Ultratrail-Läufer haben einen Knall! – Oder?

Laufbericht eines Trail-Rookies vom E16 2018 in Grindelwald


Mein Bruder Erik läuft Ultratrails. Mein Bruder hat einen Knall. Das habe ich schon immer vermutet, sicher bin ich mir aber seit ein paar Jahren, als er das erste Mal angekündigt hat, dass er den Karwendelmarsch mitlaufen will. 52 Kilometer mit über 2000 Höhenmetern! Rennen! Wer so was macht, muss einen Knall haben, so viel steht fest.

Viele Jahre und einige Trailgeschichten von Erik, Katrin und Sabine später, bin ich zusammen mit meiner Frau Uta beim Eigertrail in Grindelwald endlich der Frage nachgegangen, ob Erik der Einzige ist (was den Knall anbelangt), oder ob das für alle Ultratrailläufer gilt.


Vorgeschichte

Angefangen hat alles vor ein paar Jahren, als Erik erzählt hat, er wolle den Karwendelmarsch mitmachen. Davor hatte ich keine Ahnung, dass es sowas wie Ultratrail-Wettbewerbe überhaupt gibt und ich wollte auch keine Ahnung davon haben. Leider haben Eriks und Katrins begeisterte Erzählungen nach dem Event in meiner Frau tief im Inneren und für mich damals nicht erkennbar erste Schwingungen ausgelöst. Sichtbar wurde das, als die beiden ankündigten, den Lauf im Karwendelgebirge nochmal machen zu wollen und Uta erstmalig anfragte, ob wir denn nicht auch mitlaufen wollen. WAS? Zur Erinnerung: 52km, 2200 HM! Lass mich kurz überlegen – äh – NEIN! „Ja aber wir könnten doch die kurze Strecke…“ – NEIN!

Um zu verstehen, dass ich damals nicht aus Prinzip, mangelnder Trainingsbereitschaft oder Böswilligkeit so kategorisch die Teilnahme abgelehnt habe, muss man wissen, dass ich auf Erfahrungswerte bezüglich unserer Freizeitgestaltung zurückgegriffen hatte. Ich bin damals zu der - nebenbei bemerkt absolut realistischen – Einschätzung gelangt, dass wir aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage und willens sind, uns auf so einen Lauf ordentlich vorzubereiten. Uta hatte dann nach längeren Versuchen aufgegeben und ich war der Meinung, das Thema Trail-Wettkampf wäre damit für alle Zeiten abgehakt. Weit gefehlt, denn dann kam im letzten Jahr Eriks erste Teilnahme am E101, dem Ultra-Trail am Eiger in Grindelwald (hatte ich schon erwähnt, dass jemand, der sowas macht, einen Knall hat? Aber so was von!).

Die Geschichten über den Eigerlauf von Erik und auch von Katrin und Sabine, die 2017 den E35 mitgelaufen waren, ließen die Schwingungen in Uta und damit die Diskussionen um ein weiteres Trailrunning-Team aus der Familie Drollinger erneut aufflammen. Nachdem Erik 2018 erneut am E101 teilnehmen wollte und Katrin und Andrea ankündigten, diesmal den E16 mitzulaufen, wurde ich wieder von allen Seiten bearbeitet. Schließlich gab ich den Widerstand auf und erklärte im Oktober 2017 meine Bereitschaft, zusammen mit Uta sowie Katrin und Andrea von TrailrunningHD den E16 mitzumachen. Später stießen dann noch weitere Leute zum Team dazu, Esra, Bernd und Wolfgang. Ausschlaggebend war für mich zum einen die Überlegung, dass wir die 16km selbst bei moderater Vorbereitung gut mitlaufen und das Zeitlimit von 4 Stunden schaffen könnten. Vor allem aber der Titel des E16 hatte es mir angetan: Genusslauf. Das klang so gar nicht nach Anstrengung, sondern nach Barfußlaufen über Blumenwiesen, verweilen an schönen Aussichtspunkten und einem kühlen Bierchen im Berggasthof. Nun ja, in wieweit das stimmte, sollten wir noch sehen.

