von Erik
Am 17. Oktober, 14 Uhr MEZ starten die Big Dog's Satellite Backyard World Championships 2020.
Und ich bin dabei. Jetzt gilt es einen Plan zu machen und in die Vorbereitung zu gehen.
Der erste Schritt ist wie immer die Analyse der Aufgabe. Was ist das für ein Wettkampf, welches Format, Distanz, Dauer, klimatische Verhältnisse, Eigenheiten, usw. Das ist diesmal besonders wichtig, da ich noch nie an einem solchen Format teilgenommen habe und außerdem das Format sehr speziell ist. Ich werde mich also einlesen müssen und schauen, was ich an hilfreichen Infos finde.
Die Rahmendaten sind erstmal klar: Rundkurs, 6,7 km, Trailrunde tagsüber, Nachts auf Asphalt. Für die 6,7 km steht genau eine Stunde zur Verfügung. Nach einer Stunde erklingt eine Glocke, dann muss man wieder an der Startlinie stehen, sonst scheidet man aus - DNF (did not finish). Anders als bei jedem anderen Rennen kassieren alle Teilnehmer bis auf einen ein DNF.
Eine Stunde für 6,7 km sind erstmal relativ viel, es kommt also weniger auf Schnelligkeit an. Im ersten Moment könnte man denken, dass das recht locker ist, aber das relativiert sich natürlich im Lauf der Zeit...
Läuft man schneller, hat man längere Pausen für Verpflegung, Kleiderwechsel, Erholung oder kurze Schlafpausen. Die meisten Teilnehmer laufen aufgrund der potenziell sehr langen Laufdauer aber eher langsam und haben dann Pausen von nur wenigen Minuten.
Ich überlege mir, dass ich diesmal in der Planung anders vorgehen werde als normalerweise wenn es darum geht, wie ich am schnellsten von A nach B komme und was dafür zu tun ist. Diesmal geht es darum, das DNF zu vermeiden. Die Frage ist also, was ein DNF verursachen könnte, und was dagegen zu tun ist. Erstens in der Vorbereitung, zweitens im Rennen.
Nachdem ich einiges gelesen habe und mir auch ein paar Videos von Teilnehmern auf youtube angeschaut hatte kristallisieren sich folgende Haupt-DNF-Gründe heraus:
1. Schlafmangel
Die Rundenzeiten pendeln häufig um ca. 53 Minuten. Da bleibt, selbst wenn man versucht, nachts ein wenig schneller zu laufen, kaum Zeit für Schlaf. Der Schlafmangel wird immer größer und verringert die Leistungsfähigkeit. Irgendwann sind dann die Rundenzeiten nicht mehr zu schaffen.
Vorjahressiegerin Maggie Guterl lief nachts schneller um länger schlafen zu können, Top-Läufer Johan Steene scheint ein Profi im Power Nap zu sein. Allerdings gibt es auch Leute wie Mike Wardian, die nicht schlafen und gut damit zurecht kommen.
Mein Plan:
Vorbereitung: Power Naps üben. Kann ich eigentlich nicht gut. Werde mich also ab sofort jeden Tag für einen kurzen Schlaf hinlegen, um den Körper daran zu gewöhnen.
Wettkampf: Ich werde versuchen die Maggie Guterl Strategie zu fahren. Nachts, falls möglich, etwas schneller um kurze Schlafphasen zu ermöglichen.
2. Nahrungsaufnahme
Bei einem Wettkampf, der über mehrere Tage gehen kann und kontinuierlich weiteläuft, ist gute und ausreichende Verpflegung eine Grundvoraussetzung. Da die Pace langsamer sein wird, fällt es dem Körper leichter, Nahrung aufzunehmen. Andererseits bekommen die meisten Sportler bei sehr langen Wettkämpfen Magenprobleme und es fällt immer schwerer etwas zu sich zu nehmen bzw. bei sich zu behalten. In den letzten Jahren habe ich zunehmend Probleme in diesem Bereich bekommen, nachdem früher mein Magen extrem robust war.
Die Ernährung der Profis ist sehr unterschiedlich. Von "ich stopfe einfach irgendwas in mich rein" bis zu bis ins kleinste Detail ausgeklügelten Ernährungsplänen. Generell sind empfohlene Ernährungspläne für Wettkämpfe stark abhängig von der Laufdauer. Je länger die Dauer, umso mehr Fett und weniger Kohlenhydrate werden zugeführt. Nachdem ich die Literatur herangezogen habe und mir Ernährungsstrategie von Michael Neels beim Race Across America angeschaut habe, wäre mein aktueller Plan folgender:
Vorbereitung: Bei ein oder zwei sehr langen Läufen die Wettkampfnahrung testen.
