VORSCHAU WESTERN STATES 2019

von Sabine

Start Western States 2018. Photo: irunfar


Streckenlänge: 100.2 Meilen
Höhenmeter: 5500 m + / 7000 m -
Live Resultate: Ultralive.net
Berichterstattung: Live Berichterstattung von irunfar 
Strecke: Film von Ultrasportslive.tv



Der Countdown zum Western States Endurance Run 2019 läuft. Während dieses Rennen in früheren Jahren praktisch für eine ganze Woche im alleinigen Mittelpunkt der Ultratrailrunner stand, muss es sich in diesem Jahr die Aufmerksamkeit mit anderen großen Veranstaltungen auf dem europäischen Kontinent teilen: Lavaredo Ultra Trail, Mont Blanc Marathon und das neue Format der Infinite Trails. Bei diesen Veranstaltungen findet man auch einige der Läufer, die kein Losglück beim Western States hatten …

In diesem Jahr sind sowohl bei den Damen als auch bei den Herren die Titelverteidiger am Start: Courtney Dauwalter und Jim Walmsley. Aber auch wenn die beiden die klare Favoritenrolle haben, langweilig sollte es nicht werden.

Das Wetter verspricht in diesem Jahr gemäßigte Temperaturen – allerdings ist in den ersten Meilen vom Escarpment bis nach Robinson Flat noch einiges an Schnee vorhanden, der allerdings schnell wegschmilzt. Das bedeutet: die ersten Meilen werden wahrscheinlich eher langsamer als in den Vorjahren, dafür sind die Verhältnisse in den Canyons sehr viel besser als in den vergangenen Jahren, so dass der eine oder andere Läufer oder die eine oder andere Läuferin den Fokus auf einen neuen Streckenrekord setzen könnte. Außerdem sind wieder einige Heißsporne und Sprinter dabei, die am Anfang für viele Turbulenzen sorgen könnten, z.B. Matt Daniels oder Stephen Kersh – und bei den Damen Camille Herron und Yiou Wang. Das könnte dazu führen, dass einige Läufer sich mitziehen lassen und das Rennen härter angehen als geplant. Das weckt Erinnerungen an das Favoritensterben beim UTMB 2018 …

Hier aus meiner Sicht die Läuferinnen und Läufer mit der größten Chance auf die Top 10. 


DAMEN

Courtney Dauwalter. Was soll man da noch sagen? Wenn Courtney bei einem Rennen auftaucht, verlässt sie es meist als Siegerin. Sie ist die Titelverteidigerin, lief im letzten Jahr die zweitschnellste Zeit, die je eine Frau beim Western States gelaufen ist – nur Ellie Greenwood war schneller. Nach dem Big’s Backyard im letzten Oktober schien sie zunächst mal etwas ausgebrannt – das war auch der Grund für ihr frühes Ausscheiden beim Desert Solstice. Aber mit jeweils ersten Plätzen beim Tarawera 100k, beim Behind the Rocks 50 und beim MIUT hat sie sich überzeugend zurückgemeldet. Wer also den Western States gewinnen will, muss Courtney Dauwalter besiegen. Die Frage ist, welche Renntaktik sie wählen wird, wenn früh im Rennen ein paar schnelle Frauen davonstürmen…

Kaytlyn Gerbin. War im letzten Jahr Zweite. Und das mit aufsteigender Leistungstendenz – denn 2017 war sie Vierte in 20:46, 2018 lief sie 18:40. Wenn man das weiter extrapolieren würde, dann wäre dieses Jahr der Streckenrekord fällig. Aber so einfach ist das nicht im Ultrarunning. In diesem Jahr hatte Kaytlyn ein fast ideales Rennen in Transgrancanaria (Platz 2) und ein etwas suboptimales Rennen beim MIUT (Platz 6). Es würde mich wundern, wenn sie nicht in den Kampf um die Plätze 1-3 eingreifen könnte.

Clare Gallagher. Die Umweltaktivistin ist zurück. Sie war schon einmal kurz davor, ein richtig tolles Ergebnis hinzulegen. Das war vor zwei Jahren, wo sie dann aber 10 Meilen vor dem Ziel auf Platz 4 liegend ausschied. Im gleichen Jahr gewann sie den CCC und belegte beim TNFEC in San Francisco Platz 2. Das vergangene Jahr verlief ordentlich, und in diesem Jahr konnte sie sich beim Way Too Cool den Sieg sichern. Wenn ihr Körper mitmacht, sollte sie an der Spitze auch ein Wörtchen mitzureden haben.