Die Anmeldung war Formsache und nach anfänglichen Planungen bezüglich Vorbereitung, sprich z.B. längeren Trainingseinheiten mit ordentlichen Steigungen, geriet das Thema wieder in den Hintergrund. Es war ja gerade mal Oktober und noch so lange Zeit.


Die Vorbereitung zu Hause

Dieses Kapitel könnte entsprechend dem Aufwand, den wir für die Vorbereitung auf den E16 getrieben haben, eigentlich relativ kurz gehalten werden. Wie oben erwähnt, war meine frühere Einschätzung unserer Freizeitgestaltung leider sehr realistisch gewesen.

Nach der Anmeldung zum E16 im Oktober 2017 waren schon wieder ein paar Monate vergangen, als wir Anfang 2018 endlich erkannt haben, dass wir vielleicht doch ein bisschen was tun müssen. Uta war in dieser Hinsicht konsequenter und schneller als ich. Sie hatte sich flott im Marathonshop in Wiesloch zwei Paar gute Trail-Schuhe besorgt (vielen Dank an Klaus für die super Beratung) und nutzte von da an die Tatsache, dass sie täglich mit dem Hund raus muss, für längere und flottere Spaziergänge.

Bei mir stand in erster Linie die Auswahl des richtigen Schuhwerks im Vordergrund. Ich bin seit Jahren zunehmend überzeugter Barfußläufer und trage kaum noch „normale“ Schuhe. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, einen Traillauf in den Bergen barfuß, oder mit den mir zur Verfügung stehenden Five-Fingers, Sole-Runners oder Laufsandalen von Nakedshoes zu absolvieren. Meine alten Jogging-Schuhe, oder richtige Trailschuhe wie Uta wollte ich nicht nehmen, weil mir darin immer die Füße einschlafen. Die Box ist bei diesen Schuhen in der Regel viel zu schmal für meine Waldbrandaustreter. Bei meiner Suche im Netz bin ich dann bei den Merrell Trail Glove hängen geblieben. Bestellt, ausprobiert und für gut, bzw. akzeptabel befunden.

In der Folge habe ich Uta ein paar Mal auf längeren Spaziergängen begleitet, aber von echtem Training konnte nach wie vor bei uns beiden keine Rede sein. Dann kamen leider noch körperliche Probleme hinzu, zunehmende Schmerzen in der Hüfte bei mir und eine Verletzung im Fuß vom Snowboarden bei Uta. Das Laufpensum ging damit weiter zurück und langsam kam Unruhe auf, ob wir die 16km mit knapp 1000 HM wirklich schaffen können. Uta ist in solchen Momenten meist etwas flotter im Denken und hatte irgendwann die zündende Idee: „wir probieren das einfach aus“. Gesagt getan, schnell war für Pfingsten ein Platz auf dem Camping Gletschergrund in Grindelwald gebucht.

Bis Pfingsten hatten wir es dann immerhin geschafft, einmal (richtig, nicht verlesen: genau ein einziges Mal) einen längeren Spaziergang zum Weißen Stein in Heidelberg zu machen. Die Unruhe nahm zu, aber nicht das Training.


Trainingslager an Pfingsten in Grindelwald

Um die schon langsam länglich werdende Geschichte etwas abzukürzen, schildere ich das „Trainingslager“ möglichst komprimiert.

Damit wir uns langsam herantasten und gleichzeitig noch etwas Bergtourismus betreiben konnten, hatten wir die Trainingstage wie folgt geplant:

Tag 1: Ablaufen einer ersten, kurzen Teilstrecke zum warmwerden.

Tag 2: Aufstieg von Grindelwald direkt nach Bort, von dort hochlaufen zum Gasthaus Waldspitz, Übernachtung.

Tag 3: Abstieg vom Waldspitz und laufen des letzten Teils vom E16.

Tag 4: Ablaufen der gesamten E16-Strecke.

