Trailrunning-Bergwochenende am Pilatus

von Erik 



Mai 2019. In den Alpen zeigen sich noch die Nachwehen eines schneereichen Winters. Viel Schnee allerorten bis in tiefe Regionen.

Schön und eine prima Sache für Wintersportler, die eine lange Saison genießen können. Nur bedingt gut für Trailrunner die sich in den Bergen auf die ersten Wettkämpfe vorbereiten wollen.

In der Vorbereitung für den Zugspitz Ultra wollten wir zumindest ein Bergwochenende, besser zwei, zum Trainieren machen. Eigentlich hatten wir das auch schon letzte oder vorletzte Woche eingeplant. Als dann zahlreiche Anrufe in den Bergen das fast immer gleiche Ergebnis brachten, nämlich dass an Traillaufen kaum zu denken war, haben wir verschoben. Überall lag noch viel Schnee, oft auf unter 2000 Meter zwei bis drei Meter, selten waren die Wege offen über 1600 Meter. Das  lässt dann nur sehr eingeschränktes Trainieren zu, viele Höhenmeter am Stück sind kaum möglich.

Und so kamen wir mal wieder auf den Pilatus. Auch der ist nicht schneefrei, aber durch seine Alleinlage scheint der Schnee schneller abzuschmelzen und vor allem sind die Höhenunterschiede sehr groß. Der Pilatus ist über 2000 Meter, der Vierwaldstättersee liegt bspw. auf ca. 450 Meter. Selbst wenn man nicht ganz auf den Gipfel kommt, bekommt man doch einiges am Stück an Höhenmetern zu Stande.

Diesmal hatten wir uns für Hergiswil nahe Luzern als Standort entschieden. So kann man von zwei Seiten Richtung Pilatus wandern und wohnt schön am See.

Gewohnt haben wir im Seehotel Pilatus, direkt am See. Schöne Zimmer mit viel Glas, Blick auf den See, schönes Schwimmbad, gutes Essen und freundlicher Service.

Blick aus dem Hotelzimmer

Anreise Donnerstag nachmittags, Freitags lange Einheit, Samstag halber Tag und nachmittags zurück.

Tourist Info Luzern und die Pilatus Bahn hatten uns gesagt, dass auf den Pilatus zu gehen schwierig sei, wegen einiger Schneefelder. Die Runde knapp unterhalb des Gipfels am Matthorn vorbei sollte aber gut gehen. Im Hotel meinte die nette Dame an der Rezeption, auf den Pilatus sei kein Problem. Na also. Bestens.

Somit war der Plan, dass Katrin, Elli und ich zusammen in Alpnachstad an der Gondelstation loslaufen und uns dann trennen. Katrin wolle die Runde Alpnachstad, Ämsigen, zwischen Pilatus und Matthorn nach Fräkmünt nach Lütoldsmatt, wo wir uns dann auf einen Happen treffen wollten. Ich wollte die gleiche Route nehmen, falls es der Schnee zuließe auf den Pilatus und wieder runter, kurz vor Fräkmünt hoch auf das Tomlishorn, am Kamm entlang am Widdefeld vorbei und bei Feld wieder absteigen Richtung Lütoldsmatt.



Ab Talstation Bergbahn geht es dann gleich richtig los, damit man gleich mal weiß, was auf einen zukommt: sausteile Treppe.



Nach einer Viertelstunde trennen wir uns, ich laufe voran, Katrin und Elli gehen ihr Tempo. Nach ein paar Minuten höre ich erst einen lauten Pfiff und schnelle, trabende Schritte hinter mir. Elli. Sie ist Katrin abgehauen und wollte wohl mal sehen, wo Herrchen so ist.



Ich schicke sie zurück und freue mich, dass heute mal der Hund den Anschiss bekommt. ;-)

So laufe ich gutgelaunt weiter. Die Sonne scheint, perfekte Temperaturen, alles grün. Herrlich. Und in den anderen Regionen der Alpen liegt massig Schnee. Alles richtig gemacht. Da komme ich bestimmt auch auf den Pilatus hoch.



Doch schon bei Ämsigen beginnen dann die ersten Schneefelder. Hatte es nicht geheißen, fast schneefrei bis 1800? Und hier sind wir auf gerade mal 1400. Egal, dann gibt es halt eine Schneewanderung. Wenn ich nur den Weg finden würde. Kurz hinter Ämsigen sehe ich weder Weg noch Markierung. Laufe ich halt an den Bahnschienen entlang, irgendwie wird es schon weitergehen, im Notfall laufe ich querfeldein. Als ich dann über die nächste Kuppe komme, zeigt sich, was mich nun erwartet: keine Schneefelder, sondern nur Schnee.



Finde ich jetzt nicht schlimm, ich laufe ganz gern im Schnee. Nur wie kommen hier Katrin und Elli hoch?



