle ich mich fast ein wenig torkelig. Zu der Müdigkeit und Kraftlosigkeit stellt sich immer mehr eine starke Lustlosigkeit ein. Das kenne ich nun garnicht. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen ein Rennen nicht im Ziel zu beenden. Und wenn ich es auf allen vieren zu Ende krabbeln muß.

Heute hingegen habe ich absolut keinen Bock auf die zweite Hälfe. Mit Blick auf die Uhr und ins Tal (weit weg) wird immer klarer, daß die Zeit davonläuft und die Zwischenzeit besch... wird. Und ich bin mir inzwischen sicher, daß die Ursache des Elends heute nur der noch nicht ausgeheilte Infekt sein kann. Es steigen zwar heute viele Läufer wegen der Hitze aus oder erzielen zumindest deutlich langsamere Zeiten, aber ich bin nicht hitzeempfindlich und die Entwicklung des Tages spricht eine andere Sprache. So bin ich mir immer sicherer, daß ich mich in das Unvermeidliche finden muß und den Eiger E101 dieses Jahr in Burglauenen zu beenden habe. Trotzdem laufe ich die letzte Stunde halbwegs normal zu Ende.

Bin dann aber echt froh, als ich endlich in Burglauenen ankommen. 8 Stunden 12 Minuten 52 Sekunden. Meine Güte. Was für eine Kackzeit in Relation zu dem, was ich vorhatte. Aber damit ist es auch nochmal klarer, dass da krankheitsmäßig was gewesen sein muß.

Ich laufe in die Verpflegungsstation ein. Amelie schaut mich sorgenvoll an. Vielleicht aber auch erschöpft. Die Arme hatte mit einer Durchgangszeit von 7 Stunden oder schneller gerechnet und nun ewig an der Station rumgammeln müssen. Ich schaue sie müde an, schüttel den Kopf und teile ihr mit, daß ich aufhöre. Sie bestärkt mich in meiner Entscheidung. Die Gesundheit geht vor. Und sie hat sich das schon gedacht. Sie hatte mich ja mit dem Live-Tracking verfolgt und gesehen, daß ich immer langsamer geworden bin.


Erstaunlicherweise bin ich nicht besonders enttäuscht. Eigentlich wäre ich davon ausgegangen, daß ich einen Heulkrampf kriege, völlig am Boden bin und in ein tiefes Loch falle. Die ganze Vorbereitung, das Herzblut, meine Erwartungen und Hoffnungen. Mein grosses Ziel 2018. Und nun wegen so eines blöden Infekts einfach aus. Bin trotzdem recht entspannt. Ist nun halt mal so. Lebbe geht weiter...


Wir packen zusammen, ich melde mich ab und wir setzen uns in den Zug Richtung Grindelwald. Ich schaue einigen Läufern nach, die Richtung Wengen laufen. Ich fühle mich schon so, als ob ich damit nichts zu tun hätte. Seltsam.


Inzwischen hat Amelie meinen Abbruch an die WhatsApp-Gruppe gemeldet. Die E16er sind fast alle schon im Ziel. Die warmen, aufmunternden Worte tun gut. Wir treffen uns im Zielbereich und ich erfahre, daß alle ihre Erwartungen erfüllt oder übertroffen haben. Super. Freut mich wirklich total. Wir hatten fünf Trail-Rookies dabei und dass das so gut gelaufen ist, ist beeindruckend. Hut ab, Leute!! Wolfgang haarscharf über zwei Stunden, Esra und Bernd ca. 2,5 h, Andrea und Katrin klar unter drei, Uta und Dirk ca. 3.5 h trotz ausgiebiger Photo-Sessions. Super Leistungen. Herzlichen Glückwunsch. Ihr seid Spitze!!


Sabine, die den E51 macht, ist auf der Strecke und kämpft gegen den Cut Off. Aber das war auch vorher schon klar, der Cut Off ist hier sehr anspruchsvoll. Die nächste Herausforderung: Cut Off am Faulhorn. Sabine wird dies später fast schaffen und dann trotzdem vernünftigerweise am Faulhorn aufhören. Der Cut Off ist heute mehr Druck als Herausforderung und mit müden Beinen und immer am Limit mit einer noch nicht ganz ausgeheilten Schulterverletzung auf einen 1800 HM Downhill zu gehen wäre nicht sinnvoll. Über First geht es deshalb zurück ins Tal. Tolle Leistung. Glückwunsch, Sabine.


Später stellt sich dann heraus, dass unsere Entscheidung, die Rennen abzubrechen Glück im Unglück bedeutet. Kurz vor 18 Uhr werden alle Rennen aufgrund Gewitter gestoppt und erst später verkürzt wieder aufgenommen. Das ist auch kein Spaß.

Nachdem wir ein alkoholfreies Bierchen im Zielbereich getrunken hatten und später frisch geduscht waren haben wir uns erstmal ausgiebig Kaffee und Kuchen auf einer herrlichen Terasse gegönnt. Beim Lauschen der Rennberichte der anderen vom E16 und wie es sich angefühlt hat zu finishen denke ich: " Tja und ich habe aufgehört und nichts leisten können heute. Schon schade." Der zweite Gedanke ist dann: "Äh. Moment mal. Immerhin bin ich über 50 Kilometer und mehr als 3000 HM gelaufen. Das ist doch auch nicht nichts!" Aber so ist das nun halt mal, wenn man sich 101 km vornimmt. Das Geleistete ist immer relativ. Allerdings sind gut acht Stunden mit einem nicht ganz ausgeheilten Infekt mehr als genug. Und das merke ich auch. Muskulatur und Knie spüre ich mehr als normalerweise.


Ausklingen ließen wir dann den Tag mit einem lecker Abendessen im Gasthof Gletscherschlucht. Auf dem Heimweg um ca. 22.30 Uhr passierten wir dann eine lange Kolonne von Läufern, die sich Richtung Ziel quälten. Die sahen alle ziehmlich fertig aus. Gewitterpause, Wartezeit, auskühlen, feuchtes Wetter, Nachts heimkommen. Hartes Brot. Respekt an alle und Hut ab!


Ja, das war er nun, der Eiger Ultratrail 2018. Was bleibt?

Trotz der Tatsache, daß ich meine sportlichen Ziele nicht erreichen konnte, war es ein super schönes Wochenende. Wir waren eine super Truppe mit gutem Spirit, prima Athmosphäre im Team und hatten viel Spaß. Ein so tolles Event wie den Eiger Ultratrail mit den mir wichtigsten Menschen, meiner Familie (zumindest einem Teil davon) und den besten Freunden, gemeinsam zu bestreiten ist einfach klasse.

Sehr schön war auch das viele positive Feedback und die netten Gespräche und Kontakte die wir zu unserem Blog bekommen haben. Das bestätigt uns mal wieder in unserer Meinung zur Trail Running Community: nett, offen, entspannt, freundschaftlich. Das ist es, was Traillaufen eben auch ausmacht.
In diesem Sinne: Nochmals viele Grüße an alle und: See you on the Trails ...


Weitere Berichte: 
- Sabine, E51




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