Im Wesentlichen haben wir das genauso durchgezogen. Ab dem dritten Tag mit schweren Beinen, aber insgesamt nicht allzu kaputt. Verschiedene Teilerkenntnisse aus den vier Tagen:
  • Warum haben wir uns nur angemeldet? Trailrunning ist doch gar nichts für uns, wir wandern viel lieber nicht allzu lange Strecken, genießen eine Pause im Berggasthof oder tolle Ausblicke. Wie blöde muss man sein, um so eine schöne Landschaft rennenderweise zu durchqueren?
  • Ich, auf den Anstiegen der ersten Laufhälfte: „Mist, Uta ist ja bergauf viel langsamer als ich“
  • Uta, auf einem der letzten, steileren Anstiege vor Bort: „Die spinnen, die haben alle einen Knall, ich kann nicht mehr“
  • Ich, kurz vor dem letzten, schmalen Anstieg vor Bort angesichts meiner Höhenangst: „Die spinnen, die haben alle einen Knall, ich will nicht mehr“.
  • Ich, kurz nach der Pause in Bort, auf einem leichteren Abstieg: „Mist, Uta ist ja bergab viel schneller als ich“.
Obwohl wir insgesamt unseren Urlaub in Grindelwald sehr genossen haben, die frische Luft, das tolle Panorama, die viele Bewegung, fuhren wir mit der Erkenntnis nach Hause, dass wettkampfmäßig Trail-Laufen wirklich nichts für uns ist. Unser Entschluss: wir machen das genau einmal mit, quasi als Familienevent und danach nie wieder.

In der Zeit nach Pfingsten hatten wir dann verschiedene Verdrängungsstrategien und Ausreden parat, um nicht intensiver trainieren zu müssen. Ich musste mich ja unbedingt auf einen harten, entbehrungsreichen Yoga-Workshop Anfang Juni vorbereiten und Uta hat Richtung Schuljahresende ja bekannterweise immer viel zu viel zu tun. Am Ende haben wir noch genau einen längeren Spaziergang mit den Nachbarn und unseren Hunden gemacht und damit die Vorbereitungsphase abgeschlossen.


Das Event – Eiger E16 Genusstrail

Nach unseren Erkenntnissen aus dem Trainingslager sind wir - natürlich mit gewissen Vorbehalten - am 13. Juli erneut nach Grindelwald gereist. Aber dem Flair eines so großen Events kann man sich eben doch nicht ganz entziehen. Das fängt für Neulinge wie uns schon bei der Ausgabe der Startnummern an. Was wohl in der Merchandising-Tüte ist? Erste Fotos vor dem Eventplakat. Pasta-Party und Kennenlernen anderer Teilnehmer. Gespräche mit den anderen Leuten vom TrailrunningHD-Team, das Spüren der Vorfreude, Aufregung, Spannung, aber auch Unsicherheit, z.B. bei Erik, der an den Spätfolgen eines langwierigen Infekts litt, Uta und mir als Neulingen, oder Sabine, die erkannt hatte, dass sie sich mehr mit der Marschtabelle für uns E16er anstatt ihren eigenen Cutoff-Zeiten beschäftigt hatte. Mit gemischten Gefühlen sind wir alle zu Bett.

BUMMMMM!

Obwohl Katrin uns vorgewarnt hatte, kam mir unweigerlich beim Donner der Startkanone für den E101 nachts um 4 Uhr der Gedanke, dass die wirklich wortwörtlich alle einen Knall haben. Ich hatte nicht geglaubt, dass da tatsächlich ganz Grindelwald wackelt.

Da wir eh wach waren, haben wir uns schnell auf den Balkon unseres Hotels gestellt, welcher glücklicherweise nach vorne zu Straße und damit zur Laufstrecke ging. Und da kamen auch schon die ersten Läufer. Es war für Uta und mich zum Teil gespenstisch, aber auch ein echter Gänsehautmoment, das leise Tapp-Tapp der um die 1000 Läufer zu hören, die durchs nächtliche Grindelwald ihre ersten Meter des langen E101 zurücklegten. Das Wissen, dass viele von Ihnen den ganzen Tag bis in die nächste Nacht hineinlaufen würden, sorgte für ehrfürchtiges Innehalten. Dann konnte ich gerade noch Erik am Rand des Feldes ausmachen als er schon fast vorbei war und hab ihm trotz schlafender Nachbarn ordentlich hinterher gebrüllt. 

