TRAILTICKER 03/2020 - FKT Spezial #2: Frauensache

 

Photo: Eszter Horanyi / Meghan Hicks (irunfar)

von Sabine

 

Ein kleiner Test: Wenn Ihr das Wort "FKT" hört - an wen oder an welche Leistung denkt Ihr da als erstes?


Bei mir wäre es vielleicht Kilian Jornet am Matterhorn. Oder Karel Sabbe auf dem Appalachian Trail. Oder Francois d’Haene auf dem GR20. Oder Jim Walmsley’s Grand Canyon R2R2R.


Es ist schon seltsam: Es sind oft die FKTs von Männern, die einem zuerst in den Sinn kommen.  Dabei gab es in den vergangenen Jahren so viele hervorragende und inspirierende Leistungen von Frauen, die nicht hinter denen der Männer zurückstehen müssen. Jennifer Pharr-Davis, die lange Zeit den Overall-Rekord auf dem Appalachian Trail hielt. Die drei britischen Rounds von Jasmin Paris und die Double Rounds von Nikky Spinks. Die FKT von Darcy Piceu auf dem John Muir Trail. Oder der virtuelle Dreikampf Nilsson / Nypaver / Nowlin beim  Grand Canyon R2R2R. Diese Leistungen sind nicht weniger gut oder weniger spektakulär als die der Männer. Einziges Problem: Sie erfahren nicht die gleiche mediale Inszenierung.  


Mittlerweile stammen 23,5% aller FKT-Leistungen von Frauen. Das ist in etwa der gleiche Prozentsatz wie bei Ultra-Rennen. Und in 2020 ging es Frauen wie Männern gleich: Nicht nur Corona grassierte, sondern auch das FKT-Virus. So gibt es in diesem Jahr viel zu berichten: Es gab virtuelle Zweikämpfe, Fabelzeiten, abenteuerliche Läufe, zu denen auch eine ordentliche Portion Mut gehört. Und: Auch deutsche Läuferinnen, die bislang in Sachen FKT eher zurückhaltend waren, haben sich anstecken lassen. 


Hier ein kleiner Abriss von ganz besonderen Leistungen der Trailrunning-Ladies.

 

 

Nolan’s 14 (rund 160km, 14000 Höhenmeter)
 

„This One’s for the Ladies“ überschrieb Meghan Hicks ihren FKT-Report. Meghan Hicks – wer kennt sie nicht? Sie ist zusammen mit Bryon Powell Gründerin und Gesicht von iRunFar. Wer sich auch nur ein wenig für die internationale Trail- und Ultrarunning-Szene interessiert, kommt an ihr nicht vorbei. Dabei ist sie selbst eine hervorragende Läuferin. Es sind vor allem die schweren, alpinen Rennen, die ihr liegen: 2016 wurde sie Fünfte beim Hardrock 100, im vergangenen Jahr Vierte beim Bear 100. Ihren größten Triumph feierte sie aber 2013 mit ihrem Sieg beim Marathon des Sables – einem Rennen, das sie schon 6 Mal gefinisht hat. Ihr eigentliches Ding sind aber Trail-Abenteuer: tagelang in schwerem Gelände durch die Canyons und Berge von Utah oder Colorado zu rennen. 


Daher lag der FKT-Klassiker Nolan’s 14 von Anfang an ganz auf ihrer Linie. Nolan’s 14: Das ist eine Aneinanderreihung von 14 Bergen der Sawatch Range mit einer Mindesthöhe von 14000 Fuß (4267m) westlich des Hochtals, das sich zwischen Salida und Leadville erstreckt. Rauhes Gelände – verblockt, größtenteils ohne Weg. Daher ist auch die exakte Strecke nicht definiert – man muss lediglich die 14 Gipfel auf der kürzesten (oder effizientesten) Route verbinden. Und wie bei den klassischen britischen „Rounds“ gibt es auch hier einen Cutoff: Nur wenn man die Strecke zwischen den beiden Trailheads innerhalb von 60 Stunden zurücklegt, zählt man als Finisher. Als Meghan Hicks 2016 ihren ersten FKT-Versuch startete, plante sie ihre Splits auf Basis dieses Cutoffs – und sie hatte Zweifel, ob bei einem Rekord von seinerzeit 53 ½ Stunden (Andrew Hamilton) für eine Frau ein Finish innerhalb des Cutoff überhaupt möglich ist. Missy Gosney und Anna Frost hatten bei ihrem FKT-Versuch 2015 jedenfalls mehr als 60 Stunden gebraucht. Meghan beschreibt das so: Die Orientierung am Cutoff ermöglichte ihr einerseits, Neuland zu betreten und eine FKT aufzustellen - und andererseits hat sie sich dadurch selbst limitiert.  Und so kam es wie es kommen musste: Meghan erreichte den nördlichen Trailhead gerade mal 24 Minuten vor dem Cutoff – in 59 Stunden und 36 Minuten. 


