Big Dog’s Satellite Backyard World Championship 2020 - Noch drei Tage


 

von Erik


Flashback

Am 16. Juni 2018 stand ich an der Startlinie zum Zugspitz Basetrail XL und dachte nicht über Zeiten und Platzierungen nach, sondern darüber, ob ich das Rennen würde durchlaufen können. Eine hartnäckige Knieverletzung machte dies fraglich.

Drei Tage vor dem Big Dogs Backyard sieht es nun leider ähnlich aus. Seit Wochen zwickt und zwackt es im rechten Bein. Oberschenkel, Beuge, Aussenseite. Bisher hatte ich alles unter Ungereimtheiten und Anpassungen durch schnelles Hochfahren des Trainings und ungewohnte Laufgeschwindigkeit einsortiert. Solche Dinge verschwinden dann oft in der Taperingphase. Diesmal nun hat sich leider, nachdem alles abzuklingen schien, plötzlich etwas Neues gemeldet, nämlich ein ziehender, stechender Schmerz schräg verlaufend an der Oberschenkelaussenseite. Meldet sich nach kurzer Zeit und weitet sich aus bis hin zur Verkrampfung des gesamten Beins. Seit einer Woche habe ich das Training quasi auf Null runtergefahren und therapiere. 

Besuch beim Physio hat gestern Klarheit gebracht: Sehnenreizung. Die große Sehne, die vom Knie schräg nach hinten Richtung Po bis zur Hüfte verläuft.

Reizung ist besser als Entzündung, aber doch hartnäckig. Physio kann keine Prognose hinsichtlich Machbarbeit des Wettkampfes abgeben. Von daher zählt nur das Prinzip Hoffnung. 

Nach "fast nicht laufen" letzte Woche werde ich diese Woche nun überhaupt nicht laufen. Und dann schauen wir mal.

Das wäre schon sehr bedauerlich, den Wettkampf frühzeitig wegen medizinischer Probleme abbrechen zu müssen...

Trotzdem gilt es, alles optimal vorzubereiten. Wir haben für alles einen Plan gemacht, der dann ggf. vor Ort angepasst werden muss. Mein Plan sieht aktuell aus wie folgt:

 

1. Rennstrategie

Start ist Samstag, 17.10. um 14 Uhr. Es wird also erstmal eine Weile tagsüber gerannt. Zu Beginn wird es für mich darum gehen, einen guten Rhythmus zu finden und alles was wir uns vorher überlegt haben zu testen. Mit wir meine ich übrigens TrailrunningHD. Katrin, Sabine und Andrea helfen mir bei Planung, Vorbereitung und Vor-Ort-Support.

Mein Plan ist, die Tagesrunden in 50 bis 53 Minuten zu laufen, um genügend Zeit für Verpflegung und sonstiges zu haben, aber auch nicht länger, um nicht auszukühlen. Im Training habe ich verschiedene Tempi getestet. Grundlagentempo würde  33,5 min pro Runde bedeuten, gemütliches Laufen 38 min, langsames Laufen rund 40 min. Das bedeutet, dass ich durch Gehpausen ca. 10 Minuten verlangsamen muss. Im Verlauf des Wettkampfes wird sich das aber relativieren, da man eh langsamer wird.

Hier werde ich die anwesenden Experten beobachten und dann austesten, was sich für mich am besten anfühlt. Viele kleine Gehpausen, lieber weniger und länger usw.

Nachts werde ich versuchen schneller zu laufen, so Richtung 40 min, um mehr Zeit zum Schlafen zu haben. Gute Matratze, Bettdecke, Kopfkissen, Augenklappe, Ohrenstöpsel liegen im Zelt bereit. Vorher trockene Klamotten, um nicht auszukühlen.

Tagsüber findet die Pause im Startbereich statt. Hier steht ein Stuhl mit Jacke und Decke bereit.

Der Ablauf der Pause ist ebenfalls geplant: Refresher trinken, Flask tauschen, Stretchen (jede Runde!), Essen, Lockern, Massieren, Hinsetzen, Zudecken. Nachts kommt dann dazu: Shirt wechseln, Schlafen, kurz vor Start wecken.

Alles andere wird sich finden.