Mit Hund ist das doch alles schwieriger. Teilweise muss man Elli über Zäune lüpfen, an manchen Stellen liegt Stacheldraht auf dem Boden. Ich gehe davon aus, dass sie sich das nicht antun werden und umdrehen um irgendwie auf einem anderen Weg zum Treffpunkt Lütoldsmatt zu kommen. Blöd.

So stapfe ich weiter durch den Schnee, Schuhe und Socken sind patschnass. Stört aber nicht weiter, es ist nicht kalt. So erreiche ich dann den Abzweig zum Pilatus.
Geht gut heute, fühle mich fit und bin noch recht locker und in einem guten Rhythmus. Ich schaue zum Gipfel. Es sieht genau so aus, wie die letzten paar hundert Höhenmeter: Schnee.



Egal, das geht jetzt auch noch. Und irgendwie will man ja doch immer auf den Gipfel. Auf den nächsten Metern kommt mir dann erst ein freundlicher Schweizer fröhlich über den schneebedeckten Steilhang entgegengeschliddert und wenig später wedeln zwei Skifahrer an mir vorbei. Ist ja richtig was los hier. Los ist dann vor allem wieder was auf dem Gipfel. Touri-Ansturm. Picture, picture. Auch ich mache meine Gipfelbilder, dann schnell die Flaschen wieder aufgefüllt, es windet und wird kühl.




Auf dem Rückweg imitiere ich dann den netten Schweizer. Im tiefen Schnee einfach laufen lassen, halb rennend, halb schlitternd. Das macht Spaß. Dass die Schuhe schon wieder komplett nass sind, stört mich schon lange nicht mehr. Allerding klatscht durch das Schliddern der weiche Schnee von hinten an die Waden. Fühlt sich an wie dauerhafte Eismassage. Ist ja nicht schlecht nach einem Wettkampf, aber während des Laufs? Aber wenn es Spaß macht, stört einen ja nix. Bin gut drauf. Ein herrlicher Tag.



Am Abzweig schaue ich ins Tal, in die Richtung aus der ich hochgekommen bin. Nichts zu sehen von Katrin und Elli. Wie ich vermutet hatte, habe sie wohl einen anderen Weg genommen.

So renne ich weiter Richtung Fräkmünt, biege kurz vorher ab Richtung Tomlishorn. Den Weg bin ich schon mal gelaufen. Nach kurzer Wegstrecke endet er an einer Hütte und dann kommt ER.

ER, der ultimative Wadentest. Eine super steile Wand. Überwiegend Gras, technisch unanspruchsvoll, aber - steil. Das bedeutet Oberschenkel und vor allem Waden müssen richtig arbeiten und die Waden sind durch die permanente brutale Steigung ständig überstreckt. Wer hier gut durchkommt, der ist vorbereitet. Bin dann selbst überrascht, wie gut das geht. Da hat sich das Training seit Innsbruck offensichtlich ausgezahlt. Super.

Oben auf dem Kamm biege ich nach rechts ab, auf das Tomlishorn. Vorher schaue ich aber kurz auf mein Handy. Es hatte gebimmelt. Und was lese ich da? Eine Nachricht von Katrin: "Wir sind am Abzweig." What? Sind die beiden doch tatsächlich das steile Schneefeld hochgestapft. Kompliment.

Kurz bevor ich dann das Tomlishorn erreiche, erhascht mein Blick eine Bewegung als ich ins Tal schaue. Zwei kleine Punkte. Ein roter und ein beiger Punkt. Die kenne ich doch. Katrin und Elli. Ich lasse einen Jodler erklingen und tatsächlich - die beiden Punkte bleiben stehen. Handy brummt: " Bist du das auf dem Gipfel?" Yep. Und ist schön hier oben. Guter Rundumblick und auf den Pilatus.

Blick vom Tomlishorn Richtung Pilatus

Dann kehrtmarsch, wieder runter und nun Richtung Widderfeld.




Nach einem längeren Gespräch mit zwei Gämsen ("Könntet ihr bitte mal den Weg freimachen? Ich würde da gerne durch. Hallo. He. Das wäre echt nett.") entscheide ich mich dann, meine Route zu ändern. Hinter dem Widderfeld liegt mir zu viel Schnee und der Weg ist nicht zu erkennen. Das ist mir zu unsicher und so brauche ich auch zu lange um pünktlich am vereinbarten Treffpunkt zu sein. Also zurück über die steile Wiese, Fräkmünt, Langenmatt, Lütoldsmatt. Dort erwarten mich schon Katrin, Elli und ein hervorragendes Rösti.