Das geht besser, dessen war sie sich sicher – und schon im nächsten Jahr war sie zurück, musste aber wegen schlechten Wetters abbrechen. Das ausgesetzte Gelände ist notorisch für Sturm und Wetterumschwünge. 


Dann kam 2020. Und Corona. Und plötzlich waren so viele Frauen bei FKT-Versuchen aktiv wie nie zuvor. Zunächst war es Anfang Juli Sarah Hansel, die Dritte der Ultra Tour Monte Rosa 2018 und 2019, die in 57 Stunden und 43 Minuten eine neue FKT aufstellte – unsupported! Dann verbesserte Andrea Sansone in einem Mixed Gender Team mit dem Nolan’s 14 Urgestein Andrew Hamilton den Rekord auf 53 Stunden und 14 Minuten. Gleichzeitig war bereits Sabrina Stanley (Siegerin beim Hardrock 100 2018 sowie beim Hurt 100 und bei der Diagonale des Fous 2019) bei Erkundungstouren unterwegs, und Anfang August verbesserte sie die Bestzeit nochmals auf 51 Stunden und 15 Minuten. Anders als Sarah Hansel und Andrea Sansone war sie allerdings supported unterwegs – zu ihren Pacern gehörte unter anderem eine gewisse Meghan Hicks.


Meghan Hicks wiederum hatte ihren eigenen – nunmehr dritten – FKT Versuch geplant. Sie hatte sich eigentlich 52 Stunden und 30 Minuten vorgenommen und sich dabei an der FKT von Andrea Sansone orientiert – das wäre immerhin über 7 Stunden schneller als ihre eigene FKT von 2016. Doch Sabrina Stanley hatte diese Pläne durchkreuzt. Um sich die FKT zurückzuholen, müsste sie nochmal eine Schippe drauflegen. Trotzdem verwendete Meghan Hicks für den größten Teil der Strecke ihr Pacing-Chart, das auf 52:30 ausgerichtet war. So  hinkten lange Zeit ihre Zwischenzeiten denen von Sabrina hinterher – erst bei den letzten drei Gipfeln lief sie sich einen Vorsprung heraus und setzte schließlich mit 50 Stunden und 32 Minuten eine neue Bestzeit – ganze neun Stunden schneller als ihr eigener Rekord von 2016. 


Für Meghan Hicks ist ihre Leistung ein Beweis dafür, was alles möglich ist, wenn man sich selbst im Kopf kein Limit setzt. Und sie stellte direkt nach ihrer FKT fest, dass auf dieser Strecke Zeiten von weniger als 50 Stunden drin sind …


Dass es aber so schnell gehen würde, hätte sie nicht gedacht. Doch wer glaubt, Sabrina Stanley würde den Verlust ihrer FKT einfach so hinnehmen, kennt sie schlecht. Ihr Wahlspruch ist:  "When people see my name on a race docket, I want them to be scared."  


Und so kam Sabrina Anfang Oktober zurück. Hatte all die Dinge im Kopf, die sie im Vergleich zum ersten Versuch besser machen würde. Sie wollte unbedingt bei Vollmond unterwegs sein, um auch nachts außerhalb des Kegels ihrer Stirnlampe eine ausreichende Orientierung zu haben. Sie startete um 16 Uhr nachmittags statt um 6 Uhr morgens, um auf der „Zielgeraden“ noch Tageslicht zu haben und damit ihrer Müdigkeit entgegenzuwirken. Und sie beschloss, nicht mehr wie bei ihrer FKT im August regelmäßige Verpflegungspausen einzulegen, sondern nur noch zu essen, wenn sie auch hungrig war, wenn ihr Körper nach Verpflegung verlangte. Der Plan ging auf: Ihre Splits lagen kontinuierlich auf Kurs für eine Zeit von ca. 48 Stunden – und als sie am „Fish Hatchery“-Trailhead in der Nähe von Leadville ankam, zeigte die Uhr: 48 Stunden und 49 Minuten – nochmal fast 2 Stunden schneller als die FKT von Meghan Hicks.