 

2. Ernährung

Einen großen Teil der notwendigen Energie habe ich vor, flüssig zuzuführen. Unterwegs per Flask ein halber Liter PowerBar ISO. Das sind dann ca. 100 kcal und alle notwendigen Mineralstoffe. Ergänzt wird das durch einen viertel Liter PowerBar Recovery. Eigentlich für nach sportlicher Belastung gedacht, liefert dieses bei weniger Flüssigkeit mehr Kalorien und ebenfalls Mineralstoffe. Macht nochmals ca. 300 kcal. Der Rest wird dann durch feste Nahrung ergänzt, die vor Ort angeboten wird.

Auf den Hinweis von Michael Ohler hin werde ich zu Beginn stärkeren Fokus auf feste Nahrung legen, solange der Magen das mitmacht. In dieser Zeit wird Recovery durch eine Elektrolyt-Lösung (Elotrans) ersetzt. Die Kalorien kommen dann von der festen Nahrung, Mineralstoffe vom Elotrans.

Ansonsten ernährungstechnisch das übliche: nicht zu viel auf einmal, nicht zu viel durcheinander, am besten immer nur eine Sache, essen auch wenn man keine Lust hat usw. All dies wird von der Crew organisiert und kontrolliert.

 

3. Ausrüstung

Hier gilt: (fast) keine Experimente. 

Schuhe: Hoka One One, Speedgoat für Trail, Elevon für Straße

Hier kommt das "fast" keine Experimente ins Spiel. Meine alten Schuhe sind ausgelatscht, die neuen kann ich verletzungs-/krankheitsbedingt kaum einlaufen. Außerdem laufe ich normalerweise in Hoka One One Speedgoats. Nun habe ich die Evo Speedgoats bekommen. Sollte aber hinhauen. 

Es ist natürlich gut zu wissen, dass man einen Schuh hat, der nicht nur funktionell super ist (top Dämpfung, trotzdem leicht, rollt, guter Grip, angenehmes Tragegefühl, funktioniert auf jedem Terrain) sondern auch für ultralange Distanzen taugt. Mit dem Speedgoat hatte ich auch nach 15 Stunden bisher keinerlei Probleme an den Füßen.

Etwas größer ist der Schritt ins Ungewisse bei den Straßenschuhen. Da hatte ich zuletzt nämlich keine mehr. Ich habe vor, in den Hoka Elevons zu laufen. Lange Testläufe kann ich keine mehr machen. Muss ich halt schauen. Im Zweifel alles in den Speedgoats. Zusätzlich werde ich als Reserve die ausgelatschten Hoka Speedgoat und Evo Mafate einpacken, im Notfall geht passen vor alt.

Klamotten: X-Bionic

Seit Jahren laufe ich in X-Bionic. Das ist immer noch die einzige Laufbekleidung die ich je getestet habe, mit der ich keine Hautreizungen auch auf langen Distanzen bekomme. Und Tragekomfort und Funktion sind auch super.

Welche Linie ist für mich weniger relevant, überwiegend laufe ich in Twyce oder Effektor. Meist kaufe ich aber das, was ich gerade ordentlich reduziert finde, das Zeug ist schon ordentlich teuer. (Aber es lohnt sich!)

Ob kurz, 3/4 oder lang hängt von den Temperaturen ab. Im Zweifel wärmer. Bei langsamen Tempi und langer Dauer ist Auskühlen eine der größten Gefahren.

Grundsätzlich werde ich alles mitnehmen, was ich an Laufklamotten habe, um ggf. reagieren zu können. (Regenjacke, -hose, Softshelljacke, lange Oberteile...)

Socken:

CEP Run 3.0 Compression Socks.

Also lange Kompressionssocken. Hauptvorteil ist für mich nicht die Kompression an sich, sondern dass durch die Kompression die Socken perfekt anliegen und nicht rutschen. Dies in Kombination mit dem dünnen, wenig flüssigkeitaufsaugenden Material führt zu keinerlei Hautirritationen. Seit ich diese Socken trage, habe ich keine Blasen mehr!

Rucksack:

Ultimate Direction Adventure Vest 4.0

Ja, ich nehme einen Rucksack mit. Viel braucht man ja unterwegs nicht, aber Hüftgürtel mag ich nicht so, und Flasks in der Hand wie die Amerikaner das machen auch nicht. Ausserdem kann man dann ein paar zusätzliche Sachen dabei haben, die hilfreich sein könnten (Taschentücher, Gel, Handschuhe)

 

4. Grundsätzliches

Grundsätzlich ist das Ziel, das DNF (also die Aufgabe) zu vermeiden. Warum gibt man auf? Weil man die Rundenzeit nicht mehr schafft. Warum schafft man die nicht mehr? Verletzung. Erschöpfung. Ermüdung. 