Zum Glück hatten wir E16er, dem Namen Genusslauf entsprechend, ein entspannteres Programm. Noch ein paar Stunden Schlaf, ordentlich frühstücken, Sabine zum E51 verabschieden und dann gemütlich gegen halb 9 Uhr Richtung Start spazieren. Dort angekommen, haben Uta und ich noch ein paar Fotos gemacht, während die anderen sich lieber warmlaufen wollten.

Entsprechend der Leistungseinschätzung nach unserem Testlauf an Pfingsten, sortierten Uta und ich uns kurz vor 9 Uhr ganz hinten in der Startzone ein, während die anderen sich weiter nach vorne drängelten. Das entsprach auch unserem Plan zur Annäherung an die erste Engstelle, die wir nach wenigen Kilometern erwarteten. Vorne weg laufen war nicht, also galt es, Energie zu sparen und unnötiges Herumstehen zu vermeiden.

Wenige Sekunden vor dem Startschuss war dann doch ein ordentliches Kribbeln und Nervosität zu spüren. Auch wenn meine letzten Wettkämpfe mittlerweile über 35 Jahre zurückliegen, kamen bei mir als früherem Leichtathleten beim Warten auf den Knall ganz alte Erinnerungen hoch.

Dann der Schuss, das Feld setzte sich langsam in Bewegung, wurde schneller. Nach einem kurzen, flotten Start fielen wir für die ersten zwei Kilometer in eine Mischung aus gemütlichem Trab und schnellem Gehen. Unsere Taktik ging voll auf, als wir bei der Engstelle ankamen waren die meisten Läufer schon durch und wir mussten nur wenige Minuten warten. Im Umkehrschluss bedeutete das aber auch, dass wir mit ein paar Anderen die Allerletzten im Feld waren. Diese Position haben wir dann über die gesamte Laufstrecke erfolgreich verteidigt.

Laufmäßig gibt es über den Rest der ersten Hälfte nicht allzu viel zu sagen. Langsam, entsprechend unseres Trainings teilweise sehr langsam, bewegten wir uns den Berg hoch, nur noch umgeben von wenigen anderen Läufern. Beim ersten Verpflegungspunkt am oberen Gletscher waren wir noch ganz gut in der Zeit, danach gerieten wir mehr und mehr in Rückstand. Aber das hatte der Sprecher am Start ja allen Läufern geraten: es heißt Genusslauf und je länger Ihr lauft, desto länger dauert der Genuss.

Ein paar Einzelheiten zum Anstieg:
  • Für uns als Neulinge interessant, dass von Helfern, Zuschauern und auch zufällig vorbeikommenden Wanderern selbst die allerletzten Krücken wie wir noch beklatscht und angefeuert werden. Das ist schön und motiviert, nicht direkt wieder aufzugeben.
  • Die Helfer haben, obwohl sie teilweise sehr lange in der Gegend herumstehen und auf uns Nachzügler warten mussten, ihren Humor nicht verloren. Bemerkung einer jungen Dame zum isotonischen Getränk: „schmeckt eklig, hilft aber“.
  • Man kann, auch wenn man nicht unbedingt gut in der Zeit liegt, immer noch Zeit für ein paar Selfies erübrigen.
  • Die Einheimischen können wohl nicht immer nachvollziehen, was uns antreibt, so durch die Berge zu marschieren. Uta kam bei den steilen Stufen auf dem vorletzten Anstieg vor Bort wie schon an Pfingsten wieder an ihre Grenze und musste sich erschöpft auf Ihre Stöcke stützen. Als ich ihr aufmunternd und gut zusprechend den Rücken tätschelte, fiel mein Blick auf einen Mann, der uns auf der Wiese stehend mit verständnislosem Blick und kopfschüttelnd ansah und sich dann, immer noch kopfschüttelnd, entfernte ...
Nachdem wir das letzte, kurze, steile Stück vor Bort bewältigt hatten, wollte ich schon aufatmen. Im Bewusstsein, dass Uta im Abstieg deutlich schneller ist als ich, ging ich davon aus, dass wir jetzt das Feld von hinten aufrollen würden. Na ja, zumindest einen Teil, denn die ersten waren um die Zeit ja schon lange im Ziel.

