von Sabine
Mittenwald, 16. Juni 2018, 9:59. Sie spielen „Highway to Hell“. Gleich werden sich Katrin und ich auf den „Highway through Hell“ machen … auf den Zugspitz Basetrail XL. Angekündigt sind 25° und Sonne den ganzen Tag. So schön das klingt – das kann auch mal die Hölle werden …
Wie schon beim letztjährigen Eiger E35 stehen wir nur mit einem „Rumpfteam“ am Start. Andrea kann nicht laufen – sie hat „Rücken“. Besser gesagt: Hexenschuss. Noch besser gesagt: Eine Bandscheibenprotrusion. Aber sie hat sich im Hotelzimmer unser „Lagezentrum“ eingerichtet. Mit Wanderkarte, Marschtabelle, Laptop mit den offiziellen Durchgangszeiten und Handy für unsere (inoffiziellen) Meldungen verfolgt sie das Geschehen.
Auch Erik ist mit am Start – aber von dem haben wir uns nach der Rucksackkontrolle verabschiedet. Er wird die gleiche Strecke und dennoch ein anderes Rennen laufen. Er stellt sich ganz vorn in den Startblock, während wir uns eines der wenigen Schattenplätzchen im hinteren Bereich gesucht haben, um wenigstens jetzt noch einen kühlen Kopf zu behalten.
Der Startschuss fällt - und wir setzen uns in Bewegung. Zunächst im Schritttempo, dann im langsamen Trab. Auf den ersten 600 Metern geht es durch Mittenwald, bevor wir dann für 37 km den Asphalt hinter uns lassen. Einige Zuschauer – Betreuer wie zufällige „Zaungäste“ – jubeln uns zu. Es geht in Richtung Kurpark, wo der erste Aufstieg beginnt. Und wo der Stau auf uns wartet. Hier geht kurz mal nichts mehr, denn die breite Straße verjüngt sich in einen schmalen Weg. Katrin und ich schauen uns um. Wir sind doch tatsächlich die Letzten! Hinter uns ist nur noch die Feuerwehr, und die „Besenfrau“, die jetzt schon die Wegmarkierungen wieder einsammelt.
Die Damengruppe vor uns – sozusagen an vorletzter Stelle liegend – stellt schon Überlegungen zur Renntaktik an: Irgendwer hat gelesen, dass es bei medizinischer Hilfeleistung eine Zeitgutschrift gibt. Und jetzt planen sie, im Ziel zu sagen, dass sie sich gegenseitig mindesten eine halbe Stunde geholfen haben – damit müsste doch dann der Cutoff zu knacken sein 😉.
Ja, es ist witzig und sehr kreativ am Ende des Felds.
Zunächst geht es aber weiter. Der Weg schraubt sich in steilen Serpentinen hoch, dazu wird er auch noch von der kräftigen Morgensonne beschienen. Aber das erste Steilstück ist schnell vorbei, es folgt ein welliger Bereich. Es gibt einige Läufer, die eher die Stop-and-Go Taktik verfolgen. Sie sprinten in einen steilen Berg, um dann stehen zu bleiben. Wir versuchen es eher mit Effizienz. Gehen am Berg, Laufen im Flachen und bergab. Der Lauf ist noch lang genug, und es wartet noch einiges auf uns, was uns alles abverlangen wird.
Schließlich sind wir auf dem Hochplateau, wo der Lautersee und der Ferchensee vor der Hochgebirgskette des Wettersteins liegen. Wunderschön! Mehrmals stellen wir fest, dass das genau das Gelände für Elli wäre. Elli, der Hund von Katrin und Erik und das einzige vierbeinige Mitglied von TrailrunningHD, würde jetzt bestimmt schon im See baden. Da müssen wir nochmal hin – aber ohne Wettkampfstress. Dafür mit Hund.
Schon nach knapp 5 km erwartet uns die erste Verpflegungsstelle. Da erst in 14 km die nächste folgen wird, greifen wir schon hier richtig zu. Und was für ein Buffet! Es gibt ALLES! Sogar Tomaten und Mozarella. Das habe ich ja noch nie an einer Verpflegungsstation gesehen. Das beste aber – an allen Verpflegungsposten – sind die Wassermelonen. Super süß und erfrischend! Wir schlagen uns damit den Bauch voll, nehmen auch noch etwas Salz, füllen die Softflasks auf – und weiter geht’s.
Andrea gibt uns per Handy durch, dass Erik eher verhalten gestartet ist. Hmm. Wenn wir jetzt wüssten, warum das so ist. Hat er es tatsächlich geschafft, das Rennen verhalten anzugehen? Oder macht sein Knie Probleme? Wir beschließen, dass wir heute positiv denken und sind der festen Überzeugung, dass Erik heute ganz kontrolliert läuft.
Der Weg in Richtung Elmau ist breit, geschottert und gut zu laufen. Zuerst geht es leicht wellig durch den Wald, dann abwärts. Glücklicherweise spenden die Bäume immer mal wieder Schatten – und es weht ein kühles Lüftchen. Das tut gut. Dann geht es ein Stück über einen unangenehmen Pfad steil nach unten. Unangenehm, weil wohl das Unwetter vom Dienstag hier eine tiefe Rinne hinterlassen hat. Jetzt bloß nicht in die Rinne treten und umknicken. Aber schnell ist auch dieser Abstieg geschafft. Unten angekommen machen wir ein Foto von Schloss Elmau, ich gebe kurz die Zwischenzeit an Andrea durch, und dann steht schon der nächste Anstieg an: Zum Wamberg.
Nach dem Anfangsanstieg über Mittenwald ist das der erste richtige Test, wie gut wir „drauf“ sind. Ich will mich heute eigentlich ein bisschen zurückhalten – schließlich ist der ZUT für mich nur ein „Trainingswettkampf“ vor dem E51 im Juli. Andererseits ist Katrin dieses Jahr fit – SEHR fit! Sie nimmt in ihrem charakteristischen Berg-Stakkato jede noch so steile Steigung. Für sie ist es der Hauptwettkampf. Da werde ich mich ganz schön anstrengen müssen, um überhaupt mithalten zu können. Zurückhalten kann ich mich da kaum …
Plötzlich habe ich ein heiß-kribbelndes Gefühl an meiner linken Wade. Ich schaue zurück – es ist eine Bremse, die sich gerade Blut „abzapft“. Ich lasse einen Fluch los, und Katrin denkt, ich hätte mich verletzt. Mit Hand und Stock versetze ich diesem Blutsauger ein Schädel-Hirn(?)-Trauma, das sich gewaschen hat. Wie kann so ein Vieh es wagen, mir dort das Blut herauszuziehen, wo ich es gerade am meisten brauche.
Trotz temporärer Blutarmut in der linken Wade kommen wir gut und schnell voran. Wir erreichen die Elmauer Alm. Die Gäste klatschen Beifall, als wir vorbeilaufen. Eine Frau sagt: „Darf ich sie mal was fragen? Sind Sie denn alle gleichzeitig losgelaufen?“ NEIN! Natürlich nicht! Wir haben den Gerippen, die schon vor einer Stunde hier vorbeikamen, einen ordentlichen Vorsprung gelassen, damit sie nicht so frustriert sind. - Ich beiße mir auf die Zunge und antworte wahrheitsgemäß, dass wir natürlich alle gleichzeitig losgerannt sind und auch die gleiche Strecke … nur dass wir eben auch etwas mehr von der schönen Landschaft mitbekommen.
