von Erik
Ergänzung:
Müde. Ich bin mental müde.
NACH einem 85 Kilometer Ultra Trail ist das auch normal.
Allerdings stehe ich an der Startlinie und es ist somit VOR dem Lauf.
Samstag, 29.09.2018, 6.25 Uhr. In fünf Minuten startet der Saxoprint Pfalztrail UltraRun. 85,6 km und 2440 Höhenmeter.
Foto: Pfalztrail |
Vor zwei Wochen habe ich den Himmelsleiter Trail in Heidelberg als Vorbereitung gemacht, heute nun der Pfalztrail und in zwei Wochen steht dann Traildorado mit 24 Stunden Traillaufen an.
Deshalb ist mein Plan für heute, einen guten Kompromiss zu finden zwischen langem Lauf und Wettkampf. Schon flott laufen, aber eben auch nicht voll, um schnell genug wieder fit zu sein für Traildorado. Ich habe vor, den Pfalztrail moderat anzugehen und mich dann bei ca. 10 HF Schlägen unter der möglichen HF zu bleiben. Also ca. 150 bis 155 anstatt 160 bis 165. Dies ca. bis km 70 und dann mal schauen.
Foto: Pfalztrail |
Von daher ist es nicht gar so schlimm, dass ich mich mental müde fühle. Momentan habe ich etwas Druck im Job und das geht offensichtlich nicht spurlos an der Leistungsfähigkeit vorüber. Trotzdem, vielleicht gerade deswegen, will ich unbedingt laufen.
Wird schon gut werden. Erstmal einrollen und dann schauen wir weiter...
6.30 Uhr. Es wird von 10 runtergezählt und der Startschuss fällt.
Es ist kühl, aber angenehm. Aufgrund der Dunkelheit tragen die meisten Läufer Stirnlampen. Am Anfang ist das schon gut, denn es geht gleich auf Trampelpfaden durch den Wald. Allerdings braucht man die Lampe nur die erste halbe Stunde und schleppt sie dann den Rest des Rennens umsonst mit. Kann man also auch zu Hause lassen.
Foto: Pfalztrail |
Es ist kühl, aber angenehm. Aufgrund der Dunkelheit tragen die meisten Läufer Stirnlampen. Am Anfang ist das schon gut, denn es geht gleich auf Trampelpfaden durch den Wald. Allerdings braucht man die Lampe nur die erste halbe Stunde und schleppt sie dann den Rest des Rennens umsonst mit. Kann man also auch zu Hause lassen.
Wie geplant laufe ich erstmal entspannt los. Geht auch recht gut. Bis auf die Tatsache, dass ich links in der Leistengegend ein Ziehen spüre und ein komisches, leicht taubes Gefühl im linken Oberschenkel. Also schön locker laufen, später dehne ich ein wenig und massiere den Oberschenkel. Ändert aber nichts. Also locker weiter und abwarten.
Lange und vor allem steile Steigungen sind beim Pfalztrail nicht zu bewältigen. Von daher umso erstaunlicher, dass mir die Bergaufpassagen heute etwas Mühe machen. Die spüre ich vor allem in den Waden. Komisch, da ich das Eigertraining, den ZUT und die Hälfte vom Eiger Ultra in den Beinen habe. Egal. Weiter. Bei einem Ultra kann sich noch viel ändern und auch verbessern.
Für mich ist heute entscheidend, im richtigen Belastungsbereich zu bleiben, um mich nicht zu arg zu schrotten, um in zwei Wochen fit zu sein. So pendelt sich der Puls um die 150 rum ein und das fühlt sich recht entspannt an.
Foto: Pfalztrail |
An den Verpflegungsstationen versuche ich ausreichend zu essen und trinken. Gerade die Energieaufnahme fällt mir nicht ganz leicht. Es gibt keine Gels, die Riegel sind trocken/hart und gehen nicht gut runter, Butterbrezeln sind so trocken, dass ich für drei Bissen fünf Minuten brauche und runterspülen muss. Nicht ganz optimal. Später steige ich dann auf Kuchen um. Der schluckt sich wenigstens besser.
