I am back. Eigentlich. So halb.

 

von Erik

 

I am back.

Mal wieder. Eigentlich. Zumindest so halb. 

Nachdem ich rund 20 Jahre lang ohne nennenswerte Pausen gelaufen bin und Wettkämpfe absolviert habe, begann 2020 eine Phase der Unterbrechungen und Neustarts. Corona, private Dinge, Krankheiten. Die Ursachen waren vielfältig.

Ende letzten Jahres hatte ich dann endlich wieder richtig Lust aufs Laufen und beschloss, 2023 mal wieder richtig Gas zu geben. Ziele fixieren, Wettkämpfe definieren, Planungen erarbeiten und loslegen.

Die Idee war folgende: 

  • Nach der langen Phase mit viel  zu wenig Training die Saison frühzeitig zu beginnen, also schon Oktober/November und nicht erst im Dezember.
  • Erstellen eines ausgeklügelten Plans, um die Zeit bestmöglich zu nutzen und die massiven Trainingsrückstände so gut wie es geht aufzuholen.
  • Den Winter und den Beginn der Saison zu nutzen, um endlich mal wieder schnell zu werden, also am Tempo arbeiten. Im Winter viel Tempotraining, die Rheinzaberner Winterlaufserie mitlaufen (Dezember 10km, Januar 15km, Februar 20km im Abstand von jeweils vier Wochen. Alles flach)
  • Direkt im Anschluss länger werden: Früher als sonst deutlich die Volumina hochfahren, um die Trainingsrückstände zügig aufzuholen. Dies und das Tempotraining mit Wettkämpfen verfestigen. Ende Februar 50k und Anfang April 100k. Beides flach, beides in Upstadt-Weiher. Auch um einfach mal was Neues zu machen.
  • Ab April vollen Fokus auf Trailrunning. Ende April den Heidelberger Halbmarathon mitnehmen, als Joker im Hinterkopf die DM im 24h Lauf (wäre wieder was Neues). Ende Juni die DM Trail oder Anfang Juli einen der zahlreichen Trailevents, die an diesem Wochenende stattfinden.
  • Dann Anfang August den diesjährige Hauptwettkampf: Pitz Alpine Glacier Trail. Mandarfen im Pitztal. 105km, gut 6000HM, große Höhe (1800 bis 3000m), Gletscherüberquerung. Fettes Teil.

Zusammenfassend könnte man sagen: Entsprechend meiner Motivation ein sehr ambitioniertes, umfangreiches Programm und große Bereitschaft, dafür viel zu investieren.

Soweit, so gut.

Leider begann direkt im November eine bei mir noch nie dagewesene katastrophale Serie von Trainingsausfällen durch Krankheiten, Verletzungen und eine Medikamententhematik (Einnahme von Statinen zur Cholesterinsenkung, dadurch massive Muskelprobleme, was fast vier Wochen Laufpause zur Folge hatte). Insgesamt hatte ich November bis Ende April 10 Wochen Trainingsausfall.  ZEHN WOCHEN!!!

Normalerweise bekommt man als ambitionierter Läufer schon einen Anfall, wenn mal ein paar Tage ausfallen oder gar eine ganze Woche. Aber ZEHN Wochen? SIEBZIG Tage! Und immer, wenn man wieder anfängt, kommt das nächste Thema. Die eh schon knappe Zeit schwindet immer mehr, die Motivation aufrechtzuerhalten, fällt immer schwerer und irgendwann ist klar, dass eine hervorragende Saison nicht mehr zu erreichen ist.

Durch all dies musste ich dann einen nach dem anderen der geplanten Wettkämpfe streichen. Die komplette Winterlaufserie, den Heidelberger Halbmarathon, die 100km DM und die optionale 24h DM.

Einzig verbliebener Wettkampf blieb der HaWei 50k in Upstadt-Weiher Ende Februar. Der war allerdings ein Hoffnungsschimmer: Eigentlich war ich natürlich durch die sich aufsummierenden Trainingsausfälle für einen 50km-Lauf nicht ausreichend vorbereitet. Ich wollte es aber probieren. Der Wettkampf lief dann richtig rund. Sehr konstant, ohne dass ich versucht hätte, das Letzte herauszuholen. Die Idee war eher, einen forcierten Trainingslauf zu absolvieren. Dafür war ich dann mit 3:50:24 und dem 3. Platz in der AK mehr als zufrieden. Der Körper schien die Ultra-Jahre nicht vergessen zu haben…

Die neue Motivation, die ich hier schöpfen konnte, bekam durch den nächsten Infekt, der kurz darauf folgte, gleich wieder einen Dämpfer.

