von Sabine
Am Wochenende steht uns das „Hochfest" im Ultrarunning bevor: Der
Western States 100. Ursprünglich hatte man ein großes Duell „Jim Walmsley
gegen den Rest der Welt" erwartet, doch Ende Mai musste der Vorjahressieger
und Streckenrekordhalter seine Teilnahme absagen , genau wie Hayden Hawks.
Von den Top 10 der Männer kehren in diesem Jahr nur vier Läufer zurück. Auch
bei den Frauen fehlen die großen Favoritinnen Courtney Dauwalter und Katie
Schide, die 2023 beziehungsweise 2024 unglaublich schnelle Zeiten gelaufen
waren.
Wird der Western States dadurch langweilig? Ich denke: im Gegenteil. Gerade
das enorm offene Rennen verspricht Spannung.
Und gleichzeitig sind Walmsley und Dauwalter indirekt bei diesem Rennen
präsent. Denn ihre Streckenrekorde schwirren als Benchmark in den Köpfen der
LäuferInnen herum und werden sie zu Höchstleistungen antreiben.
Dabei sollte man nicht vergessen: Der Western States lebt nicht nur von den
Topfavoriten. Die wahre Seele des Rennens zeigt sich oft im Mittelfeld oder am
Ende des Feldes. Nicht umsonst sind in der „Golden Hour" – der letzten Stunde
vor dem 30-Stunden-Cutoff – häufig mehr Zuschauer im Stadion der Placer High
School in Auburn als beim Zieleinlauf der Führenden.
Meine sieben brennenden Fragen vor dem Rennen:
1. Spannendes Rennen oder Favoritensterben?
Dieses Jahr gibt es keine absoluten Favoriten – weder bei den Männern noch bei
den Frauen. Stattdessen wartet ein Feld voller vielversprechender
Kandidaten. Bei den Frauen führen Fuzhao Xiang (804 ITRA-Punkte in der
100-Meilen-Kategorie), Eszter Csillag (786), Marianne Hogan (786), Emily
Hawgood (781) und Ida Nilsson (775) die Favoritenliste an. Spannend wird auch
der Auftritt von 100-Meilen-Debütantin Rosanna Buchauer (Gesamt ITRA-Punkte:
776) sowie weiterer starker Läuferinnen wie Caitlin Fielder (773), Martyna
Mlynarczyk (772), Riley Brady (772) und Hau Ha (775), die bislang noch keine 100 Meilen gelaufen sind.
Bei den Männern sticht Kilian Jornet (919) mit den höchsten ITRA-Punkten in der 100-Meilen-Kategorie hervor, gefolgt von Vincent Bouillard (916), Rod Farvard (912), Adam Peterman
(907) und Daniel Jones (904). Auch Hannes Namberger (888), David Roche (865),
der 100-Meilen-Debütant Peter Frano (916), Jeff Ruhling (884) und Joe
McConaughy (871) haben realistische Chancen auf die Top 10.
Diese Ausgeglichenheit verspricht ein langes Rennen in der Gruppe – und damit
maximale Spannung bis zum Schluss.
2. Fallen die Streckenrekorde?
Die Bedingungen sind vielversprechend: Kein high snow year in der Sierra
Nevada, keine Rekordhitze – auch wenn überdurchschnittliche Temperaturen
angekündigt sind. Gutes Hitzetraining und perfektes Temperaturmanagement während des Rennens werden entscheidend sein.
Dennoch dürften meines Erachtens die Rekorde von Jim Walmsley (14:09:28) und
Courtney Dauwalter (15:29:33) bestehen bleiben. Realistischer ist eine
Rekordzahl von Läufern unter 15 Stunden bei den Männern und unter 17 Stunden
bei den Frauen.
3. Gibt es ein „Dark Horse"?
Fiona Pascall, die jüngere Schwester der 2021er-Siegerin Beth Pascall, hat
bereits mit Siegen beim Wildstrubel und Mozart sowie einem starken 11.
Gesamtplatz beim Ultra Trail Chianti überzeugt. Ein Top-10-Platz ist durchaus
möglich.
Hans „the Kid" Troyer erinnert an den jungen Jared Hazen, der 2019 im Alter
von 24 Jahren Zweiter hinter Jim Walmsley wurde. Troyer könnte eine ähnliche
Überraschung schaffen - oder es könnte sich sein Schicksal beim Black Canyon 2024 wiederholen, wo er unbedingt an den Fersen des Führenden Hayden Hawks bleiben wollte, letztlich aber eine Rhabdomyolyse mit ins Ziel brachte.
4. Return of the Champion: Was macht Jim Howard?
Eine lebende Legende: 1978 lief Jim Howard erstmals den Western States, gewann
1981 und 1983 – letzteres im legendären „Battle of the Jims" gegen Jim King.
Jetzt, als 70-Jähriger mit zwei künstlichen Kniegelenken, geht er auf sein
achtes Finish zu. Eine Inspiration für alle Altersklassen.
5. Der erste 80-jährige Finisher?
Nicholas Bassett aus Cheyenne, Wyoming, bringt 166 Ultramarathon-Finishes mit
– davon 14 Western States. Als 80-Jähriger wäre er der älteste Finisher aller
Zeiten. Sein letzter Zieleinlauf 2018 in 29:09:42 lag bereits in der Golden
Hour, wenn er damit auch der schnellste Läufer über 70 Jahre ist, der jemals den Western States gefinisht hat. Schafft er auch diesmal das Unmögliche?
6. Was machen die Deutschen?
Über die Lotterie qualifizierten sich
Adrian Koch aus Ilmenau (der
Zweitjüngste im Feld), Johannes Obermüller aus Kreuth und Matthias Glück aus
Walddorfhäslach. Alle drei werden vor allem darauf hoffen, gut durch's Rennen zu kommen und nicht mit dem berüchtigten Cutoff Begegnung zu machen.
Echte Medaillenchancen haben dagegen Rosanna Buchauer (Golden Ticket beim CCC)
und Hannes Namberger (Golden Ticket beim Canyons Endurance Run). Beide bewegen sich sonst eher in der
alpinen Szene und müssen sich an die Hitze und Laufbarkeit des Western States
anpassen. Buchauer feiert ihr 100-Meilen-Debüt, während Namberger bei der
„Generalprobe" beim Canyons Endurance Run Dritter wurde – in einer Zeit, die
fast Adam Petermans 2022er-Siegerzeit entspricht. Ich traue beiden zu, in die Top 10 zu laufen.
7. Comeback oder neues Gesicht?
Adam Peterman, Sieger von 2022, kehrt nach einer langwierigen Verletzungspause
zurück. Kilian Jornet betritt 14 Jahre nach seinem Sieg von 2011 wieder die
Bühne. Doch ihre damaligen Siegerzeiten (15:34:24 und 15:13:48) hätten im Vorjahr gerade mal für die Plätze 10 und 12 gereicht.
Die Frage ist: Können die erfahrenen Champions die neuen Wilden in Schach
halten, oder erleben wir eine Wachablösung?
Wie auch immer: Der Western States 2025 verspricht ein offenes, spannendes Rennen zu werden –
mit Geschichten, die weit über die Siegerzeiten hinausgehen.
Wollt Ihr den Western States 100 Endurance Run auch verfolgen? Dann schaut hier:
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