 

Eine „Sternstunde des Sports“. Eigentlich – wäre es nicht nach diesem zweiten FKT von Sabrina Stanley zu Misstönen gekommen. Da war zum einen  das  Interview, das Meghan Hicks mit Sabrina Stanley führte. Hier bezeichnete Sabrina die Tatsache, dass Meghan ihre FKT so schnell „kassiert“ hatte, als „einen Schlag ins Gesicht“. Dies wiederum triggerte bissige Kommentare in den sozialen Medien, beantwortet mit einem etwas befremdlichen Statement von Sabrina Stanley. Ähnlich befremdlich ist, dass Sabrina Stanley in Interviews wie auch im Film über den zweiten FKT den Namen „Meghan Hicks“ weitestgehend vermeidet auszusprechen. Sehr schade …


Eigentlich könnte in der nächsten Saison Nolan‘s 14 wieder zum Hotspot der Trail-Läuferinnen werden. Denn ddas nächste Ziel liegt klar auf der Hand: Nolan’s 14 in unter 2 Tagen! Sabrina Stanley hat jedenfalls schon angekündigt, dass – wann immer eine Frau ihre FKT brechen würde, sie wieder zu Nolan’s 14 kommt und sich „ihren“ Rekord zurückholt ...





Adirondack 46 High Peaks (ca. 320 km, 20000 Höhenmeter) 


Vorbildlicher – zumindest was die Sports(wo)manship anbetrifft – ging es beim FKT in den Adirondack High Peaks zu. Adir-was? Leider ist diese „Round“ über die 46 Gipfel der Adirondacks relativ wenig bekannt. Dabei ist es eine richtig anspruchsvolle und technische Strecke, die viel Kondition, aber auch Planung und Orientierungsvermögen erfordert. Denn die Art und Weise, wie man die 46 Gipfel dieses im Nordosten des Bundesstaats New York liegenden Gebirgszugs – die bis auf 4 höher als 4000 Fuß sind – miteinander verknüpft, muss man selbst optimieren… Zwei Läuferinnen hatten für diesen Sommer die Adirondack 46 ins Auge gefasst: Die Lokalmatadorin Sarah Keyes, die schon mehrere FKTs in den Adirondacks hält bzw. hielt. Und die Triathletin und Trailläuferin Alyssa Godesky, die im Jahr 2018 bereits eine FKT auf dem Long Trail aufgestellt hatte. Während Godesky die Strecke scoutete, kamen die beiden in Kontakt und stellten fest, dass sie beide ungefähr zur gleichen Zeit den FKT-Versuch starten wollten. Damit wuchs eine Idee: Warum sollte man aus diesen beiden FKT-Versuchen nicht ein virtuelles Rennen machen? Konkret hieß dies: Start am gleichen Tag, aber an unterschiedlichen Orten. Und da sowieso jede der beiden ein anderes Konzept hatte, wie und in welcher Reihenfolge sie beim Peak-Bagging vorgehen wollten, würde es sowieso kein Zweikampf Schulter an Schulter werden. Aber so gab es zusätzliche Motivation: Keine der beiden konnte sich sicher sein, ob die eigene Zeit für eine FKT ausreichen würde – man konnte sich also nicht auf einem Vorsprung „ausruhen“, sondern musste weiter ackern. Obwohl Sarah Keyes schon recht früh ins Hintertreffen geriet und dann auch noch mit Sehnenproblemen am Fuß zu kämpfen hatte, gab sie nicht auf. Als sich Keyes und Godesky schließlich über den Weg liefen, setzten beide ihr Poker Face auf – insbesondere Keyes ließ nicht merken, wie sehr sie inzwischen unter ihren Fußschmerzen litt. Die beiden pushten sich wirklich zu Höchstleistungen. Am Ende benötigte Godesky 3 Tage, 16 Stunden und 16 Minuten – erzielte damit die zweitschnellste je gelaufene Zeit und die FKT im Segment „Women, supported“. Keyes kam nach 4 Tagen, 22 Stunden und 15 Minuten am Ausgangspunkt an – und schließt nicht aus, dass sie im kommenden Jahr nochmal einen Versuch machen will, die FKT zu verbessern. Gut so!