Kaci Lickteig. Sie hat schon viel erreicht und viel durchgemacht beim Western States. Nach den Plätzen 6 und 2 war sie 2016 Western States Champion. Dann kamen psychische Belastungen und eine Verletzung – und die Kurve zeigte nach unten: 2017 Platz 16, 2018 Platz 12. In diesem Jahr ist sie schon bei zwei 100 km Läufen gestartet (Bandera, Black Canyon) und hat sich mit einem Sieg im Black Canyon das Golden Ticket gesichert. Für den „Floh“ aus Nebraska wäre zu wünschen, dass es in diesem Jahr weiter aufwärts geht – auf jeden Fall zeigt die Formkurve stark nach oben.

Aliza Lapierre. Wie Kaci Lickteig versucht sie sich in diesem Jahr zum sechsten mal an einem Western States Finish, aber sie war bei allen dieser Rennen in den Top 10 – hinzu kommt ein DNF. Daher kann man schon fast darauf wetten, dass sie es auch in diesem Jahr schaffen wird. Die Ergebnisse, die sie in diesem Jahr bei kürzeren Rennen abgeliefert hat, sind jedenfalls überzeugend.

Cecilia Flori. Um die Theoretische Physikerin aus Italien, die gerade in Neuseeland lebt und forscht, ist es meist recht still. Im letzten Jahr wurde sie beim WSER Fünfte. Danach Zehnte beim kompetitiven CCC. Wie ist sie derzeit in Form? Kaum zu sagen, außer dem einen oder anderen Marathon ist sie in diesem Jahr noch keine Wettbewerbe gelaufen. Was man aber weiß: Wenn Strecken nicht allzu technisch sind, ist Cecilia stark. Und: Sie will es wirklich wissen. Sie hat mangels Sponsoren ihr Auto und einen großen Teil ihrer Ausrüstung verkauft, um sich die Reise nach Kalifornien leisten zu können – und Freunde haben mit einer Crowdfunding-Aktion Geld gesammelt, damit sie am 29. Juni in Squaw an der Startlinie steht. Mit so viel Willen sollte eigentlich auch ein Top 10 Platz drin sein!

Francesca Canepa. Die Italienerin kennt man vor allem von Rennen im Hochgebirge. Das ist ihr Terrain – zuletzt zu sehen bei ihrem Sieg beim UTMB 2018. Jetzt folgt der relativ flache und laufbare Western States. Aber mit Blick auf die vielen Siege auf technischen Trails wird oft vergessen, dass sie sehr wohl auch flache Strecken laufen kann. Sie siegte 2014 bei den 100 km von Millau, war im gleichen Jahr Vierte bei den 100 km del Passatore und hat auch schon den Mozart 100 und den Lavaredo Ultra Trail gewonnen – zwei Rennen, die wie der Western States für ihre relativ flachen „Überführungsstecken“ bekannt sind.

Lucy Bartholomew. In diesem Jahr ist sie die Jüngste Läuferin des Felds. Und schon im vorigen Jahr hat sie gezeigt, dass mit ihr zu rechnen ist. Nach einem schnellen Start musste sie zwar zunächst Courtney Dauwalter und schließlich auch noch Kaytlyn Gerbin vorbeilassen, aber schon die Tatsache, dass sich die damals 22-Jährige auf Platz 3 festgebissen hat, nötigt einem höchsten Respekt ab. Natürlich ist es schwierig, einen solchen Erfolg zu wiederholen – auch wenn sie in diesem Jahr einiges anders machen will – und auch schon in der Vorbereitung einiges anders gemacht hat. Vor allem: Weniger Wettkämpfe. Daher ist in diesem Jahr nicht ganz so klar, wie gut sie in Form ist. Andererseits: Seit Wochen trainiert sie nun schon auf dem Western States Kurs – das nennt man eine sorgfältige Vorbereitung.

Luzia Bühler. Die zweite Europäerin mit Chancen für die Top 10. Sie kennt den Western States – 2016 war sie schon einmal da, landete damals allerdings „nur“ auf Platz 27. Ein Jahr später gewann sie den Wasatch Front 100. In diesem Jahr hat sie sich beim Georgia Death Race ihr Golden Ticket gesichert – und sich hierzu einen spannenden Zweikampf mit Liz Cantry geliefert.

