von Erik
Hinsichtlich Wettkämpfen erstmal schauen, wie ich reinkomme.
Aber: Man hat einfach total Lust drauf.
Das ist mal wieder ein richtig bekloppter Plan. Und deshalb freue ich mich total drauf.
Zwei traurige Augen blicken mich schuldbewusst an. Der Kopf gesenkt, die Schultern hängen. Die ganze Gestalt ein erbärmlicher Anblick.
Ich betrachte mein Spiegelbild. Heute ist der Tag der Wahrheit und dazu gehört der ehrliche Blick in den Spiegel. Und der sagt mir, wass ich schon wusste, bzw. hätte wissen müssen, aber erfolgreich verdrängt hatte:
Es sieht nicht gut aus.
Nach der Teilnahme am Eiger Ultra Mitte Juli, die für mich mit einem Abbruch endete, hatte ich geplant, erst mal wieder fit zu werden. Ruhig mal ein paar Wochen weniger machen, andere Dinge tun, sich auch mal wieder etwas gönnen. Vor dem Eiger hatte ich acht Montate sehr konsequent trainiert und gelebt, jetzt war es an der Zeit locker zu lassen. Das war auch schon so in meiner Jahresplanung berücksichtigt gewesen. Und danach nach Lust und Laune eventuell noch Pfalztrail oder Frankfurt Marathon machen.
Allerdings ging das Lockerlassen in hemmungsloses Loslassen über. Toll, einfach mal garnichts zu machen, oder zumindest nur, worauf man Lust hat. Und essen und trinken, was man sich monatelang
verkniffen hatte. Legitim. Nur sei die Frage gestattet, ob man dabei dann auch wieder masslos übertreiben muss. Zum Beispiel abends nach dem Abendessen vor der Glotze nach der Tüte Chips auch noch die ganze 300 Gramm Dose Rauchmandeln mit ausreichend Alkoholbegleitung leermachen. Und das Ganze sechs Wochen lang???
Irgendwann spülte mich der reissende Fluss der Passivität, Faulheit, Plan- und Ziellosigkeit, in dessen Sog ich geraten war, wieder ans Ufer und ich rappelte mich mühsam auf. Mir war klar, dass es an der Zeit war, wieder auf die Beine zu kommen.
Und so stand ich nun vor dem Spiegel.
Mein Polar Flow Trainingsplan, auf den ich heute die Trainingseinheiten der letzten sechs Wochen aufgespielt hatte, zeigte zahlreiche, teils grosse Lücken, keine langen Einheiten, wenig Intensives, keine Struktur. Und sagte mir somit: Sauber abtrainiert.
Der Spiegel sagte: Ganz schön zugelegt, Dicki. Die Rettungsringe, die du mühsam über die Monate wegtrainiert hast sind wieder da. Größer als vorher. Ordentlich zugelegt, Blödi.
Und die Waage fügte bestätigend hinzu: 77,20 Kilo. Über drei Kilo zugenommen. Depp.
Heftiger als ich gedacht und vorgehabt hatte. Andererseits - Schön war die Zeit! ;-) Jetzt muss ich halt damit leben.
Also, neuer Aktionsplan für die nächsten Monate.
Erste Sofortmassnahme: Abnehmen. Wieder weniger und vernünftig essen, alles Unnötige weglassen und Alkohol nur zu Einladungen.
Ausserdem wieder mehr laufen und das lange vernachlässigte Kraft- und Stabitraining wieder aufnehmen.
Hinsichtlich Wettkämpfen erstmal schauen, wie ich reinkomme.
So. Obiges fand statt am Sonntag, 26. August. Direkt nach der Rückkehr aus unserem USA-Urlaub.
Die ersten zehn Tage sind also rum. Der Spiegel ist schon etwas gnädiger, die Waage sagt 76 und ich laufe wieder fast wie ein Läufer.
Inzwischen habe ich mir auch einige Gedanken über mögliche Wettkämpfe gemacht. Auf den Pfalztrail hätte ich schon Lust. Letztes Jahr war das einer meiner schlimmsten Wettkämpfe überhaupt. Nach gut zwei Stunden hatte ich massive Knieschmerzen bekommen und mich über sechs Stunden ins Ziel gequält. Da ist also noch eine Rechnung offen. Nur habe ich jetzt wochenlang keine langen Läufe gemacht und muss erstmal schauen, wie sich alles anfühlt. Ausserdem hat mir mein Bruder Dirk einen Startplatz für den Heidelberger Himmelsleiter-Trail angeboten, da eine Kollegin nicht teilnehmen kann. Den habe ich jetzt mal auf jeden Fall angenommen, der Lauf findet in zwei Wochen statt. Neun Kilometer, 450 Höhenmeter, in Teilen richtig steil. Das ist als Vorbereitung für den Pfalztrail, der dann nochmals zwei Wochen später wäre, garnicht schlecht. Kurzer, knackiger Wettkampfreiz.
Soweit, so gut. Nur hat mir das kleine Teufelchen auf der linken Schulter eine zusätzliche spitzenmässige Idee eingeflüstert: "TRAILDORADO!"
Ja. Richtig. Warum denn nicht?
Traillaufhappening. Trailevent. 24 Stunden Lauf, mit Vorträgen, Bands, Lagerfeuer. Einfach eine coole Sache. Da will ich schon ewig mal mitmachen. Hat bisher nicht gepasst und dieses Jahr eigentlich auch nicht. Nun hatte Sabine vor kurzem mit den Organisatoren Kontakt inklusive der Idee, dass dort jemand von TrailrunningHD mal teilnehmen könnte.
Traildorado findet statt am 13. und 14. Oktober. Also zwei Wochen nach dem Pfalztrail, einem 85 km Lauf. Und ich habe noch nie 24h-Lauf-Training gemacht. Und habe auf die Art von Training eigentlich auch keine Lust. Ist mir zu langsam. Und ich habe ja selbst die "normalen" langen Läufe zuletzt kaum gemacht. Und es bleiben nur sechs Wochen Vorbereitung. Und zwei Wochen vorher Pfalztrail ist viel zu knapp.
"Sehr viel Unds sind das, nicht?" flüstert das Engelchen auf meiner rechten Schulter. "Das macht nicht so richtig Sinn, oder?"
Könnte auch sein, dass es nicht das Engelchen war, sondern die beste Ehefrau von allen. Und es war auch kein Flüstern.
"Erik!!!
Hast du noch alle Tassen im Schrank?
Lernst du eigentlich garnichts??
Das ist doch völlig bescheuert!"
Tja, was soll ich sagen? Manchmal weiss man selbst, das etwas rational wenig Sinn macht.
Aber: Man hat einfach total Lust drauf.
Und so geht es mir mit Traildorado. Nun könnte ich natürlich dann wenigsten den Pfalztrail weglassen. Auf den habe ich aber auch Lust. Und da mir das Teufelchen auf der linken Schulter höchst glaubhaft versichert hat, dass das schon klappen wird, ist mein Plan nun folgender:
Normaler Ultratrainingsplan wie für den Eiger.
Abnehmen auf unter 75.
Himmelsleiter-Trail am 16.9.
Pfalztrail am 29.9.
Traildorado am 13. und 14.10.
Das ist mal wieder ein richtig bekloppter Plan. Und deshalb freue ich mich total drauf.
Aber jetzt gehe ich erstmal Laufen.
In diesem Sinne: See you on the Trails ...
Toller Bericht 💪🏻..super das du es wieder geschafft hast aufzustehen ..
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