Big Dog’s Satellite Backyard World Championship 2020 - Das Training





von Erik


Am Sonntag, 30.8.2020 erreicht mich eine Mail von Michael Ohler: Die Zusage für einen Platz im deutschen Team für den Big Dog's Backyard Ultra 2020.

Ok. Somit ist es also nun entschieden und bestätigt. Ich bin dabei.

Der Plan ist aufgestellt, nun geht es an die Umsetzung.

Der bei weitem wichtigste Punkt ist: Volumen. Kilometer sammeln. Lang, langsam. Sehr langsam. 

Der überwiegende Teil des Trainings sollte von nun an im Wettkampftempo erfolgen und da der Wettkampf jenseits der 24 Stunden liegen dürfte, werde ich mich am möglichen 24h-Tempo orientieren, also normalerweise deutlich langsamer als Grundlagentraining.

Da wir am 30.8. noch in der Bretagne im Urlaub waren, würde also die erste Woche dort stattfinden.

In Relation zu meinen normalen Laufumfängen waren die letzten Monaten eher homöopathisch. 

Normal geht also nun nicht. Es ist keine vernünftige Basis da, auf der ich nun sukzessive aufbauen könnte. Um halbwegs gut vorbereitet in den Wettkampf gehen zu können, muss ich Risiko gehen und das Volumen sehr schnell nach oben fahren.

Ich beschließe für die ersten beiden Wochen das 100%-System anzuwenden und nach dem 3-1 bzw. 3-2 Rhythmus zu trainieren. Nie gehört? Keine Sorge. Gibt es auch nicht. Habe ich gerade erfunden. ;-)

100% System soll heißen, dass ich anstatt der üblichen Steigerungsraten hinsichtlich Volumen von 10% bis max 20% pro Woche Steigerungen von 100% haben werde. Also von geschätzten 60 Kilometern pro Woche auf 120km in der ersten Woche und ca. 240km in der zweiten Woche. Und dann Prinzip Hoffnung, dass der Körper hält. 3-1 bedeutet Trainingsdauer 3 Stunden und 1 Stunde im Wechsel, 3-2 demnach 3 und 2 Stunden. Ich werde mich ausschließlich auf Laufen konzentrieren und hier auch nur Volumen. Es gilt alle Kräfte zu konzentrieren. Zusätzliches wie Krafttraining, schnelle Einheiten, Schnellkraft etc. würde unweigerlich zur Überlastung führen.


1. Woche, 31.8. - 6.9.

Ziel also ca. 120 Kilometer. Dummerweise habe ich nur etwas ausgelatschte Salomon Sense Ride dabei, da ich dachte, dass ich im Urlaub eh nur drei, vier Mal laufen gehen würde. Egal, wird schon gehen.

Fange also Montag mit drei Stunden an, Dienstag eine Stunde, dann weiter immer im Wechsel.

Herrlich. Wir wohnen 2 Minuten vom Meer weg, somit kann ich alles an der Küste am Meer entlang absolvieren. Zumeist morgens, gelegentlich vor Sonnenaufgang, dann nach Hause. Kurz duschen, beim Bäcker frische Croissants und Baguette holen und ein schönes Frühstück genießen. Kanns denn schöner sein?

Das Volumen geht recht gut. Drei Stunden sind kein Problem (in den letzten Monaten bin ich kaum über zwei Stunden gelaufen). Nach ein paar Tagen werde ich etwas müder und die Füße sind zu spüren. Alles in allem aber  ein guter Start. So sind das bis Freitag ca. 11 Stunden Laufzeit.

Samstag ist dann Pause angesagt: Rückreise.

Am Sonntag vormittags erholen von der Reise, dann steht der erste Test an. Ich werde einen Nachtlauf machen. Start ist 23.00 Uhr (somit 12h für Woche eins und die geplanten 100% sind erreicht. ;-) ). 