Es geht jetzt nochmal steil nach oben, dann haben wir den Bergrücken erreicht, der sich zwischen Wamberg und Eckbauer aufspannt. Aber wie immer auf solchen Höhenwegen: Man bleibt nicht auf der gleichen Höhe, sondern es ist ein stetes auf und ab. Es geht über wunderschöne Bergwiesen, von denen aus man auf der linken Seite die Wettersteinkette und das Reintal erkennt. Und auf der anderen Seite sehe ich schon den Osterfelder Kopf. Aber das verschweige ich Katrin. Es ist nicht immer sinnvoll, die gesamte Grausamkeit eines Laufs vor Augen zu haben.
In den kurzen bergab-Passagen teste ich mein Knie. Nein, nicht nur Erik hat „Knie“, sondern auch ich. Ich vermute, dass ich mir beim Trainingswochenende in der Schweiz auf den tiefen Wiesen mit Viehtritt ein bisschen das Knie verdreht habe, ich habe etwas Schmerzen an der Außenseite, vorwiegend in Situationen ohne Belastung. Bei Belastung merke ich nichts. Vorsichtshalber habe ich es gut mit Kinesio Tape stabilisiert. Auch meine Schulter ist getaped. Und die Achillessehnen. Und zwei Tapes unterm BH sollen mögliche Scheuerstellen verhindern.
Kinesio Tape wird bei mir immer und überall eingesetzt. Und es wirkt! Ich bin der festen Überzeugung, dass man mit Kinesio Tape fast alle Probleme der Welt lösen könnte. Tatsächlich. Man stelle sich nur mal vor, man würde dem orangefarbenen Wischmopp, der gerade auf der anderen Seite des großen Teichs sein Unwesen treibt, einfach mal einen Streifen Kinesio Tape über seine stets weit aufgerissene Klappe kleben. Und dazu auch noch seine kleinen Twitter-Fingerchen mit Kinesio-Tape fixieren. Ich sage Euch: Unsere Welt wäre eine bessere.
Aber was soll’s. Ich kann mich heute nicht um die Weltpolitik kümmern, sondern nur um mein Knie. Und da hilft jedenfalls das Kinesio Tape. Keine Schmerzen beim hinunterlaufen. Das lässt hoffen, dass das Knie auch den Jägersteig durchhält.
Mehr Probleme machen mir derzeit die vielen kleinen spitzen Steinchen, die meine HOKA Speedgoat aufgesammelt haben und die inzwischen meinen Fußsohlen ganz schön zusetzen. Ich sage Katrin, dass ich vor dem Downhill beim Eckbauer dringend die Schuhe ausleeren muss. Doch dann beginnt dieser Downhill plötzlich und Katrin flitzt davon. Verdammt! Jetzt habe ich den geeigneten Zeitpunkt zur Schuhleerung versäumt. Es kommen zwar noch einige Stellen, wo ich das hätte gut und gerne nachholen können … aber ich laufe dann doch weiter. Eine sehr dumme Entscheidung! Denn so kann ich diesen ansonsten super schön zu laufenden Downhill nicht genießen. Ich fühle mich wie ein Fakir auf einem Nagelbrett. Ich laufe verhalten – noch verhaltener, als ich sonst die Downhills angehe – weil es mir ständig in die Fußsohlen piekst. Katrin ist schon längst meinem Blickfeld entschwunden.
Dann geht es endlich über die Partnach. Ich mache schnell ein Foto, dann nehme ich den Aufstieg in Angriff, denn ich will nicht noch mehr Zeit auf Katrin verlieren. Ein Schild sagt mir „Nächste Verpflegungsstelle: 500 Meter“. Das kann ja nicht so weit sein. Und schließlich hatte ich die Partnachalm von der anderen Seite schon gesehen.
Aber es werden die längsten 500 Meter dieses Rennens. Ich fühle mich plötzlich, als hätte mir jemand den Stecker gezogen. Ich trinke zwar nochmal was, aber ich habe kaum mehr Energie. Das wird heute nichts. Ich werde wohl Katrin ziehen lassen müssen und selbst den Lauf als Wanderung beenden. Weit über dem Cutoff. Und den E51 kann ich vergessen. Am besten melde ich mich gleich dieses Wochenende noch ab und fahre als Betreuerin mit. Vielleicht bekomme ich ja noch einen Startplatz für den E16.
Während ich so die negativen Gedanken wälze und Pity-Party feiere, lichtet sich der Wald, und nach einem weiteren Aufstieg erreiche ich endlich den zweiten Verpflegungspunkt. Katrin kann ich nirgendwo sehen. Hat sie vielleicht auch gemerkt, wie schlecht ich drauf bin und ist alleine weitergerannt?
Ich greife mir gleich zwei Stücke Wassermelonen. Tut das gut!! Ein drittes Stück salze ich leicht. Dann noch eine saure Gurke. Auch die geht super rein! Dann zwei Becher Cola. Langsam kehren die Lebensgeister wieder zurück. Und plötzlich sehe ich Katrin. Sie steht in der Ecke, wo es die Wassermelonen gibt. Hatte ich sie vorhin nicht gesehen oder war sie da auf der Toilette? Egal. Ich fülle meine Wasserblase, die ich fast ganz ausgetrunken habe. Wahnsinn, was ich heute für einen Durst habe! Mit einem Becher Cola und einem weiteren Stück Wassermelone in der Hand setze ich mich neben Katrin und eine weitere Läuferin auf die Bank. Wir unterhalten uns – und Katrin fragt mich, ob ich schon was von Erik gehört habe. Die Läuferin fragt: „Meint Ihr Erik von TrailrunningHD?“
Ich bin fassungslos. Es ist doch tatsächlich Claudia AKA Feuerpferdle, mit der ich vorher schon per Facebook Kontakt hatte. Das ist ja wirklich lustig. So klein ist die Welt …
Aber es wird Zeit zum Aufbruch. Wir schnappen uns unsere Stöcke, versuchen die Zwischenzeit an Andrea durchzugeben (schwierig, denn an dieser Stelle habe ich kein Handynetz), und so geht es auf die zweite Hälfte der Strecke.
Zuerst zieht sich ein Schotterweg hoch über dem Partnachtal in Richtung Reintal. Ein Stückchen sogar bergab. Uns überholen einige schnelle Läufer und Läuferinnen vom Supertrail. Claudia, die auch wieder auf uns aufgelaufen ist, weist uns darauf hin, dass uns gerade Laura Dahlmeier passiert hat. Hammer! Diese Frau macht ja wirklich fast jeden Sport, den es gibt. Und das richtig gut … Sie sollte schließlich Dritte werden!