18,70 km, 2372 HM auf, 1669 HM ab, 5h27, HF 121 Schnitt, 149 Max, 3744 kcal (Abendessen :-) )

Passt. Hat super Spaß gemacht. Bin noch frisch und hätte noch Lust mehr zu machen. Heute haben wir aber anders geplant. Nach der Pause wandern wir alle zusammen gemütlich nach Alpnachstad zurück. Das ist dann Luxusdurchblutung, also schon mal Regeneration und es bleibt uns noch genügend Zeit für Wellness im Hotel.

Der Weg zurück zieht sich dann länger als wir dachten. 1h26.

Im Hotel machen wir dann erstmal "alternative" Wellness: Zuerst wird Katrins Motivations-Tempel gekillt: Chips und Gummibärchen. Die werden immer vor Wettkämpfen und langen Läufen in den Bergen im Hotel drapiert. Dann kann man sich während des Laufes drauf freuen.

Danach: rauf aufs Bett und Gräten ausstrecken. Das ist so herrlich, dass Katrin beschließt, es heute bei dieser Form des Wellness zu belassen. Ich gehe eine kleine Runde Saunieren und auf der Terrasse am Seeufer bei Ingwertee relaxen.  Abendessen auf der Terassse am See. Es kann einem schlechter gehen...





Für Samstag haben wir ein Zeitfenster von ca. vier Stunden. Wir laufen direkt vom Hotel in Hergiswil los. Katrin will eine Runde über Rengg, Gschwänd, Brunni und zurück laufen. Ich hatte ursprünglich vor, den Pilatus von der Hergiswiler Seite zu besteigen. Vom Tomlishorn aus hatte ich allerdings gestern gesehen, dass auch auf dieser Seite einiges an Schnee liegt. Und so plane ich um. Ich will nochmal einige Höhenmeter sammeln und zügig unterwegs sein. Ausserdem muss ich in vier Stunden wieder unten sein, da macht Schnee die Planung schwierig.

So laufe ich mit Katrin und Elli Richtung Rengg, hoch auf den Kamm, Chrummhorn besteigen, wieder runter, Geschwänd, Richtung Fräkmüntegg, Lägenbrugg und runter.



Zu Beginn ist die Tour gleich wieder ordentlich steil, ab Rengg auf den Kamm teils richtig steil, aber auch super schön. Kleine, verwurzelte Trails durch den Wald. Herrlich. Auf das Chrummhorn wird es dann nochmal richtig steil. Oben zeigt sich dann, dass ich in diesem Leben wohl kein Bergsteiger mehr werde. Die letzten Meter sind super steil aber technisch nicht anspruchsvoll. Trotzdem kriege ich etwas Muffensausen. What comes up, must come down. Jetzt muss ich wieder runter. Und das ist genauso steil. Und teils etwas feucht. Nicht wirklich schwierig, aber wenn man erstmal die Hosen voll hat ist alles schwierig.

So steige ich die ersten 50 Meter im Amöbentempo ab. Egal, Sicherheit geht vor. Zum Glück kommt danach ein sehr schöner Trail. Der passt perfekt zum entspannen...

Uff. Bin heil unten. 

Inzwischen hat es auch etwas zugezogen. Eigentlich sollte es erst nachmittags regnen. Leider geht es dann aber bald los und regnet sich ein. Unterwegs treffe ich noch einen Steinbock, der mitten auf dem Weg steht und in aller Ruhe wartet, bis ich fünf Meter vor ihm stehe. Nachdem mein Gespräch mit den Gämsen gestern so erfolgreich war, kann ich auch den Bock verbal überzeugen, mich durchzulassen.



Ich laufe trotz Regen noch über Gschwänd Richtung Fräkmüntegg, quere dabei einige Schneefelder, schleiche bergab einige sehr steile und matschige Passagen hinunter bevor es dann über moderate Wege entspannt hinunter nach Hergiswil geht.

Ungefähr vier Stunden hatte ich mit Katrin ausgemacht, nach 3h56 laufe ich im Hotel ein. Wenn das mal kein Timing ist...

14,60 km, 1666 Hm, 3h56, 116 HF Schnitt, 145 HF Max, 2562 kcal (Nüsse und Chips im Auto :-) )

Katrin hat schon geduscht und wartet mit Elli im Hotel-Bistro auf mich. Das wars dann also schon wieder. War ein sehr schönes Wochenende.

Den Pilatus kann ich wirklich empfehlen. Von Heidelberg aus sind das mal gerade 350 Km, wir haben hin 3,5 h, zurück 3 h gebraucht. Man ist also schnell da. Die Gegend ist sehr schön, und i.d.R. früher schneefrei als andere Regionen. Da die Startpunkte sehr tief liegen, kann man deshalb schon sehr früh im Jahr ordentlich Höhenmeter machen. Und es gibt reichlich schöne Touren und Trails. Wir kommen also bestimmt wieder.

In diesem Sinne: See you on the Trails...


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