Irgendwann stellen sich dann leider Knieschmerzen ein. Nicht schlimm und zum Glück nicht stechend, sondern dumpf, aber doch störend. Deshalb ist mir das, was ich eigentlich vorhatte, nicht möglich, nämlich locker und entspannt zu laufen und Spaß zu haben. Mit nervenden Schmerzen ist der Spaß immer etwas eingeschränkt.
Gelegentliches Dehnen schafft keine Abhilfe und so laufe ich halt weiter, rolle dahin und versuche mich mal wieder in Selbstmotivation zur Stimmungsaufhellung. „Schau mal, wie locker du läufst. Und die Zeit ist recht gut. Und du hast noch gut Reserven, da geht hintenraus noch was...“ Klappt auch temporär immer ganz gut. Nur hat ein Ultra nun mal eine grundsätzliche Eigenschaft: er ist lang. Und so hat man immer mehr als ausreichend Zeit um sich wieder auf die eigenen Probleme zu konzentrieren.
Foto: Pfalztrail |
Zu Beginn des Laufes segmentiere ich die Zeit dadurch, dass ich mir überlege, was Katrin, Sabine und Elli gerade machen. 6.30 Uhr: in 90 Minuten klingelt bei denen der Wecker. 8 Uhr: jetzt stehen sie auf. 8.30 Uhr: Gassigehen mit Elli und Frühstück. 10 Uhr: Abfahrt Richtung Carlsberg. 11 Uhr: jetzt sind sie ebenfalls vor Ort. 12 Uhr: Start des QuarterTrails. Ellis erster Wettkampf. Hoffentlich haben sie Spaß. Die sind nun auch unterwegs und bei mir sind schon fünfeinhalb Stunden rum. Und somit auch mein Bergfest. Und das ist immer gut. Was ist ein Bergfest? Ich stelle mir grundsätzlich jedes Rennen, egal wie lange, als einen Berg vor. Die erste Hälfte reht rauf, die zweite runter. Der Vorteil ist, dass man in der ersten Hälfte eines Rennens normalerweise noch fit ist und da laufe ich dann gedanklich bergauf. Wenn man dann langsam müde wird laufe ich gedanklich nur noch bergab. Zur Hälfte des Rennens findet also oben auf dem fiktiven Gipfel mein Bergfest statt, das ich dann auch gedanklich feiere. Klingt vielleicht etwas seltsam, hilft mir aber immer wieder sehr.
So rolle ich also nun vor mich hin und verfalle in den leicht autistischen Gemütszustand des Verdrängungslaufes. Das hat den Vorteil, dass die Zeit schneller rumgeht. Und das hat den Nachteil, dass man manchmal so arg vor sich hinträumt, dass man den richtigen Weg verpasst. Ich zumindest. Ich hatte mich zwischenzeitlich auf den fünften Platz vorgearbeitet, Vierter und Dritter direkt vor mir in Sichtweite. Plötzlich fällt mir auf, dass niemand mehr vor mir ist. Und auch keine Wegmarkierungen zu sehen sind. Mist. Falscher Weg. Schnell zurück. Tatsächlich, ich sehe nach einiger Zeit eine Wegmarkierung. Das könnten so ca. drei Minuten zusätzlich gewesen sein. Am nächsten Kontrollpunkt frage ich nach der Platzierung. Siebter. Also haben mich zwei Läufer überholt und die weiter vorne sind erstmal weg. Egal. Ist halt so. Weiter rollen.
So geht es weiter bis zu einer Verpflegungsstation bei ca. 56 km. Und hier zeigt sich mal wieder, wo sich bei einem Rennen das Blut befindet: Nicht im Kopf! Ich denke nämlich: „Ah, prima. KM 56. Also nur noch 20 Kilometer. Das ist ja nix.“ Erst als ich weiterlaufe, kommt mir irgendetwas komisch vor und ich rechne nochmal nach. Mist. Nix 20. Es sind noch 30. Na ja. Auch überschaubar. Das kriegen wir jetzt auch noch hin.