Der Schotterweg zieht und zieht sich, wir können es kaum erwarten, die Hauptsteigung in Angriff zu nehmen. Endlich: Die Markierungen zweigen rechts vom Hauptweg ab, und es geht nun – zunächst auf einem breiten Weg – steiler nach oben. An einer Viehtränke bei der Laubhütte mache ich nochmal meine Kappe und Bandana nass, denn die Sonne brennt jetzt gnadenlos.
Was nun folgt, ist der große Anstieg. Der Zugspitz Basetrail XL zerfällt in zwei recht unterschiedliche Hälften: Während man auf der ersten Hälfte in welligem Gelände mit nur drei mittellangen Anstiegen 800 Höhenmeter überwinden muss, gilt es in der zweiten Hälfte die restlichen 1100 Höhenmeter an einem Stück innerhalb von etwa 7 km zu sammeln. Das kann ganz schön schwierig werden, wenn man auf der ersten Hälfte zu viele Körner verschossen hat.
Der breite Weg endet, es geht ziemlich unvermittelt auf einem Pfad weiter. Hier muss die Bodenlaine, ein kleiner Bach, gequert werden sowie der eine oder andere Baumstamm. Einige Läufer des Basetrail XL sitzen rechts oder links des Weges und erholen sich. Bei uns beiden macht Katrin das Tempo. Das ist nicht übermäßig schnell, aber super gleichmäßig und wir schrauben uns so Serpentine um Serpentine nach oben, ohne stehen bleiben zu müssen. Nur einmal machen wir für eine Minute Halt, um kurz was zu essen und zu trinken. In diesem gleichmäßigen Schritt sammeln wir Läufer um Läufer ein. Alle, die jetzt noch an uns vorbeiziehen, sind die schnellen Läufer des Supertrail.
Wir erhalten Nachricht von Andrea. Erik nähert sich dem Ziel. Sie schafft es kaum noch, vom Hotel rechtzeitig dorthin zu kommen, so schnell brettert er den Jägersteig hinunter. Dann wieder eine Nachricht: Erik ist Erster in der Kategorie Senior Masters. Unglaublich!! Das beflügelt uns jetzt noch mehr!
Den Weg durch den Stuibenwald hatte ich mir eher hässlich vorgestellt. Viele Leute im Vorfeld fluchten darüber. Aber der Weg ist sehr schön. Ein enger Pfad durch einen wilden Wald, der durchsetzt ist mit Felsbrocken, die gut und gerne als Boulder-Felsen herhalten können. Stets geht es in gut definierten Serpentinen nach oben. Mittlerweile haben wir 1400 Höhenmeter auf unserem Konto und hören von oben schon erste Anfeuerungsrufe. Das muss von der Stelle kommen, wo unser Pfad auf den breiten Weg zwischen Kreuzeck und Hochalm mündet. Tatsächlich – gerade überholen uns noch zwei nette spanische Läufer, dann sehe ich auch schon das jubelnde Volk.
Jetzt fehlen noch knapp 400 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt. Allerdings sind die auf einem Weg zurückzulegen, der weder Katrin noch mir behagt: Ein breiter, aber recht steiler Schotterweg. Wieder ein Schild: „Noch 500 Meter bis zum nächsten Verpflegungspunkt“. Diesen – die Hochalm – können wir jetzt aber schon sehen. Und wenn wir weiter nach links blicken, eröffnet sich eine tolle Aussicht zum Wettersteingebirge. Wenn ich etwas mehr Zeit hätte, würde ich versuchen, das Königschloss Schachen auf dem gegenüberliegenden Bergzug auszumachen. Aber Zeit haben wir jetzt nicht. Denn wir haben nur 30 Minuten Vorsprung auf den Cutoff … und ich bezweifle, dass ich den Downhill im Zeitlimit schaffen werde.
Trotzdem: Verpflegung muss sein. Mittlerweile habe ich auf alles Appetit, was salzig ist. Dazu gehören auch Wiener Würstchen. Außerdem gibt es an der Hochalm gekochte Kartoffeln. Die dippe ich ordentlich in Salz. Noch die obligatorischen Wassermelonen und Cola – und ein herzliches Dankeschön an die Crew vom Verpflegungsstand – und weiter geht es in Richtung Osterfelder Kopf.
Die Umgebung hat sich hier nochmal deutlich verändert. Waren es im ersten Teil noch Wald und Almwiesen, die das Bild prägten, dann der wilde Wald im Einschnitt der Bodenlaine, so sind wir jetzt ganz nah am schroffen Wetterstein, der fast schon bedrohlich wirkt. Und die Aussicht ist phänomenal. Meist schauen wir aber einfach nur 3 Meter vor uns auf den Schotter des breiten Wegs, den wir jetzt noch gehen müssen. Und der noch ein paar Steilstücke bereit hält. Ich gebe Katrin zunächst in 100er-Schritten, dann in 50er-Schritten die Höhenmeter durch, die wir zurückgelegt haben.
Schließlich, nach einem Durchbruch, sehen wir die Gipfelstation vor uns. Und dann sind wir oben! Kurzes Foto, ein paar Happen nochmal zur Kräftigung, und schon stürzt sich Katrin Richtung Tal. Ich folge ihr – deutlich langsamer. Ich war noch nie schnell im Downhill, aber seit meinem letzten Sturz im Februar habe ich eine Sperre im Kopf. Das gute ist: Der Kopf ist jetzt müde, und daher gibt er den Beinen etwas mehr Freiraum. Dennoch ist es nicht ganz einfach. Beim Aufstieg mag ich es, wenn der Weg den Rhythmus vorgibt – wenn ich zum nächsten Tritt mal einen langen und mal einen kurzen Schritt machen muss. Beim abwärtslaufen sorgt das dafür, dass ich mir fast die Beine verknote. Vor allem bei den hochstehenden Holzbalken der vielen Treppen. Die werden fast zu Fußangeln.
Dennoch hatte ich mir auf Basis der Lauf- und Streckenberichte diesen Teil des Basetrail technischer vorgestellt. Es gibt einmal eine kurze stahlseilversicherte Stelle, aber die ist nicht wirklich ausgesetzt. Dann folgt ein kleiner Gegenanstieg am Hupfleitenjoch. Auch der ist nicht dramatisch und tut meinen Füßen eher mal gut. Das folgende Stück ist nicht sonderlich steil und gut zu laufen. Aber es ist länger als gedacht. Wann kommen wir endlich wieder auf den Hochalmweg?
Schließlich erreiche ich wieder bekanntes Terrain – ca. 200 Meter laufe ich den Weg zurück, den wir vor einiger Zeit schon in Richtung Hochalm gelaufen waren. Jetzt geht’s aber nach links zum Jägersteig. Zuerst ist aber noch die letzte Verpflegungsstation aufgebaut, an der ich mir noch etwas Salami gönne, noch ein paar Stücke Wassermelone und etwas Cola. Katrin ist nicht mehr da – wir hatten vereinbart, dass sie ruhig vorrennen soll. Zum einen damit sie sicher den Cutoff schafft. Zum anderen aber, damit ich den Downhill in meinem Tempo absolvieren kann. Damit will ich vermeiden, dass ich mir Druck mache und ggf. doch noch einen Sturz hinlege.