In Bort gab’s eine kurze Pause, weil Uta für kleine Mädchen musste. Ich nutzte die Zeit, um ein paar Energieriegel zu verzehren und dachte dabei wehmütig an mein Pausenbier an Pfingsten zurück. Wie war das doch gleich mit „Genusslauf“?

Direkt nach Bort kam erstmal wieder Ernüchterung. Uta blieb nach wenigen Metern Steigung stehen und meinte „ich kann nicht mehr“. Ich sah uns schon in der Gondel von Bort bergab fahren, aber nach kurzem Durchschnaufen schleppten wir uns dann doch weiter und wurden dann immer flotter. Im Nachhinein vermute ich, dass durch den kurzen Aufenthalt die Muskulatur hart geworden war, oder der Kreislauf einen Hänger hatte.

Wie gerade geschrieben ging es dann immer flotter, teilweise mit kurzen Laufeinlagen wieder zurück Richtung Grindelwald. Jeder kleine Anstieg kostete zwar wieder Zeit und Luft, aber insgesamt war die Stimmung besser und wir fanden trotz allem noch Zeit, ein paar andere Nachzügler zu fotografieren und uns im Gegenzug auch ablichten zu lassen. Ansonsten ist über den ersten Teil der zweiten Laufhälfte nach Bort nicht allzu viel zu sagen. Es gibt dort keine starken An- oder Abstiege, die Wege sind fast alle recht breit, dadurch kann man es gewissermaßen „genießerisch“ bergab laufen lassen.





Auf der schönen, aber steilen Wiese, die Richtung Grindelwald den eigentlichen „Abstieg“ einläutet, gaben wir dann für unsere Verhältnisse richtig Gas und überholten noch ein paar ältere Damen (also wenig älter als wir, soll das heißen) und ein asiatisches Pärchen, welches wir gerade noch fotografiert hatten. Irgendwie fühlte sich das ganz gut an, auch wenn durch das schnelle Bergabrennen die Oberschenkel hart wurden. Bei mir machte sich dabei schmerzhaft bemerkbar, dass ich die falschen, (weil zu dünn und zu glatt) Socken ausgewählt hatte. Ich rutschte bergab im Schuh nach vorne und irgendwann taten die Zehen ziemlich weh. Hätte ich mal doch meine neuen Lunas angezogen. Ansonsten kam ich mit den Merrell Trail Glove bis dahin aber sehr gut klar.

Nach dem letzten, quälenden wenn auch nicht steilen Anstieg von ein paar hundert Metern bogen wir endgültig Richtung Grindelwald ab.  Motiviert durch das näher kommende Ziel und den Wunsch, vielleicht doch etwas besser zu sein als die ursprünglich von mir angepeilten 3:59, behielten wir das hohe Tempo bei und überholten noch ein paar Leute. Ich merkte, dass Laufen mit kleinen, schnellen Schritten für mich besser war als flottes Gehen und so wieselte ich weiter bergab die ersten asphaltierten Wege und damit letzten paar hundert Meter der Strecke in Grindelwald entlang und wechselte mich mit Uta in der Führung ab.

Als es endlich flach wurde meinte Uta „ich kann nicht mehr rennen“. Angesichts der immer mehr werden Zuschauer und Helfer, die uns frenetisch feierten (vermutlich, weil sie wussten, dass wir mit die Letzten waren und sie dann endlich Pause machen konnten) und schon sichtbarer Einlauftore, konnte ich dieser Schwäche nicht nachgeben und wir trabten gemeinsam die Rampe runter ins Ziel. So ein Zielleinlauf hat schon was, muss ich entgegen unserer früheren Vorbehalte zugeben.