Mein Plan ist acht Stunden zu laufen, also bis 7 Uhr. Einerseits will ich nachts zu laufen üben, zweitens gleich mal einen richtig langen Lauf machen, um zu schauen was geht. Und drittens möchte ich den Wettkampf-Rhythmus testen und üben. Ich werde also nach ca. 53 Minuten-Runde im Wald nach Hause laufen, wie im Wettkampf verpflegen, dehnen und dann zur vollen Stunde weiterlaufen.

Geht alles super. Die erste Nacht zu laufen ohne Schlaf geht sehr gut, der Rhythmus passt und die Dauer ist auch recht gut einzuhalten. Allerdings breche ich nach 7 Stunden ab. Habe das Gefühl, dass der Körper langsam zu knarzen anfängt nach der ersten Woche und ich denke, dass eine weitere Stunde weniger bringt als Risiken für Verletzungen birgt. Also Ende.

War trotzdem eine gute erste Woche. Spannend wird nun die zweite. Da geht es volumentechnisch erstmals richtig zur Sache.



2. Woche, 7.9. - 13.9.

Wenn ich die sechs Stunden des Nachtlaufs von 0 Uhr bis 6 Uhr in diese Woche reinrechne, komme ich am Ende auf ca. 22 Stunden. Unter der Woche wie geplant im 3-2-Stunden Rhythmus.

Wenn ich das auf mein übliches Grundlagentempo hochrechnen würde, wären es ca. 260 Kilometer. Waren aber deutlich weniger, da ich einerseits viel am Berg gelaufen bin und andererseits, wie geplant, auch deutlich langsamer. Also schon unter 200.

Das sehr langsame Tempo hat den großen Vorteil, dass man das große Volumen deutlich einfacher bewältigen kann. Als ich den letzten langen Lauf am Sonntag versucht habe im normalen Grundlagentempo zu laufen, ist mir das schon recht schwer gefallen. Der Bewegungsapparat gewöhnt sich langsam auch an das ungewohnte "Tempo" und es fühlt sich natürlicher an. Erstaunlich auch die Anpassung im Kopf. Wenn ich nun vom "neuen Normal" abweiche und mein altes Grundlagentempo laufe, fühlt sich das fast schon an wie ein Tempolauf.

Die Füße, vor allem die Fußsohlen, spüre ich nun fast die ganze Zeit, alles andere ist einwandfrei. Bin selbst erstaunt, dass ich sonst nichts spüre. (außer der linken Achillessehne und dem rechten Knie, die zwacken seit ein paar Wochen). Insgesamt habe ich das Gefühl, dass ich mich auf die großen Umfänge einstelle.

Also alles gut. So kanns weitergehen.



Woche, 14.9. - 20.9.

Nun muss ich leider vom 100% Prinzip abweichen. Sonst stünden diese Woche 44 Stunden an... ;-)

Der Plan ist: Wieder 3 und 2 Stunden im Wechsel, Freitag auf Samstag wieder einen Nachtlauf, Sonntag lang, Montag Ruhetag.

Montag klappt schon mal ganz hervorragend: Ich trainiere Power Naps...

Dienstag treten dann leider erstmals die erwarteten und befürchteten Reibungsverlust im orthopädischen Bereich auf, die das schnelle Hochfahren mit sich bringen. Es schmerzt im Bereich Hüftbeuge Außenseite. Bin mir nicht sicher, ob das muskulär ist oder eine Sehne betrifft. Das Training wird verkürzt und ich konzentriere mich auf Behandlung. Lockern, Massieren und vor allem intensives 2-Minuten-Dehnen. Fühlt sich abends und vor allem am nächsten Tag deutlich besser an. Mache deshalb das Mittwochtraining wie geplant. 

Nicht gut. Die Stelle schmerzt nun richtig. Breche nach drei Stunden ab und behandle. Ebenso am nächsten Tag, an dem ich auch das Training streiche. Nur Regenerations-MTBen.

Am Freitag scheint sich das Bein beruhigt zu haben. Mache morgens einen Testlauf und entschließe mich nach dem positiven Verlauf den geplanten Nachtlauf durchzuführen. 