Mit der Dynamik einer Weinbergschnecke stürze ich mich auf dem Jägersteig talwärts. Das Wort „Jägersteig“ war immer sehr martialisch und bedrohlich rübergekommen. Sowohl bei der Streckenbesprechung von Michael Arend als auch beim finalen Streckenbriefing am Start in Mittenwald. Nach ein paar hundert Metern habe ich aber das Gefühl, dass es doch ganz gut geht. So technisch ist der Jägersteig jetzt auch nicht. Da bin ich schon schlimmeres gelaufen. Wenn ich zum Beispiel an den Abstieg vom Gramai Hochleger beim Karwendelmarsch denke ...
Kaum geht mir dieser Gedanke durch den Kopf, sehe ich eine Frau, die es offensichtlich hingebrezelt hat. Sie blutet am Auge – ein Läufer wäscht ihr die Wunde gerade aus. Ich frage, ob ich helfen kann – nein, ich denke dabei nicht an die Zeitgutschrift ;-). Aber die beiden haben die Sache im Griff. Weiter geht’s.
Kurzer Blick auf die Uhr: Wenn ich den Cutoff erreichen will, muss ich jetzt zügig runter. Ich rechne: Wenn ich ab jetzt pro 5 Minuten 100 Höhenmeter „vernichte“, dann sollte es reichen. Geht das? Ja es geht. Teilweise bin ich schneller. Teilweise aber auch langsamer – zum Beispiel an einer Stelle, an der der Pfad zweimal einen Bach quert und wo es etwas rutschig wird.
Irgendwann dreht sich der Weg, ich kann das Tal sehen – aber es sind immer noch ganz schön viele Höhenmeter, die wir zurücklegen müssen. Kurz geht es auf einen breiten Weg, der gut zu laufen ist, dann wieder auf einen Pfad. Jedes Mal hoffe ich, dass es jetzt bald aufhört. Aber es hört nicht auf! Zwei Baumstämme liegen über den Weg, ich wuchte mich unbeholfen drüber und kassiere einen blauen Fleck. Dann kommt eine Wiese mit Kühen. Eine Kuh beschließt, dass man angesichts der Läufer eher in einer Gruppe zusammenstehen soll. Und quert dazu kurz vor mir meinen Pfad.
Normalerweise renne ich schon mal Leute um, wenn sie mir in die Quere kommen und ich kurz vorm Ziel ziemlich erschöpft bin. Aber bei diesem Fleischberg würde das nicht gut für mich ausgehen. Die Kuh glotzt mich ängstlich an – ich weiche ihr aus und laufe knapp hinter ihr vorbei. Das wäre dann auch nochmal gutgegangen…
Hatte ich oben geschrieben, dass der Jägersteig so schwierig nun auch nicht ist? Das stimmt. Aber er nervt trotzdem, denn er will nicht enden. Und irgendwann lässt mal die Konzentration nach. So auch bei mir. Als ich erste Anfeuerungsrufe höre, deren Verursacher ich in Hammersbach - also am Ende des Jägersteigs – vermute, passiert es: Ich rutsche plötzlich weg. Glücklicherweise kann ich mich mit meinen Stöcken aber wieder fangen. Dann endlich spuckt uns der Jägersteig auf einen breiten Talweg aus.
Noch zwei Kilometer bis zum Ziel. Und diese zwei Kilometer sind flach. Halleluja!
Katrin ist nicht zu sehen, sie ist wohl schon im Ziel. Ich trabe an, und wie so oft geht das Laufen ganz gut. Eine kurze Sprachnachricht an Andrea, dass ich jetzt komme. Ein kurzer Fotostop am „1 km to go“-Schild. Eine kurze Gehpause bei einer Straßenüberquerung (jetzt nur nicht noch an der Bordsteinkante hängenbleiben!). Und ein Stoßgebet: Lieber Gott, mach dass jetzt am Bahnübergang die Schranken offen sind. Anhalten will ich jetzt nicht mehr. Die Schranken sind offen. Ich sehe Andrea. Bei der scheint sich eine Wunderheilung vollzogen zu haben, sie trabt nämlich zusammen mit mir ins Ziel. YEAAAAAAAHHHH! Geschafft!!
Katrin ist schon da, sie war 6 Minuten schneller als ich. Sie muss den Jägersteig heruntergeschwebt sein. Super!! Wir freuen uns beide, dass wir es so gut geschafft haben – und dass jetzt alles vorbei ist. Und wir freuen uns mit Erik, unserem Sieger!
Wir stellen alle fest, dass der Zugspitz Basetrail XL ein sehr schöner Lauf ist. Landschaftlich vielfältig, von der Strecke sehr viel schöner zu laufen als der Eiger E35. Erik müssen wir natürlich erzählen, wo er entlanggelaufen ist – er hat wie immer nicht so viel davon mitbekommen. Aber an das eine oder andere erinnert er sich dann auch 😁.
Abends, nach dem Siegerbierchen, Dusche, Whirlpool und Abendessen, liege ich im Bett und lasse den Tag nochmal Revue passieren. Und am nächsten Tag analysiere ich nochmal die Daten meiner Pulsuhr. Schließlich war es für mich ja auch ein Testlauf.
Was also habe ich gelernt?
1) Den Eiger werde ich mit meinen selbstgenähten Dirrrty Girl Gaiters laufen. Denn die Speedgoats fangen sich ganz gerne mal kleine Steinchen ein, wahrscheinlich weil sie um den Knöchel herum recht niedrig geschnitten sind.
2) Wenn ich nochmal Steinchen im Schuh habe, werde ich recht kurzfristig anhalten und die Schuhe leeren. Zwar verliert man damit Zeit, aber wenn man das nicht macht, endet das in einem vorsichtigen und unrunden Laufstil – und das rächt sich doppelt und dreifach.
3) An den Verpflegungsstationen haben wir uns recht lange aufgehalten: 2 ½ Minuten an V7, 10 Minuten an V8, 8 Minuten an V9 und ich war 4 Minuten an V10. Angesichts des weiten Abstands zwischen den Stationen war das aber absolut gerechtfertigt. Beim Eiger ist der Abstand zwischen den Verpflegungsständen kürzer – da müssen dann auch die Stops kürzer werden. Im Übrigen schätze ich, dass ich während des Laufs ca. 5,5 bis 6 Liter getrunken habe. Das ist absoluter Rekord für mich! Und auch das habe ich unbedingt gebraucht.
4) Ich weiß jetzt, warum es mir kurz vor der Partnachalm den Stecker gezogen hat: Ich war vom langsamen bergablaufen frustriert und wollte möglichst schnell Zeit gutmachen. Und bin diesen (kurzen) Berg viel zu schnell angegangen. Meine Pulsdaten zeigten: Knapp unter der roten Zone, sogar höher als beim abschließenden Endspurt. Das war zu hoch! Andererseits weiß ich jetzt auch, mit welchen Pulswerten ich sehr lange bergauf steigen kann, ohne zu sehr zu ermüden. Das werden meine Richtwerte für den E51.