Amanda Basham. Zweimal war sie schon Vierte - 2016 und 2018. Dabei zeigt ihre Formkurve nach oben. Da sie auch bei anderen Läufen eine Steigerung gezeigt hat, sollte in diesem Jahr ein solider Top 10 Platz drin sein.

Neben diesen zehn Läuferinnen, die ich vorn erwarte, gibt es natürlich noch jede Menge anderer Favoriten oder „Dark Horses“. Zu den Mitfavoriten gehört sicher auch Camille Herron. Allerdings waren die beiden letzten Rennen (Lake Sonoma 50, Comrades) jeweils DNF wegen eines Sehnenproblems. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass sie bei diesem Rennen ihr läuferisches Talent entfalten kann … wenn sie überhaupt durchkommt. Es ist auch nicht recht zu verstehen, warum sie mit der Vorverletzung beim Comrades angetreten ist … aber sie hat sich so sehr in den Kopf gesetzt, alles zu wiederholen, was die große Ann Trason geleistet hat, dass sie unbedingt auch das Comrades – Western States Double machen wollte. Eine weitere Läuferin, von der eigentlich auch viel zu erwarten ist, ist Ladia Altbertson-Junkans. Wo immer sie auftaucht, läuft sie aufs Podium. Allerdings hat sie bislang nur ein 100 km Rennen gemacht – der Western States soll ihr erster 100 Meiler werden. Liegt ihr auch diese lange Strecke? Ladia ist ein echtes Dark Horse …


HERREN

Jim Walmsley. Wenn Jim Walmsley besonnen läuft – wie im letzten Jahr – dann kann ihn wohl niemand schlagen. Wenn überhaupt, dann schlägt sich Jim Walmsley meist selbst. Daher wird es im Wesentlichen darauf ankommen, ob er sich nach seinem Sieg und neuen Streckenrekord im letzten Jahr ein realistisches Ziel setzt oder das Rennen wieder zu schnell angeht. Außerdem wird man sehen, wie gut er den Shift vom Project Carbon X Anfang Mai geschafft hat … sowohl hinsichtlich der Regeneration als auch hinsichtlich der Trainingsumstellung.

Jared Hazen. Im letzten Jahr verletzt und konnte daher sein Western States Ticket nicht wahrnehmen. Seitdem er wieder gesund ist hat er beste Leistungen gezeigt – beispielsweise beim JFK 50 und beim Lake Sonoma 50 – beide Rennen hat er gewonnen. Jared ist zwar mit 24 noch recht jung. Man sollte aber nicht vergessen, dass er 2015 – damals im Alter von 20 Jahren – beim Western States auf Platz 3 kam. Er sollte also wissen, wie er das Rennen angeht. Und dennoch will er es in diesem Jahr anders machen als bei seinem Debut: Er will um den Sieg mitlaufen. Eine mutige, wenn auch riskante Taktik.

Ian Sharman. Wenn es einen Gegenentwurf zu Jim Walmsley gibt, dann ist es Ian Sharman. Immer besonnen, lässt sich weder durch schnelle Gegner noch durch eigene Tiefs aus dem Konzept bringen. Nicht umsonst hat er bei 9 Starts beim Western States neun Top 10 Platzierungen zu Buche stehen. Daher kann man recht sicher auf Ian Sharman wetten. Nach seiner Schulterverletzung im letzten Jahr ist er wieder genesen und voll wettkampffähig – das zeigten auch die dominierenden Siege bei den zwei 50-Meilen Rennen (Brazos Bend, Antelope Canyon), die er seit seinem letzten Western States bestritten hat.

Mark Hammond. Zweimal ist Mark Hammond beim Western States angetreten, zwei mal kam er auf Platz 3. Unbestritten ist Hammond ein hervorragender Ultraläufer. Das bezeugt seine lange Liste an Siegen – zuletzt Anfang Mai im Riverlands 100. Hammond ist ein Viel-Starter. Und nicht immer geht es gut. Das beweist seine „beeindruckende“ Liste an DNFs : 9 in fünf Jahren. Wenn er aber durchkommt, sollte Hammond um eine Top-Position kämpfen können.

Jeff Browning. Er ist nicht der Schnellste. Aber er spult konsequent Meile um Meile ab. DNF bisher? Fehlanzeige. 2016 und 2018 hat er das „Double“ gemacht, d.h. Western States und Hardrock. Und 2018 hat er den Hardrock gewonnen. Beim Western States haben ihm seine Auftritte bislang die Plätze 3, 4 und 5 gebracht. Mit ihm ist in den Top 10 sicher zu rechnen.