Bob Graham Round (106km, 8200 Höhenmeter)

Bei neuen FKTs stellt sich häufig die Frage: Wie hoch ist die Leistung zu bewerten? Es gibt kaum Vergleichswerte, und gerade im technischen Gelände ist es sehr schwer, von den Streckenparametern (Länge, Höhendifferenz) auf eine mögliche Rekordzeit zu schließen.


Eines ist aber klar: Eine Läuferin, die die FKT auf der Bob Graham Round aufstellt, muss eine absolute Spitzenleistung bringen. Denn  bis zum Sommer 2020 hieß die Rekordhalterin Jasmin Paris. Die wiederum ist eine Ausnahmeathletin und hielt neben dem Rekord auf der Bob Graham Round auch den Rekord auf den beiden anderen britischen Rounds: Paddy Buckley und Charlie Ramsay. 


Beth Pascall ist eine britische Ultra-Trail-Läuferin, der hierzulande zu wenig Beachtung geschenkt wird. Zu Unrecht, denn alleine die Plätze 4 und 5 beim UTMB 2018 und 2019 sowie Platz 4 beim Western States 2019 sprechen eine deutliche Sprache: Diese Athletin hat Potential.


Und sie hatte aufgrund der Wettkampfabsagen 2020 nichts zu tun – also versuchte die 33 jährige Kinderärztin, sich während des Lockdowns fit zu halten, um dann nach Aufhebung des Lockdowns in den Lakelands zu trainieren. Als ihr klar wurde, dass sie die Splits von Jasmin Paris auf den einzelnen Streckenabschnitt laufen konnte, war ihr Ziel klar: Sie würde sich an der FKT auf der Bob Graham Round versuchen. Dabei lief sie vom Start weg deutlich schneller als Jasmin Paris, holte auf jedem der fünf Streckenabschnitte etwa 10 Minuten auf die bisherige Bestzeit heraus. Am Ende war sie nach 14 Stunden, 34 Minuten und 26 Sekunden wieder an der Moot Hall in Keswick zurück – rund 50 Minuten schneller als Jasmin Paris. Es wird schwierig werden, diesen Rekord zu knacken!





Pennine Way (420 km, ca. 12000 Höhenmeter)


Sabrina Verjee ist den Pennine Way in diesem Jahr gleich zweimal gelaufen. Einmal beim Spine Race, dessen Strecke sich – bis auf ein paar out-and-backs an Verpflegungsposten sich mit der des Pennine Way deckt. Und sie hat das Spine Race in einer Zeit von 4 Tagen, 12 Stunden und 7 Minuten gewonnen. Den Streckenrekord hält jedoch eine andere: Jasmin Paris, die Vorjahressiegerin. Sie war nach 3 Tagen, 11 Stunden und 12 Minuten im Ziel. Noch schneller war Sabrina Verjee, als sie vergangenen Sommer den Spine Fusion, die Sommerausgabe des Spine, in 3 Tagen, 9 Stunden und 19 Minuten gewann. 


Gerade mal zwei Monate, nachdem sie in einem FKT-Versuch die 214 Wainwrights bestiegen hat, machte sie sich auf den Pennine Way. Streckenweise hatte sie mit einem penetranten Gegenwind zu kämpfen und konnte zudem während des Rekordversuchs viel weniger schlafen als geplant – gerade mal 45 Minuten lang hatte sie die Augen zu. Und dennoch fühlte sich Sabrina Verjee nicht nur in ihrem Element, sondern auch in der Komfortzone. Das Ende der Komfortzone war nach 3 Tagen, 2 Stunden und 28 Minuten erreicht. Sie hatte das Ziel in Kirk Yetholm fast 8 Stunden schneller erreicht als beim Spine Fusion im Jahr zuvor. Nach diesen beiden großen Brocken sollte jetzt aber mal Regeneration angesagt sein …





Zweitälersteig (108km, 4120 Höhenmeter)

Simone Schwarz hatte wie viele andere Athletinnen ihre Saisonplanung für 2020 schon gemacht, als Corona ihr einen dicken Strich durch den Wettkampfkalender machte. Nach ihrem Sieg beim Trail du Petit Ballon – einem der letzten Wettkämpfe, die in Frankreich vor dem harten Lockdown stattfinden konnten – sollte eigentlich der UTMB der Höhepunkt der Saison sein. Aber der fiel bekannterweise dem Virus zum Opfer. Also musste zum Ersatz eine andere Herausforderung her – sozusagen ein „inoffizieller“ Wettkampf: Gegen die Uhr, gegen sich selbst. 