Und das Fazit? Der Basetrail XL ist ein sehr anspruchsvoller Lauf. „Basetrail“ hört sich nach nicht viel an, und auch die reinen Zahlen (39,7km, 1970 HM) erzählen nicht die volle Story. Der Lauf ist schwierig durch seine Aufteilung in zwei ganz unterschiedliche Teile und die Tatsache, dass die erste Hälfte eben nicht so flach ist, wie es auf dem Höhenprofil aussieht, sondern dass es dort ständig auf und ab geht.
Die Stimmung auf und an der Strecke war immer prima. Die Läufern und Läuferinnen waren relaxt, viel relaxter als beim Eiger Ultra. Ob das wohl daran liegt, dass die Läufer zum ZUT kommen, einzig und alleine weil sie diesen Lauf machen wollen – und nicht, weil sie Punkte für den UTMB sammeln (müssen)? Wo Publikum stand – ob das nun Begleiter waren oder Wanderer – war richtig Stimmung. Auch das tat gut! Und das absolute Highlight waren die Verpflegungsstationen. Ich habe mich ja schon bei meinem Bericht über den E35 als Fan von „Real Food“ bei Wettkämpfen geoutet. Ich mag den süßen Klibberkram nicht. Und hier gab es alles, was Herz und Magen begehrten. Vor allem: Viel Salziges und viel Mineralstoffhaltiges. Der Daumen zeigt auch hier nach oben!
Wenn ich einen Minuspunkt erwähnen soll, dann ist es die Startzeit – die ist mir viel zu spät. Der ZUT findet immer in der Zeit mit den längsten Tagen im Jahr statt – warum kann man da sowohl den Hauptlauf als auch die anderen Teilstrecken nicht früher starten, um das Tageslicht besser auszunutzen? Außerdem wäre es gut, wenn man den Supertrail nicht nur eine, sondern 2-3 Stunden vor dem Basetrail XL starten würde – so hätten auch dort die Spitzenläufer „freie Fahrt“ und würden nicht durch langsame Basetrailer auf den Singletrails ab der Partnachalm behindert.
Aber grundsätzlich ist der Basetrail XL ein toller Lauf. Den ich sicher in dieser oder in der längeren (Supertrail) oder kürzeren Form (Basetrail) nochmal machen will.
Aber jetzt steht nochmal Training an. Next Stop: Eiger Ultra E51.
In diesem Sinne: See you on the trails!
Unser Ziel in Grainau ... Foto: Sportograf |
Mittenwald, 16. Juni 2018, 9:59. Sie spielen „Highway to Hell“. Gleich werden sich Katrin und ich auf den „Highway through Hell“ machen … auf den Zugspitz Basetrail XL. Angekündigt sind 25° und Sonne den ganzen Tag. So schön das klingt – das kann auch mal die Hölle werden …
Wie schon beim letztjährigen Eiger E35 stehen wir nur mit einem „Rumpfteam“ am Start. Andrea kann nicht laufen – sie hat „Rücken“. Besser gesagt: Hexenschuss. Noch besser gesagt: Eine Bandscheibenprotrusion. Aber sie hat sich im Hotelzimmer unser „Lagezentrum“ eingerichtet. Mit Wanderkarte, Marschtabelle, Laptop mit den offiziellen Durchgangszeiten und Handy für unsere (inoffiziellen) Meldungen verfolgt sie das Geschehen.
Mit Startnummer und reichlich Kinesio-Tape: Bereit fürs Rennen. |
Auch Erik ist mit am Start – aber von dem haben wir uns nach der Rucksackkontrolle verabschiedet. Er wird die gleiche Strecke und dennoch ein anderes Rennen laufen. Er stellt sich ganz vorn in den Startblock, während wir uns eines der wenigen Schattenplätzchen im hinteren Bereich gesucht haben, um wenigstens jetzt noch einen kühlen Kopf zu behalten.
Der obligatorische Stau am Anfang. Hier unbedingt Ruhe bewahren! |
Der Startschuss fällt - und wir setzen uns in Bewegung. Zunächst im Schritttempo, dann im langsamen Trab. Auf den ersten 600 Metern geht es durch Mittenwald, bevor wir dann für 37 km den Asphalt hinter uns lassen. Einige Zuschauer – Betreuer wie zufällige „Zaungäste“ – jubeln uns zu. Es geht in Richtung Kurpark, wo der erste Aufstieg beginnt. Und wo der Stau auf uns wartet. Hier geht kurz mal nichts mehr, denn die breite Straße verjüngt sich in einen schmalen Weg. Katrin und ich schauen uns um. Wir sind doch tatsächlich die Letzten! Hinter uns ist nur noch die Feuerwehr, und die „Besenfrau“, die jetzt schon die Wegmarkierungen wieder einsammelt.
Die Damengruppe vor uns – sozusagen an vorletzter Stelle liegend – stellt schon Überlegungen zur Renntaktik an: Irgendwer hat gelesen, dass es bei medizinischer Hilfeleistung eine Zeitgutschrift gibt. Und jetzt planen sie, im Ziel zu sagen, dass sie sich gegenseitig mindesten eine halbe Stunde geholfen haben – damit müsste doch dann der Cutoff zu knacken sein 😉.
Ja, es ist witzig und sehr kreativ am Ende des Felds.
Zunächst geht es aber weiter. Der Weg schraubt sich in steilen Serpentinen hoch, dazu wird er auch noch von der kräftigen Morgensonne beschienen. Aber das erste Steilstück ist schnell vorbei, es folgt ein welliger Bereich. Es gibt einige Läufer, die eher die Stop-and-Go Taktik verfolgen. Sie sprinten in einen steilen Berg, um dann stehen zu bleiben. Wir versuchen es eher mit Effizienz. Gehen am Berg, Laufen im Flachen und bergab. Der Lauf ist noch lang genug, und es wartet noch einiges auf uns, was uns alles abverlangen wird.
Schließlich sind wir auf dem Hochplateau, wo der Lautersee und der Ferchensee vor der Hochgebirgskette des Wettersteins liegen. Wunderschön! Mehrmals stellen wir fest, dass das genau das Gelände für Elli wäre. Elli, der Hund von Katrin und Erik und das einzige vierbeinige Mitglied von TrailrunningHD, würde jetzt bestimmt schon im See baden. Da müssen wir nochmal hin – aber ohne Wettkampfstress. Dafür mit Hund.
Ein Traum! Laufen in schönster Landschaft und ohne Stau. Am Ferchensee ... Foto: Sportograf |
Schon nach knapp 5 km erwartet uns die erste Verpflegungsstelle. Da erst in 14 km die nächste folgen wird, greifen wir schon hier richtig zu. Und was für ein Buffet! Es gibt ALLES! Sogar Tomaten und Mozarella. Das habe ich ja noch nie an einer Verpflegungsstation gesehen. Das beste aber – an allen Verpflegungsposten – sind die Wassermelonen. Super süß und erfrischend! Wir schlagen uns damit den Bauch voll, nehmen auch noch etwas Salz, füllen die Softflasks auf – und weiter geht’s.
Andrea gibt uns per Handy durch, dass Erik eher verhalten gestartet ist. Hmm. Wenn wir jetzt wüssten, warum das so ist. Hat er es tatsächlich geschafft, das Rennen verhalten anzugehen? Oder macht sein Knie Probleme? Wir beschließen, dass wir heute positiv denken und sind der festen Überzeugung, dass Erik heute ganz kontrolliert läuft.
