Big Dog’s Satellite Backyard World Championship 2020 - Die Entscheidung

 

von Erik

Lustig tanzend steigen die feinen Champagnerbläschen an die Oberfläche. Die milde Abendsonne lässt das Glas leuchten und sorgt für eine angenehme Wärme. Das Meer ist zur Ruhe gekommen und nur noch kleine Wellen plätschern beruhigend ans Ufer.

Ich sitze in der Bretagne am Strand und blicke über die Wasseroberfläche zum fernen Horizont.

Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Ich habe eine Entscheidung getroffen...

Wir sind in Frankreich im Urlaub. Zehn Tage am Meer, Baden, Zeit haben, es sich gut gehen lassen, ab und an Laufen gehen, das gute Essen genießen.

Die entspannte Gelassenheit wird aber jäh unterbrochen durch eine Nachricht von Michael Ohler auf Facebook. Michael veranstaltet den Bienwald Backyard Ultra welcher ein Qualifikationsrennen ist für den Big Dog's Backyard Ultra in den USA. Dieser wiederum ist das weltweit bekannteste Backyard bzw. "Last Person Standing" - Event weltweit

Was ist ein Backyard Ultra Rennen? Es wird auf einem 6,7 km (Trail-)Rundkurs gelaufen. Wer nach einer Stunde nicht wieder an der Startlinie für die nächste Runde steht, scheidet aus. Das geht so lange weiter, bis nur noch eine Person übrigbleibt, diese hat gewonnen. Last person standing! Theoretisch kann das endlos gehen, zumindest weiß man aber vorher nicht, wie lange man zu laufen hat.

Aufgrund von coronabedingten Reisbeschränkungen ist eine normale Austragung nicht möglich und deshalb wird 2020 die Big Dog's Satellite World Championship ausgetragen. Jedes teilnehmende Land stellt ein Team von maximal 15 Läufern und läuft im jeweiligen Land, in der Regel auf der Strecke des Qualifikationsrennens. Für Deutschland ist das in Kandel der Bienwald Backyard Ultra.

Und hierfür stellt nun Michael Ohler das deutsche Team zusammen. Ich bin sofort elektrisiert. An einem Backyard-Rennen teilzunehmen, hatte ich mir schon mehrfach überlegt und die 2020er Version ist natürlich sehr cool.

Mein Kopf fängt sofort an zu rattern. Soll ich mich für das deutsche Team bewerben?

Die Fakten sind:

Das ist ein ultralanger Wettbewerb mit u.U. mehreren hundert Kilometern, die zu laufen sind. Top Läufer schaffen über 60 Stunden. Es nehmen überwiegend Ultraläufer teil, mit Erfahrungen im 24h/48h Lauf oder ähnlichem. Mein längstes Rennen bisher war Trans Gran Canaria mit 125km und ca. 18h Laufzeit.

Erforderlich ist ein Ultra Training mit großen Volumina über einen längeren Zeitraum. Seit März habe ich meinen Trainingsplan wegen Corona in die Tonne geworfen und bin nur nach Lust und Laune gelaufen. Die ganz langen Läufe und Intervalle habe ich fast komplett weggelassen. Das Gesamtlaufvolumen ist 2020 also deutlich geringer als normalerweise. Sehr schlecht und lässt sich auch nicht mehr aufholen.

Bis zum Wettkampf sind es noch sieben Wochen. Wenn man die Taperingwochen abzieht, verbleiben vier bis fünf Wochen für ernsthaftes Training. Natürlich viel zu wenig.

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme ist orthopädische Robustheit. Die hat man und/oder man muss sie sich antrainieren. Das braucht extrem viel Zeit, die nicht da ist. Ich muss also leben mit dem was aktuell zur Verfügung steht. Und das ist so mittelprächtig.

Optimal vorbereitet am Start zu stehen wird also nicht möglich sein.

Einerseits.

Andererseits ist eine der wichtigsten Anforderungen an einen Backyard Ultra Läufer eine meiner Stärken: Betonkopf. Durchhaltevermögen. Weitermachen, auch wenn es weh tut. Das ist zwar nicht mehr auf Top Niveau wie in jungen Jahren, aber immer noch recht gut.

Ich denke einen Tag nach, schlafe eine Nacht drüber und schwanke dabei in meinen Abwägungen hin und her zwischen geht gar nicht und auf jeden Fall. Am Ende befrage ich meine TrailrunningHD Mitstreiter in der Erwartung einer Antwort wie: "Hast du sie noch alle...?" Tatsächlich sagen dann alle drei: "Mach es! Auf jeden Fall! Super Gelegenheit!"

Somit ist es entschieden. Ich bewerbe mich bei Michael Ohler für einen Platz im Team und bekomme zu meinem großen Glück wenig später die Zusage.

Ich bin also am 17. Oktober dabei. Freue mich sehr!

Die Aufnahme ins Team feiere ich dann mit dem obigen Glas Champagner. Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht, aber da sie nun gefallen ist, bin ich mit mir im reinen und freue mich total auf die Herausforderung.

Jetzt gilt es zu planen und in die Vorbereitung zu gehen. Dazu später mehr.

Jetzt gehe ich erstmal Laufen.

In diesem Sinne: See you on the trails...



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