Wir bekamen direkt den Eiger-Stein umgehängt und wurden von den anderen E16-Teilnehmern des Trailrunning-HD-Teams beglückwünscht. Falls ich es noch nicht erwähnt hatte: ein Event, zumal als Neuling, mit einem so tollen Team erleben zu dürfen ist schon etwas Besonderes. Bei Uta liefen nach dem Abfallen der Anspannung und der emotionalen Begrüßung durch die Anderen erstmal die Tränen und wir genossen beide im Schatten noch ein wenig die Stimmung im Zielbereich. Schade nur, dass Uta am Verpflegungsstand gesagt wurde, dass Melonen und Chips nur für die längeren Läufe gedacht sind. Auch wenn der E16 vom Anspruch sicher in keiner Weise mit den langen Läufen vergleichbar ist finde ich es nicht nett solche Unterschiede zu machen.


Ausklang

Den Rest des Tages ließen wir dann in vielen Gesprächen über das Erlebte je nach Vorliebe bei Eis, Kaffee oder einem wohlverdienten Bierchen ausklingen. Die Nachrichten von den DNFs von Erik und Sabine drückten zwar zwischendurch etwas die Stimmung, aber beide schienen zum Glück im Einklang mit ihrer Entscheidung zu sein und am Ende wurde der Tag nochmal mit einem schönen Essen gekrönt, wofür Erik in weiser Voraussicht schon einen Tisch bestellt hatte.


Fazit

Trotz der schon erwähnten, vielen Vorbehalte, die Uta und ich vor der Teilnahme am E16 2018 hatten, war das für uns beide ein wirklich tolles Wochenende. Die neue Erfahrung, an so einem Laufwettbewerb teilzunehmen und trotz miserabler Vorbereitung das Ziel ganz gut zu erreichen machte uns beide am Ende sehr zufrieden.

Wichtigste Erkenntnis: mit einem guten Team ist alles nochmal so schön und Niederlagen sind weniger schmerzhaft.

Am Ende stellt sich für Uta und mich natürlich die Frage: werden wir nochmal an einem Trail-Wettbewerb teilnehmen, vielleicht sogar regelmäßig? Wir können beide mit einem klaren „vielleicht“ antworten. Es gab für uns viele positive Momente, die tolle Stimmung im Team, aber auch einige Fragen, speziell bei mir. Den E16 würde ich nicht nochmal laufen wollen, weil ich ihn insgesamt doch eher langweilig finde. Zu versuchen, den einfach noch schneller zu laufen, motiviert mich nicht sonderlich. Für die längeren Läufe müsste ich aber zum einen meine Höhenangst in den Griff kriegen und außerdem den zunehmenden Schmerzen in der Hüfte nachgehen. Außerdem wäre dafür doch deutlich mehr Vorbereitung nötig. Aber ein bisschen reizen würde es mich schon, mal einen „richtigen“ Trail-Lauf mitzumachen.

Last but not least komme ich zur eingangs gestellten Frage, ob Ultratrail-Läufer wirklich einen Knall haben. Auch wenn es sicher einige Momente gab, wo ich angesichts dessen, was speziell die Teilnehmer des E101 zu leisten hatte, diese Frage direkt mit „Ja“ beantwortet hätte, kann ich mir ehrlicherweise kein abschließendes Urteil erlauben. Der E16 ist, wie schon gesagt, nicht mal ansatzweise mit längeren Strecken zu vergleichen und so konnte ich mir weder über die Strapazen, noch über mögliche euphorische Momente wirklich ein Bild machen. Bleibt die Frage, ob ich das unbedingt durch eigene Erfahrung verifizieren muss, oder lieber ignoranterweise einfach bei meiner Einschätzung bleibe: Ultra-Trailläufer haben einen Knall!
 




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