Der Weg in Richtung Elmau ist breit, geschottert und gut zu laufen. Zuerst geht es leicht wellig durch den Wald, dann abwärts. Glücklicherweise spenden die Bäume immer mal wieder Schatten – und es weht ein kühles Lüftchen. Das tut gut. Dann geht es ein Stück über einen unangenehmen Pfad steil nach unten. Unangenehm, weil wohl das Unwetter vom Dienstag hier eine tiefe Rinne hinterlassen hat. Jetzt bloß nicht in die Rinne treten und umknicken. Aber schnell ist auch dieser Abstieg geschafft. Unten angekommen machen wir ein Foto von Schloss Elmau, ich gebe kurz die Zwischenzeit an Andrea durch, und dann steht schon der nächste Anstieg an: Zum Wamberg.
Beeindruckend: Schloss Elmau |
Nach dem Anfangsanstieg über Mittenwald ist das der erste richtige Test, wie gut wir „drauf“ sind. Ich will mich heute eigentlich ein bisschen zurückhalten – schließlich ist der ZUT für mich nur ein „Trainingswettkampf“ vor dem E51 im Juli. Andererseits ist Katrin dieses Jahr fit – SEHR fit! Sie nimmt in ihrem charakteristischen Berg-Stakkato jede noch so steile Steigung. Für sie ist es der Hauptwettkampf. Da werde ich mich ganz schön anstrengen müssen, um überhaupt mithalten zu können. Zurückhalten kann ich mich da kaum …
Plötzlich habe ich ein heiß-kribbelndes Gefühl an meiner linken Wade. Ich schaue zurück – es ist eine Bremse, die sich gerade Blut „abzapft“. Ich lasse einen Fluch los, und Katrin denkt, ich hätte mich verletzt. Mit Hand und Stock versetze ich diesem Blutsauger ein Schädel-Hirn(?)-Trauma, das sich gewaschen hat. Wie kann so ein Vieh es wagen, mir dort das Blut herauszuziehen, wo ich es gerade am meisten brauche.
Trotz temporärer Blutarmut in der linken Wade kommen wir gut und schnell voran. Wir erreichen die Elmauer Alm. Die Gäste klatschen Beifall, als wir vorbeilaufen. Eine Frau sagt: „Darf ich sie mal was fragen? Sind Sie denn alle gleichzeitig losgelaufen?“ NEIN! Natürlich nicht! Wir haben den Gerippen, die schon vor einer Stunde hier vorbeikamen, einen ordentlichen Vorsprung gelassen, damit sie nicht so frustriert sind. - Ich beiße mir auf die Zunge und antworte wahrheitsgemäß, dass wir natürlich alle gleichzeitig losgerannt sind und auch die gleiche Strecke … nur dass wir eben auch etwas mehr von der schönen Landschaft mitbekommen.
Mit Attitude und Personality läuft sich leichter. 😉 Auf dem Weg zum Wamberg. Foto: Sportograf |
Es geht jetzt nochmal steil nach oben, dann haben wir den Bergrücken erreicht, der sich zwischen Wamberg und Eckbauer aufspannt. Aber wie immer auf solchen Höhenwegen: Man bleibt nicht auf der gleichen Höhe, sondern es ist ein stetes auf und ab. Es geht über wunderschöne Bergwiesen, von denen aus man auf der linken Seite die Wettersteinkette und das Reintal erkennt. Und auf der anderen Seite sehe ich schon den Osterfelder Kopf. Aber das verschweige ich Katrin. Es ist nicht immer sinnvoll, die gesamte Grausamkeit eines Laufs vor Augen zu haben.
Zwischen Wamberg und Eckbauer geht es immer wieder über tolle Bergwiesen. Elli hätte ihre Freude dran ... |
In den kurzen bergab-Passagen teste ich mein Knie. Nein, nicht nur Erik hat „Knie“, sondern auch ich. Ich vermute, dass ich mir beim Trainingswochenende in der Schweiz auf den tiefen Wiesen mit Viehtritt ein bisschen das Knie verdreht habe, ich habe etwas Schmerzen an der Außenseite, vorwiegend in Situationen ohne Belastung. Bei Belastung merke ich nichts. Vorsichtshalber habe ich es gut mit Kinesio Tape stabilisiert. Auch meine Schulter ist getaped. Und die Achillessehnen. Und zwei Tapes unterm BH sollen mögliche Scheuerstellen verhindern.
Kinesio Tape wird bei mir immer und überall eingesetzt. Und es wirkt! Ich bin der festen Überzeugung, dass man mit Kinesio Tape fast alle Probleme der Welt lösen könnte. Tatsächlich. Man stelle sich nur mal vor, man würde dem orangefarbenen Wischmopp, der gerade auf der anderen Seite des großen Teichs sein Unwesen treibt, einfach mal einen Streifen Kinesio Tape über seine stets weit aufgerissene Klappe kleben. Und dazu auch noch seine kleinen Twitter-Fingerchen mit Kinesio-Tape fixieren. Ich sage Euch: Unsere Welt wäre eine bessere.
Aber was soll’s. Ich kann mich heute nicht um die Weltpolitik kümmern, sondern nur um mein Knie. Und da hilft jedenfalls das Kinesio Tape. Keine Schmerzen beim hinunterlaufen. Das lässt hoffen, dass das Knie auch den Jägersteig durchhält.
Mehr Probleme machen mir derzeit die vielen kleinen spitzen Steinchen, die meine HOKA Speedgoat aufgesammelt haben und die inzwischen meinen Fußsohlen ganz schön zusetzen. Ich sage Katrin, dass ich vor dem Downhill beim Eckbauer dringend die Schuhe ausleeren muss. Doch dann beginnt dieser Downhill plötzlich und Katrin flitzt davon. Verdammt! Jetzt habe ich den geeigneten Zeitpunkt zur Schuhleerung versäumt. Es kommen zwar noch einige Stellen, wo ich das hätte gut und gerne nachholen können … aber ich laufe dann doch weiter. Eine sehr dumme Entscheidung! Denn so kann ich diesen ansonsten super schön zu laufenden Downhill nicht genießen. Ich fühle mich wie ein Fakir auf einem Nagelbrett. Ich laufe verhalten – noch verhaltener, als ich sonst die Downhills angehe – weil es mir ständig in die Fußsohlen piekst. Katrin ist schon längst meinem Blickfeld entschwunden.
Blick vom eisernen Steg in die Partnachklamm |
Dann geht es endlich über die Partnach. Ich mache schnell ein Foto, dann nehme ich den Aufstieg in Angriff, denn ich will nicht noch mehr Zeit auf Katrin verlieren. Ein Schild sagt mir „Nächste Verpflegungsstelle: 500 Meter“. Das kann ja nicht so weit sein. Und schließlich hatte ich die Partnachalm von der anderen Seite schon gesehen.