Wettkampf: Die notwendigen Kalorien sollen überwiegend über Flüssignahrung aufgenommen werden, um den Verdauungstrakt zu schonen. Das normale Sportgetränk wird um ca. 0,3 Liter Recovery Getränk pro Stunde ergänzt, da dort deutlich mehr Kalorien enthalten sind. Rest über Festnahrung in den Pausen.
3. Physische und psychische Ermüdung
Kopf und Körper ermüden sukzessive, werden immer weniger leistungsfähig bis hin zur völligen Erschöpfung/Leere. Man kann irgendwann nicht mehr weiter oder schafft zumindest nicht mehr die vorgegebene Rundenzeit.
Vorbereitung: Je besser der Körper spezifisch auf die Belastung vorbereitet ist, umso später erfolgt die Ermüdung. Je stärker die Psyche/Willenskraft, umso länger kann trotz körperlicher Ermüdung weitergelaufen werden. Also: Volumen schrubben, zu allen Tageszeiten laufen (können), Nachtläufe testen, müde/erschöpft laufen trainieren, im Wettkampfablauf trainieren.
Ganz entscheidend ist bei einem solchen Format natürlich der Kopf. Deshalb ist die mentale Vorbereitung noch wichtiger als sonst. Das beinhaltet z.B. auch mentale Hilfestellungen /Tools/Antworten die man bereit haben und sich erarbeitet haben muss. Dazu schreibe ich separat nochmal was.
4. Orthopädische Probleme
Meine Angst ist, dass dies mein größtes Problem werden könnte. Die körperliche Robustheit, die orthopädische Stabilität, Flexibiltät, Belastbarkeit, Regenerationsfähigkeit, all das ist nicht mehr wie mit 25. Das muss auftrainiert und erhalten werden. Einen 100k Trailwettkampf kann ich nur unbeschadet bestreiten, wenn ich vorher über einen langen Zeitraum konstant trainiert habe und die intensive Vorbereitung eines 10 bis 12 Wochen-Plans durchlaufen habe. Beides ist nicht der Fall und auch nicht mehr möglich. Aufgrund der nicht stattfindenden Wettkämpfe habe ich 2020 deutlich weniger Volumen erlaufen als in den letzten Jahren. Und orthopädische Stabilität anzutrainieren braucht Monate, nicht Wochen. Von daher muss ich einfach hoffen, dass alles hält.
Vorbereitung: Orthopädisch wie trainingstechnisch werde ich etwas ins Risiko gehen: Da nur 7 Wochen zur Verfügung stehen schnell die Volumina hochfahren und bis auf die Taperingwochen hoch halten. Also das maximal mögliche Volumen machen, so dass ich das Gefühl habe, dass es gerade noch geht ohne mich zu überlasten oder zu verletzten. Alles was starke Belastungen bringt: weglassen.
Wettkampf: Im Rennen werde ich versuchen, schonend zu laufen. Das macht sowieso Sinn, um Kräfte zu sparen. Außerdem werde ich in jeder Pause dehnen und ggf. rollen. Regelmäßige Massagen und Lockerungen. Muskulatur warm halten, also mit Decke umwickeln oder etwas anziehen.
Zusammenfassung:
Trainingstechnisch werde ich mich an einem 24h-Plan orientieren. Diesen allerdings zusammenstreichen, da ich nur 7 Wochen habe. Also vier Volumenwochen am Stück, eine Übergangswoche (halb Tapering) und zwei Taperingwochen. In den Volumenswochen werde ich, mehr oder weniger ausschließlich, lang/langsam laufen. Volumen schnell hochfahren und große Volumina machen und gleichzeitig andere Belastungen geht nicht. Also keine Intervalle, Tempoläufe, LaufABC, Steigerungen, Krafttraining usw. Volle Bündelung der vorhandenen Ressourcen auf Umfang.
Ergänzen werde ich den 24h-Plan um Nachtläufe. Hierbei soll nachts zu laufen geübt werden. Ausserdem der Rhytmus des Rennens geübt und getestet werden, also nach gut 50 Minuten Pause machen, stehen bleiben, verpflegen. Ausserdem will ich hier sehr lange Läufe machen.
Die meisten Läufe werde ich im potenziellen Wettkampftempo machen (potenziell weil ich noch nicht weiß, wie das sein wird). Also sehr langsam. Der Körper, der Bewegungsapparat muss sich an das ungewohnte "Tempo" gewöhnen. Sonst sind u.a. muskuläre Probleme vorprogrammiert.
Ansonsten, wie erwähnt: Schlafen üben, Wettkampfnahrung testen.
Und bei den vielen Stunden unterwegs kann man sich viele Gedanken machen, was noch alles wichtig ist. Ich habe angefangen, eine Liste zu machen mit allen Details, Hinweisen, Fragen die mir einfallen und die es zu beachten gibt.
So, jetzt gehe ich aber erstmal laufen. Irgendwo muss das viel zitierte Volumen ja herkommen.
In diesem Sinne: See you on the trails...
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