Tom Evans. Ein Kämpfer. Der britische Offizier hat im vergangenen Jahr die Coastal Trail Challenge und den CCC gewonnen, in diesem Jahr wurde er in beeindruckender Manier Dritter beim Lake Sonoma 50. Mit ihm muss gerechnet werden, auch wenn er bislang noch keine hundert Meilen am Stück gelaufen ist – dafür aber schon genügend Etappenrennen …

Kyle Pietari. Dreimal hat Kyle in den letzten Jahren am Western States teilgenommen – dreimal kam er in die Top 10. Vor zwei Jahren zog er sich nach 7 Meilen eine Knöchelverletzung zu, lief das Rennen dennoch zu Ende und kam auf Platz 10. Anders als die meisten anderen Favoriten ist Kyle kein (Halb)Profi, sondern er hat einen stressigen Job als Prozessanwalt und eine Familie mit drei kleinen Kindern. Er kam zum Ultrasport, als er anfing, jeden Tag zum Arbeitsplatz und zurück zu laufen. Und Familie und Job lassen ihm oft keine andere Wahl als spät abends sein Training auf dem Laufband durchzuführen. Diese Routine scheint ihm einige mentale Härte gebracht zu haben, denn er schafft auch dann noch Top-Platzierungen, wenn es ihm im Rennen richtig schlecht geht. Die besten Voraussetzungen für ein gutes Abschneiden beim „Big Dance“.

Jordi Gamito. Der Spanier hat in den letzten Jahren leistungsmäßig riesige Sprünge nach vorn gemacht. Sein größter Erfolg war der 3. Platz beim UTMB 2018. Aber auch sonst landete Gamito, der viele Rennkilometer im Jahr abspult, meist auf dem Podium. Er kann zwar technisches Gelände sehr gut, aber ihm ist zuzutrauen, dass er in die amerikanische Phalanx einbricht und in die Top 10 kommt.

Ryan Sandes. Dem Western States Sieger von 2017 liegt dieses Rennen. Zwei Läufe hatte er schon als Zweiter bzw. Fünfter abgeschlossen, bevor er dann vor zwei Jahren auf Platz 1 lief. Das Jahr 2018 stand ganz im Zeichen des Grand Himalaya Trail. Der Ultra Trail Cape Town endete mit einem DNF. Der Western States ist eine neue Gelegenheit zu zeigen, dass Ryan die 100 Meiler noch drauf hat.

Gediminas Grinius. Gediminas ist einer der wenigen Europäer, dem es gelang, beim Western States in die Top 10 zu kommen. Das war 2015 – da wurde er Vierter in 15:40:55. In diesem Jahr kommt er zurück, hat aber über den Western States hinaus ein ganz besonderes Ziel: Er will die vier historischen 100 Meiler der USA, den sogenannten Grand Slam of Ultrarunning laufen. Den Auftakt hierfür bildet der Western States, gefolgt von Vermont, Leadville und Wasatch 100.

Auch bei den Männern ist das Feld der Favoriten in diesem Jahr wieder riesengroß. Da gibt es die jungen Wilden wie Matt Daniels und Stephen Kersh, die frisch vom Halmarathon und Berglauf kommen und sicher schnell losstürmen werden. Läufer wie Eric Senseman und Chris Mocko, die mit dem Rennen noch eine Rechnung offen haben. Und viele andere mehr …


Aber es gibt beim Western States nicht nur das Rennen um die besten 10 Plätze. Es gibt wie immer Läufer zu beobachten, die ganz besondere Ziele haben. So zum Beispiel Ian Sharman, der seine 1000 Meilen vollmachen will und das in den Top 10. Dann ist da noch Scott Mills, der im Alter von 68 Jahren versucht, zum 20. Mal die Ziellinie in Auburn zu erreichen. Ein weiterer Läufer, der viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird, ist Dave Mackey. Im Jahr 2002 war er Zweiter beim Western States, 2011 kam er auf Platz acht. Aber da hatte er noch zwei Beine. Inzwischen – nach Sturz, OPs und Amputation – ist aus ihm ein „Blade Runner“ geworden. Wie im letzten Jahr ist er in diesem Jahr wieder beim Leadman dabei, und nun zusätzlich noch beim Western States.


Es wird mit Sicherheit wieder viele Stories von Erfolg und Scheitern geben – es lohnt sich also auch in diesem Jahr, den Western States zu verfolgen …


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