Aber es werden die längsten 500 Meter dieses Rennens. Ich fühle mich plötzlich, als hätte mir jemand den Stecker gezogen. Ich trinke zwar nochmal was, aber ich habe kaum mehr Energie. Das wird heute nichts. Ich werde wohl Katrin ziehen lassen müssen und selbst den Lauf als Wanderung beenden. Weit über dem Cutoff. Und den E51 kann ich vergessen. Am besten melde ich mich gleich dieses Wochenende noch ab und fahre als Betreuerin mit. Vielleicht bekomme ich ja noch einen Startplatz für den E16.
Während ich so die negativen Gedanken wälze und Pity-Party feiere, lichtet sich der Wald, und nach einem weiteren Aufstieg erreiche ich endlich den zweiten Verpflegungspunkt. Katrin kann ich nirgendwo sehen. Hat sie vielleicht auch gemerkt, wie schlecht ich drauf bin und ist alleine weitergerannt?
Ich greife mir gleich zwei Stücke Wassermelonen. Tut das gut!! Ein drittes Stück salze ich leicht. Dann noch eine saure Gurke. Auch die geht super rein! Dann zwei Becher Cola. Langsam kehren die Lebensgeister wieder zurück. Und plötzlich sehe ich Katrin. Sie steht in der Ecke, wo es die Wassermelonen gibt. Hatte ich sie vorhin nicht gesehen oder war sie da auf der Toilette? Egal. Ich fülle meine Wasserblase, die ich fast ganz ausgetrunken habe. Wahnsinn, was ich heute für einen Durst habe! Mit einem Becher Cola und einem weiteren Stück Wassermelone in der Hand setze ich mich neben Katrin und eine weitere Läuferin auf die Bank. Wir unterhalten uns – und Katrin fragt mich, ob ich schon was von Erik gehört habe. Die Läuferin fragt: „Meint Ihr Erik von TrailrunningHD?“
Ich bin fassungslos. Es ist doch tatsächlich Claudia AKA Feuerpferdle, mit der ich vorher schon per Facebook Kontakt hatte. Das ist ja wirklich lustig. So klein ist die Welt …
Aber es wird Zeit zum Aufbruch. Wir schnappen uns unsere Stöcke, versuchen die Zwischenzeit an Andrea durchzugeben (schwierig, denn an dieser Stelle habe ich kein Handynetz), und so geht es auf die zweite Hälfte der Strecke.
Zuerst zieht sich ein Schotterweg hoch über dem Partnachtal in Richtung Reintal. Ein Stückchen sogar bergab. Uns überholen einige schnelle Läufer und Läuferinnen vom Supertrail. Claudia, die auch wieder auf uns aufgelaufen ist, weist uns darauf hin, dass uns gerade Laura Dahlmeier passiert hat. Hammer! Diese Frau macht ja wirklich fast jeden Sport, den es gibt. Und das richtig gut … Sie sollte schließlich Dritte werden!
Der Schotterweg zieht und zieht sich, wir können es kaum erwarten, die Hauptsteigung in Angriff zu nehmen. Endlich: Die Markierungen zweigen rechts vom Hauptweg ab, und es geht nun – zunächst auf einem breiten Weg – steiler nach oben. An einer Viehtränke bei der Laubhütte mache ich nochmal meine Kappe und Bandana nass, denn die Sonne brennt jetzt gnadenlos.
Was nun folgt, ist der große Anstieg. Der Zugspitz Basetrail XL zerfällt in zwei recht unterschiedliche Hälften: Während man auf der ersten Hälfte in welligem Gelände mit nur drei mittellangen Anstiegen 800 Höhenmeter überwinden muss, gilt es in der zweiten Hälfte die restlichen 1100 Höhenmeter an einem Stück innerhalb von etwa 7 km zu sammeln. Das kann ganz schön schwierig werden, wenn man auf der ersten Hälfte zu viele Körner verschossen hat.
Der breite Weg endet, es geht ziemlich unvermittelt auf einem Pfad weiter. Hier muss die Bodenlaine, ein kleiner Bach, gequert werden sowie der eine oder andere Baumstamm. Einige Läufer des Basetrail XL sitzen rechts oder links des Weges und erholen sich. Bei uns beiden macht Katrin das Tempo. Das ist nicht übermäßig schnell, aber super gleichmäßig und wir schrauben uns so Serpentine um Serpentine nach oben, ohne stehen bleiben zu müssen. Nur einmal machen wir für eine Minute Halt, um kurz was zu essen und zu trinken. In diesem gleichmäßigen Schritt sammeln wir Läufer um Läufer ein. Alle, die jetzt noch an uns vorbeiziehen, sind die schnellen Läufer des Supertrail.
Wir erhalten Nachricht von Andrea. Erik nähert sich dem Ziel. Sie schafft es kaum noch, vom Hotel rechtzeitig dorthin zu kommen, so schnell brettert er den Jägersteig hinunter. Dann wieder eine Nachricht: Erik ist Erster in der Kategorie Senior Masters. Unglaublich!! Das beflügelt uns jetzt noch mehr!
Katrin und ich ziehen unsere Bahnen beim Aufstieg durch den Stuibenwald. |
Den Weg durch den Stuibenwald hatte ich mir eher hässlich vorgestellt. Viele Leute im Vorfeld fluchten darüber. Aber der Weg ist sehr schön. Ein enger Pfad durch einen wilden Wald, der durchsetzt ist mit Felsbrocken, die gut und gerne als Boulder-Felsen herhalten können. Stets geht es in gut definierten Serpentinen nach oben. Mittlerweile haben wir 1400 Höhenmeter auf unserem Konto und hören von oben schon erste Anfeuerungsrufe. Das muss von der Stelle kommen, wo unser Pfad auf den breiten Weg zwischen Kreuzeck und Hochalm mündet. Tatsächlich – gerade überholen uns noch zwei nette spanische Läufer, dann sehe ich auch schon das jubelnde Volk.
Jetzt fehlen noch knapp 400 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt. Allerdings sind die auf einem Weg zurückzulegen, der weder Katrin noch mir behagt: Ein breiter, aber recht steiler Schotterweg. Wieder ein Schild: „Noch 500 Meter bis zum nächsten Verpflegungspunkt“. Diesen – die Hochalm – können wir jetzt aber schon sehen. Und wenn wir weiter nach links blicken, eröffnet sich eine tolle Aussicht zum Wettersteingebirge. Wenn ich etwas mehr Zeit hätte, würde ich versuchen, das Königschloss Schachen auf dem gegenüberliegenden Bergzug auszumachen. Aber Zeit haben wir jetzt nicht. Denn wir haben nur 30 Minuten Vorsprung auf den Cutoff … und ich bezweifle, dass ich den Downhill im Zeitlimit schaffen werde.
Blick auf Hochalm und Kreuzeck |
Trotzdem: Verpflegung muss sein. Mittlerweile habe ich auf alles Appetit, was salzig ist. Dazu gehören auch Wiener Würstchen. Außerdem gibt es an der Hochalm gekochte Kartoffeln. Die dippe ich ordentlich in Salz. Noch die obligatorischen Wassermelonen und Cola – und ein herzliches Dankeschön an die Crew vom Verpflegungsstand – und weiter geht es in Richtung Osterfelder Kopf.