Die Wahl fiel auf den Zweitälersteig, der ihr zu großen Teilen unbekannt war, obwohl er sozusagen bei ihr vor der Haustür liegt. Auch wenn dieser Wanderweg bis zu ihrem Rekordversuch noch nicht auf der FKT-Seite registriert war: Es gab hier schon dokumentierte Rekorde. Der jüngste stammte aus 2016: 18 Stunden und 30 Minuten, aufgestellt von Uwe Tritschler. 


Auch ohne Wettkampfatmosphäre konnte sich Simone Schwarz pushen. Und sagte im Nachhinein: „Zwischendurch war es weit weniger zäh als gedacht, auch ohne Zuschauer war ich total happy, vor allem weil der erste Teil auch deutlich alpiner war als gedacht. Aber als ich dann merkte, ich kann unter 14 Stunden bleiben kann, habe ich nochmal Gas gegeben, vor allem die letzten Kilometer kam ich noch einmal richtig in einen lässigen Flow. Echt cool! Und ich kenne nun die abgelegenen Ecken aus denen einige meiner Schüler aus dem Zweitälerland kommen.“ 


Eine Marke, die sicher in den kommenden Jahren eine Herausforderung für so manche  Läuferin aus Deutschland oder Frankreich darstellen könnte …



 



Grand Canyon R2R2R-alt (ca. 70km, 3500 Höhenmeter)

Der Grand Canyon R2R2R war in den vergangenen Jahren ein heißes Pflaster für FKTs. Man denke nur an die FKTs von Jim Walmsley, Ida Nilsson und Taylor Nowlin. Wenn über R2R2R gesprochen wird, ist das meist gleichbedeutend mit dem North- und South Kaibab Trail, der den Colorado auf der Black Suspension Bridge überquert. Es gibt aber – etwa 40 km nordwestlich von diesen sogenannten Corridor-Trails – ein System von Trails, das ebenfalls von Süden und von Norden in die Schlucht des Colorado hineinführt: Den North- und South Bass Trail. Um auf diesem System die Schlucht zu durchqueren, muss man in etwa so viele Kilometer und Höhenmeter zurücklegen wie auf dem Kaibab Trail. Allerdings sind North und South Bass Trail weniger gut erhalten – und es gibt keine Brücke über den Colorado. Das heißt: Wenn man auf diesem sogenannten Grand Canyon R2R2R-alt unterwegs ist, muss man zweimal durch den reißenden Colorado schwimmen. Was wiederum nicht ganz ungefährlich ist … 


Im Herbst 2018 hatten die Coconino Cowboys Jim Walmsley, Tim Freriks und Eric Senseman eine neue FKT (supported) aufgestellt. Eine Frau hatte sich bislang noch nicht an diese Strecke gewagt – zumindest war bislang keine FKT dokumentiert. Ein „Frauentrio“ sollte das ändern: Die Bergsteigerin und Extremsportlerin Sunny Stroer startete zusammen mit den beiden Ultraläuferinnen Christin Douglas und Lexi Miller am Nordrand. Anders als die Coconino Cowboys waren die drei aber ohne Unterstützer unterwegs und mussten somit alles selbst schleppen: Essen und Wasser – denn auf dem Bass Trail gibt es außer dem Colorado selbst keine Wasserstelle – Neoprenanzüge, und Lexi Miller hatte sogar ein Packraft dabei, um die Ausrüstungsgegenstände trocken ans andere Ufer des Colorado transportieren zu können. Mit leichterem Gepäck ging es dann hoch zum South Rim und wieder zurück zum Colorado, wo sie die zweite Überquerung des Flusses noch bei Tageslicht schafften. Am Ende waren sie nach 22 Stunden und 27 Minuten wieder zurück am Trailhead. 