Foto: Pfalztrail |
Nach ein paar weiteren Kilometern entscheide ich, noch ein klein wenig Tempo rauszunehmen. Ich könnte zwar schneller, aber bei etwas reduziertem Tempo tun mir die Knie etwas weniger weh. Bei konstantem Tempo wie auf den ersten 56 Kilometern könnte ich bei ca. 8 Stunden landen, rechne ich mir aus. Aber heute laufe ich eh nicht voll Stoff und da ist mir dann das Wohlbefinden wichtiger und deshalb gebe ich nicht Gas.
Foto: Pfalztrail |
Kurz vor dem Ziel auf Position vier liegend überholt mich ein Läufer, mit dem ich mehrfach die Postition getauscht hatte. Am letzten Anstieg nimmt er mir ungefähr eine Minute ab. Normalerweise hätte ich versucht, dranzubleiben und gehofft, ihn dann auf dem letzten Gefälle plattzumachen. Heute wehre ich mich noch nicht einmal. Ist das die verinnerlichte Einstellung, heute nicht voll laufen zu wollen? Oder ist das die heute präsente mentale Müdigkeit? Vielleicht beides.
So komme ich auf Rang fünf in 8:17:08 h ins Ziel. Eine gute halbe Stunde schneller als letztes Jahr. Damit bin ich sehr zufrieden. Vor allem, weil ich mich körperlich nicht verausgabt fühle. Ich bin mir sicher, dass ich unter acht Stunden hätte bleiben könnnen, wenn ich voll gelaufen wäre. Und mit der Regeneration sollte das bin in zwei Wochen auch hinhauen. Passt also.
Sabine, Katrin und Elli sind auch schon im Ziel. Zwei sehen müde aus, eine nicht. Für Elli war es wohl ein super Event und sie hatte riesig Spass. Eine gelungene Wettkampfpremiere also. Leider lief es bei Katrin nicht so gut. Ebenfalls Knieschmerzen. Wahrscheinlich hervorgerufen durch die an einem Bauchgurt befestigte Hundeleine. Da auf der Leine meist Zug drauf ist, muss man gegensteuern und läuft somit anders als normalerweise und wahrscheinlich auch etwas unrund. Und das hat dann stechende Knieschmerzen verursacht, die lange Gehpassagen notwendig machten. Trotzdem war es für die drei, glaube ich, eine gelungene Veranstaltung.
Ergänzung:
Heute ist der Saxoprint Pfalztrail schon wieder eine gute Woche her. Wie erwartet lief die Regeneration gut und schnell. Schon nach wenigen Tagen fühlte ich mich fast komplett erholt.
ABER: Nach kurzzeitigem Abklingen der Knieschmerzen kamen diese vehement zurück. Ende letzter Woche war es im rechten Knie so schlimm, dass ich kaum gehen konnte. Zumindest nicht ohne Schmerzen. In der Ebene schlecht, bergab ganz übel. Resultat: eine ganze Woche Zwangspause.
Intensives Dehnen, Rollen, Massieren, Schmerzmittel usw. haben bis Samstag kaum Linderung bzw. Verbesserung gebracht. Deshalb war ich am Samtag überzeugt, dass ich Traildorado knicken kann.
Nun hat sich seit gestern endlich Besserung eingestellt. Die Schmerzen sind deutlich abgeklungen, aber noch nicht weg. Noch fünf Tage Zeit!? Könnte ganz gut gehen. Nur leider reicht ganz gut nicht für einen 24 Stunden Lauf. :-(
Ich werde trotzdem hinfahren, gehe aber davon aus, dass ich wahrscheinlich ein paar Runden laufen werde und dann abbrechen muss. Aber Traildorado ist ja auch ein Trail-Event und dann werde ich mich halt ins Eventgetümmel stürzen.
Super schade. Ich habe zwar nicht 24h-Lauf-spezifisch trainiert, hatte und habe aber total Lust, das mal auszuprobieren. Aber so ist das nun halt mal.
Wahrscheinlich mache ich den Rest der Woche nichts, therapiere weiter und schaue dann am Freitag, wie es sich anfühlt.
Man wird sehen.
Wie auch immer: See you on the Trails ...
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