Start ist diesmal schon um 20 Uhr. Ich will körperlich vorermüdet in die Nacht gehen, um zu sehen, wie sich das anfühlt. Ansonsten wieder Wettkampfrhythmus, diesmal nur Flüssignahrung. Geplant ist, bis 6 Uhr durchzulaufen, also 10 Stunden. Geht wieder alles super, nur dass sich irgendwann wieder das Bein meldet. Lässt sich auch durch Pausen, lockern, dehnen, massieren etc. nicht abstellen. Beende deshalb schon um vier den Lauf. Immerhin acht Stunden und den Lauf am Sonntag kann ich, zumindest leicht gekürzt, auch durchführen.

Waren dann für die Woche ca. 19 Stunden. Vom Körperlichen insgesamt fühlt sich das alles sehr gut an. Ich habe das Gefühl, ich könnte noch mehr machen. Es zeigt sich aber nun sehr deutlich, was der Bottle Neck, also die potenziell größte Schwachstelle und Risiko für DNF ist: der orthopädische Bereich. Klar kommen ab übernächster Woche drei Wochen Tapering. Aber ich merke, dass ich von der Stabilität nicht auf dem Niveau bin, auf dem ich normalerweise in einer Wettkampfvorbereitung zur gleichen Zeit bin. Da werde ich mir einerseits noch ein paar Gedanken machen müssen und andererseits auch einfach auf das Prinzip Hoffnung setzen.



4. Woche, 21.9. - 27.9.

Die nächste/letzte Volumenwoche. Neuer Rhythmus. Montag kleine Runde locker Traben, Dienstag bis Mittwoch 2 bis 3 Stunden und dann Freitag 50km, Sonntag 60km.

Hatte ich schon erwähnt, dass durch die Probleme mit dem Hüftbeuger nun diverse andere Zipperlein auftreten? War klar. Wenn was weh tut, versucht man bewusst und unbewusst zu vermeiden. Und belastet dadurch andere Bereiche mehr und alles insgesamt unsymmetrisch bzw. unrund. Und so zwacken nun abwechselnd oder andauernd Wade, Achillessehne, Knie, Schienbeinmuskel, Rücken, Füße. 

Und was sagt sich der Ultra-Läufer dann: Prima. Super Training. Dann kann ich mich gleich dran gewöhnen, wie es im Rennen wird. Und man trainiert mentale Härte und Schmerztoleranz. Ist doch super!

Zum Teil stimmt das tatsächlich. So lange nichts kaputt geht, trainieren verhindert, sich ausweitet, ist das durchaus förderlich für das notwendige Durchhaltevermögen.

Nicht so gut war dann mein Härtegrad-Vergleichstest mit einem Bücherregal, der leider zu Lasten meines Kopfes ausging: Platzwunde und ein Tag Schwindel-Kopfschmerz. Ein Tag Pause. Die beiden langen Läufe am Wochenende konnte ich aber machen. Dürften dann insgesamt so 18 Stunden gewesen sein.

Ansonsten habe ich bewusst zu ungewöhnlichen Zeiten trainiert. Teilweise spät abends, teils sehr früh, manchmal direkt nach einem Essen, gelegentlich genau dann, wenn ich besonders schlapp oder müde war oder keine Lust hatte. Hat neben dem Trainingseffekt auch noch den Vorteil, dass man das Familienleben weniger belastet. Und außerdem ist das sehr förderlich für den Ruf als Bekloppten: "Wie, du gehst jetzt um 23 Uhr laufen?". "Warum läuft dein Vater jetzt um vier Uhr nachts durch den Wald?"...


Fazit: Die Einführungswoche und die drei Volumenwochen sind rum. Das lief recht ordentlich, der Körper ächzt aber auch nicht wenig. Jetzt gilt es vernünftig einzusteuern und dann wird man sehen, was draus wird.

Heute ist erstmal Pause angesagt. 

In diesem Sinne: See you on the sofa...



Kommentare