Christin Douglas schrieb folgendes Fazit unter ihren FKT Report:  „Das ist keine normale Trailrunning-Strecke. Man benötigt eine gute Orientierung, muss gut schwimmen oder raften können und gleichzeitig ausdauernd genug sein, um einen schweren Rucksack zu tragen. Auch wenn wir keine Probleme mit der Flussüberquerung hatten: Die Bedingungen können variieren. Wenn am Staudamm flussaufwärts Wasser abgelassen wird, können sich Strömungen und Wasserstände schnell ändern. Außerdem kann man sich nicht einfach auf das GPS verlassen. Aber mit den richtigen Fähigkeiten, Recherchen und Vorbereitungen ist diese Route sehr zu empfehlen. Es ist ein echtes Abenteuer und ein wilder Ritt.“



Jordan Trail (662.7 km, 25000 Höhenmeter)

Amy Sproston ist eine hervorragende Ultraläuferin: Zu ihrer Läufer-Vita gehören unter anderem ein dritter (2013) und ein zweiter Platz beim Western States (2016) sowie Platz 8 beim UTMB 2017. In ihrem „Brotberuf“ arbeitet sie seit Jahren in der Entwicklungshilfe – und zwar vor Ort. Ihr derzeitiger Standort: Jordanien. Und da man in diesem Jahr nicht beliebig durch die Welt reisen konnte, suchte sie sich eben vor Ort ein lohnendes Ziel für eine FKT: Den Jordan Trail. Dieser verläuft durch gesamt Jordanien – von Um Qais im Dreiländereck Israel-Syrien-Jordanien bis zum Golf von Akaba im Süden.
Im vergangenen Jahr hatten die beiden Briten Dan Lawson und Robbie Britton eine neue FKT auf dem Jordan Trail aufgestellt: 9 Tage, 10 Stunden und 17 Minuten brauchten sie für die lange Strecke durch unterschiedlichste Natur- und Kulturräume. Bekannt wurde der Jordan Trail in der FKT-Szene vor allem durch den Film „Lost Dogs and Englishmen“.

Nun also die erste Frau, und zum ersten Mal ein Solo-FKT-Versuch. Auch wenn Amy Sproston vom Jordan Tourism Board und von „Running Amman“ Unterstützung bekam. Durch die geltenden Corona-Maßnahmen hatte Sproston einige Nachteile  – so gilt in Jordanien seit Frühjahr eine nächtliche Ausgangssperre und sie konnte nur tagsüber laufen. Trotzdem schaffte sie schon früh, einen Vorsprung auf die Splits von Lawson und Britton herauszulaufen. Und sie hielt diesen Vorsprung bis zum Ende: Mit 8 Tagen, 9 Stunden und 28 Minuten hatte sie sogar mehr als 24 Stunden Vorsprung gegenüber Britton und Lawson.

Wie Meghan Hicks hat auch Amy Sproston die Motivation hinter ihrem Lauf in einen größeren Zusammenhang gestellt: „Ich hoffe, ich kann andere Athleten und Athletinnen in Jordanien – vor allem natürlich Frauen – dazu inspirieren, sich großen Abenteuern zu stellen und sich große Ziele zu setzen." 

 




Nagelfluhkette (31km, 2500 Höhenmeter)

Die gebürtige Britin und Wahlheidelbergerin Aoife Quigly ist leider hierzulande noch sehr wenig bekannt. Dabei hat sie von 2015 bis 2017 dreimal den Gelita Trail Marathon in Heidelberg gewonnen, hat Platz 1 und 2 beim Pfalz-Halftrail zu Buche stehen sowie Platz 4 beim Eiger E35. Die bislang beste Leistung war wohl der Sieg beim ZUT Basetrail 2018. Alles in allem sind das jedoch sehr gut laufbare Strecken. Als sie diesen Herbst im Rahmen von My Virtual Trail einen FKT-Versuch über die Nagelfluhkette ankündigte, da konnte man von ihr schon eine gute Zeit erwarten – aber nicht diese Bomben-Zeit, die ablieferte: Sie bewältigte die 31 km lange Strecke, die größtenteils über einen Grat mit viel technischem Terrain führt, in gerade mal 4:27:23. Eine exzellente Zeit; und das auch noch an einem Tag, an dem es noch Schnee und eisige Stellen hatte. Sie war damit nur 6 1/2 Minuten langsamer als die FKT von Florian Felch, die erst im November von Nils Riegel nochmals verbessert wurde.

Für Aoife Quigly war dieser Lauf „nur“ der Auftakt für vier weitere FKTs auf den Strecken von My Virtual Trail. Diese Läuferin, die mittlerweile für das Team Salomon startet, sollte man sich merken! 






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