Und so beschloss ich Ende April, intensiv in mich zu gehen und das Sportjahr neu zu überdenken.

  • Erste Frage: Ist mit über 70 Tagen Trainingsausfall ein anspruchsvoller 100k Traillauf Anfang August überhaupt machbar und sinnvoll? Ich beantwortete dies mit einem mäßig überzeugtem "Ja", allerdings natürlich mit deutlich reduzierter Erwartungshaltung.
  • Zweite Frage: Was ist die bestmögliche Herangehensweise bei nur noch drei verbleibenden Trainingsmonaten?

Klar ist: mit bescheidener Basis aus den Vorjahren, sechs Monaten Vorbereitung mit zehn Wochen Trainingsausfall und drei verbleibenden Monaten ist mit normalem Training/Trainingsplan ein Erfolg fraglich. Das Hauptproblem ist das fehlende Trainingsvolumen, das für einen Ultra zwingend notwendig ist. Und Volumen lässt sich weder aufholen, noch plötzlich beliebig hochfahren. Mehr als physiologisch möglich ist geht halt nicht.

Oder doch?

Mir kam da eine Idee.

Eigentlich bin ich immer ein Vertreter der klassischen Trainingslehre und Programmen gewesen. Wie die meisten Trainer und Athleten. Sechs Trainingstage die Woche, zwei Mal schnell, ein Mal lang, usw. Volumensteigerungen und Dynamisierung der Wochenintensität nach vorgegebenen, maximal möglichen Prozentsätzen.

Dann fiel mir im April ein Interview mit Camille Herron, der derzeit weltbesten Ultraläuferin auf den flachen Strecken, in die Hände. Und ein Satz setzte einen intensiven Denkprozess in Gange: „Skip the Long Run.“

Camille, eine Ultraläuferin auf den Strecken 100km, 24h, 48h etc., macht KEINE LANGEN LÄUFE!

Warum? Lange Läufe sind ihrer Meinung nach zu belastend und erfordern deshalb zu lange Erholungsphasen. Stattdessen läuft sie häufiger. Also in der Regel zwei Trainingseinheiten pro Tag von 1 bis 2 Stunden Dauer, ein bis zwei schnelle Einheiten pro Woche. Das Resultat ist, dass ihr Trainingsvolumen pro Woche deutlich höher ist als bei den gängigen Trainingsplänen. Nur halt nicht durch lange Läufe. Ich habe dann bei der Recherche festgestellt, dass diesesTrainingssystem durchaus wissenschaftlich erforscht und belegt ist.

Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob man die Zeit hat für zwei Trainingseinheiten pro Tag. Und ob man das will. Ich beschloss für mich, aus der Not geboren, dem Ganzen eine Chance zu geben und es einfach mal zu probieren.

Die neue Idee war nun: 

  • Das Training umstellen auf „System Camille Herron“.
  • Am 1. Juli den Bernina Ultraks Gletschermarathon laufen. Das wäre eine Standortbestimmung und daraus folgender Entscheidung, ob der Pitz Alpine überhaupt theoretisch möglich scheint und falls dem so sein sollte eine gute Vorbereitung auf denselben, da das Profil sehr ähnlich ist. (große Höhe von 1800 bis 3000, steil, Gletscherüberquerung).

Die Umstellung auf zwei Trainings pro Tag hat dann gut funktioniert. Ich konnte das Wochenvolumen massiv nach oben fahren, ohne mich überlastet zu fühlen. Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass die Trainingsfortschritte schneller sind als sonst. Ohne jetzt wirklich Belege zu haben, wie z.B. Wettkämpfe oder Leistungstests.

Als erster und einziger Leistungstest war geplant: der Bernina Ultaks Gletschermarathon am 1. Juli 2023.

Und wie man am Datum erkennen kann: Das war am vergangenen Wochenende, der Lauf ist also Geschichte. Der Bericht und wie es war folgt in kürze.

Bis dahin: See you on the trails…

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