Es gilt also, alles darauf auszurichten, diese drei Punkte zu vermeiden. Also möglichst kräftesparend und schonend zu laufen und gehen. Welcher Rhythmus birgt die geringsten Verletzungsgefahren und ist am ökonomischsten. Möglichst viel Schlafen, um die Ermüdung möglichst lang hinauszuzögern. Gut verpflegen. 

Und sollte keine Verletzung auftreten, werden Erschöpfung und Ermüdung sukzessive zunehmen. Dann rückt immer mehr der Kopf, das Mentale in den Vordergrund. Das, worum es bei einem Backyard Rennen vor allem geht: Wer hat den dicksten Betonkopf?

Da ich noch nie so lange gelaufen bin, wie es möglicherweise geht, ist das für mich Neuland. Ansonsten werde ich die Dinge einsetzen, die sich bei den Trailläufen bewährt haben: 

Zwischenziele setzen, Strecke unterteilen (ich laufe EINE Rund und auch diese wird unterteilt, dann kommt die nächste...), Visualisierung, positive Gedanken, auch auf Negatives vorbereiten, mit dem Unerwarteten rechnen  usw.

Im Prinzip habe ich eine Art Toolbox. Das heißt unterschiedliche Tools für unterschiedliche Aufgaben.

Zum Beispiel: 

"Burglauenen-Tool": Das "erstmal weitermachen"-Tool. Bei meiner ersten Eiger Ultra Trail Teilnahme war ich zur Halbzeit, in Burlauenen, völlig zerstört. Trotzdem habe ich irgendwie weitergemacht und es ging dann wieder gut und ich konnte finishen. Irgendwas geht immer noch. Vielleicht erholt man sich. Erstmal weitermachen...

"Traildorado-Tool": Das "ICH gebe nicht auf"-Tool. Bei meiner bisher einzigen Traildorado Teilnahme habe ich aufgegeben. Klar hatte ich Druchfall und es ging mir nicht gut. Aufgegeben habe aber trotzdem ICH. Das wird es diesmal nicht geben. Entweder ich bin verletzt oder ich schaffe die Rundenzeit nicht. Dann muss ich halt raus. Aber diese Entscheidung treffe nicht ich!!!

"Check-Up-Tool": Mache ich mal wieder Pity Party. Sule ich mich in meinem Elend und mache es dadurch nur noch schlimmer? Erstmal Check-Up machen. Sind die Beine wirklich müde oder rede ich mir das nur ein? Bin ich wirklich kraftlos oder ist das nicht normal? Negatives umdeuten, nicht hineinbegeben.

"Ziel-Tool": Wenn es ganz hart wird: Denk an dein großes Ziel (verrate ich jetzt nicht). Wie fühlt es sich an, wenn du durchs Ziel läufst und erreicht hast, was du dir vorgenommen hast? Dafür gilt es jetzt weiterzumachen, alles rausholen!

 

5. Und zum Schluss: 

Locker Bleiben! Für mich ist es wichtig, alles geplant, getestet, ausprobiert zu haben und mit der Sicherheit in einen Wettkampf gehen zu können, dass ich alles getan habe. Ebenso wichtig ist es aber auch, nicht zu verkrampfen, sich nicht zu stark unter Druck zu setzen, locker bleiben.

So, alles geplant und vorbereitet. Nun hoffe ich, dass ich meine Verletzung in den Griff bekomme.

Auf das Event freue ich mich auf jeden Fall total. Trotz der erwähnten, bescheuerten Sonderregel ist das ein super cooles Format. Das deutsche Team ist, glaube ich, stark, bunt und top motiviert. Michael Ohler hat alles bestens organisiert. International gibt es megastarke Konkurrenz, unterschiedlichste Athleten und Locations. Es ist also alles bereitet für einen spannenden Wettkampf. 

In diesem Sinne: See you on the trails...  (soon in Kandel).


Übrigens für diejenigen, die das deutsche Team verfolgen wollen, hier der Link zum Liveticker:

Liveticker Deutschland









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