Von hier ab wird's einstellig. Nur noch 10 km bis ins Ziel - und noch etwa 1 km bis zum Osterfelder Kopf. |
Die Umgebung hat sich hier nochmal deutlich verändert. Waren es im ersten Teil noch Wald und Almwiesen, die das Bild prägten, dann der wilde Wald im Einschnitt der Bodenlaine, so sind wir jetzt ganz nah am schroffen Wetterstein, der fast schon bedrohlich wirkt. Und die Aussicht ist phänomenal. Meist schauen wir aber einfach nur 3 Meter vor uns auf den Schotter des breiten Wegs, den wir jetzt noch gehen müssen. Und der noch ein paar Steilstücke bereit hält. Ich gebe Katrin zunächst in 100er-Schritten, dann in 50er-Schritten die Höhenmeter durch, die wir zurückgelegt haben.
Ganz oben. Kurzes Durchschnaufen, bevor wir uns auf den Pfad zurück ins Tal stürzen. |
Schließlich, nach einem Durchbruch, sehen wir die Gipfelstation vor uns. Und dann sind wir oben! Kurzes Foto, ein paar Happen nochmal zur Kräftigung, und schon stürzt sich Katrin Richtung Tal. Ich folge ihr – deutlich langsamer. Ich war noch nie schnell im Downhill, aber seit meinem letzten Sturz im Februar habe ich eine Sperre im Kopf. Das gute ist: Der Kopf ist jetzt müde, und daher gibt er den Beinen etwas mehr Freiraum. Dennoch ist es nicht ganz einfach. Beim Aufstieg mag ich es, wenn der Weg den Rhythmus vorgibt – wenn ich zum nächsten Tritt mal einen langen und mal einen kurzen Schritt machen muss. Beim abwärtslaufen sorgt das dafür, dass ich mir fast die Beine verknote. Vor allem bei den hochstehenden Holzbalken der vielen Treppen. Die werden fast zu Fußangeln.
Hier wurde vor Gefahren gewarnt - aber zumindest bei diesem Wetter und bei Tag war auch dieser Abschnitt nicht schwierig. Foto: Sportograf. |
Dennoch hatte ich mir auf Basis der Lauf- und Streckenberichte diesen Teil des Basetrail technischer vorgestellt. Es gibt einmal eine kurze stahlseilversicherte Stelle, aber die ist nicht wirklich ausgesetzt. Dann folgt ein kleiner Gegenanstieg am Hupfleitenjoch. Auch der ist nicht dramatisch und tut meinen Füßen eher mal gut. Das folgende Stück ist nicht sonderlich steil und gut zu laufen. Aber es ist länger als gedacht. Wann kommen wir endlich wieder auf den Hochalmweg?
Mit Bandana zum Schutz vor der Sonne und zur Abkühlung. Gewisse Ähnlichkeiten mit Lawrence von Arabien sind rein zufällig ... |
Schließlich erreiche ich wieder bekanntes Terrain – ca. 200 Meter laufe ich den Weg zurück, den wir vor einiger Zeit schon in Richtung Hochalm gelaufen waren. Jetzt geht’s aber nach links zum Jägersteig. Zuerst ist aber noch die letzte Verpflegungsstation aufgebaut, an der ich mir noch etwas Salami gönne, noch ein paar Stücke Wassermelone und etwas Cola. Katrin ist nicht mehr da – wir hatten vereinbart, dass sie ruhig vorrennen soll. Zum einen damit sie sicher den Cutoff schafft. Zum anderen aber, damit ich den Downhill in meinem Tempo absolvieren kann. Damit will ich vermeiden, dass ich mir Druck mache und ggf. doch noch einen Sturz hinlege.
An Verpflegungspunkt 10 ziehen die beiden Führenden des ZUT, Cristofer Clemente und Tofol Castanyer, an mir vorbei. |
Mit der Dynamik einer Weinbergschnecke stürze ich mich auf dem Jägersteig talwärts. Das Wort „Jägersteig“ war immer sehr martialisch und bedrohlich rübergekommen. Sowohl bei der Streckenbesprechung von Michael Arend als auch beim finalen Streckenbriefing am Start in Mittenwald. Nach ein paar hundert Metern habe ich aber das Gefühl, dass es doch ganz gut geht. So technisch ist der Jägersteig jetzt auch nicht. Da bin ich schon schlimmeres gelaufen. Wenn ich zum Beispiel an den Abstieg vom Gramai Hochleger beim Karwendelmarsch denke ...
Kaum geht mir dieser Gedanke durch den Kopf, sehe ich eine Frau, die es offensichtlich hingebrezelt hat. Sie blutet am Auge – ein Läufer wäscht ihr die Wunde gerade aus. Ich frage, ob ich helfen kann – nein, ich denke dabei nicht an die Zeitgutschrift ;-). Aber die beiden haben die Sache im Griff. Weiter geht’s.
Kurzer Blick auf die Uhr: Wenn ich den Cutoff erreichen will, muss ich jetzt zügig runter. Ich rechne: Wenn ich ab jetzt pro 5 Minuten 100 Höhenmeter „vernichte“, dann sollte es reichen. Geht das? Ja es geht. Teilweise bin ich schneller. Teilweise aber auch langsamer – zum Beispiel an einer Stelle, an der der Pfad zweimal einen Bach quert und wo es etwas rutschig wird.
Irgendwann dreht sich der Weg, ich kann das Tal sehen – aber es sind immer noch ganz schön viele Höhenmeter, die wir zurücklegen müssen. Kurz geht es auf einen breiten Weg, der gut zu laufen ist, dann wieder auf einen Pfad. Jedes Mal hoffe ich, dass es jetzt bald aufhört. Aber es hört nicht auf! Zwei Baumstämme liegen über den Weg, ich wuchte mich unbeholfen drüber und kassiere einen blauen Fleck. Dann kommt eine Wiese mit Kühen. Eine Kuh beschließt, dass man angesichts der Läufer eher in einer Gruppe zusammenstehen soll. Und quert dazu kurz vor mir meinen Pfad.
Normalerweise renne ich schon mal Leute um, wenn sie mir in die Quere kommen und ich kurz vorm Ziel ziemlich erschöpft bin. Aber bei diesem Fleischberg würde das nicht gut für mich ausgehen. Die Kuh glotzt mich ängstlich an – ich weiche ihr aus und laufe knapp hinter ihr vorbei. Das wäre dann auch nochmal gutgegangen…
Hatte ich oben geschrieben, dass der Jägersteig so schwierig nun auch nicht ist? Das stimmt. Aber er nervt trotzdem, denn er will nicht enden. Und irgendwann lässt mal die Konzentration nach. So auch bei mir. Als ich erste Anfeuerungsrufe höre, deren Verursacher ich in Hammersbach - also am Ende des Jägersteigs – vermute, passiert es: Ich rutsche plötzlich weg. Glücklicherweise kann ich mich mit meinen Stöcken aber wieder fangen. Dann endlich spuckt uns der Jägersteig auf einen breiten Talweg aus.
Noch zwei Kilometer bis zum Ziel. Und diese zwei Kilometer sind flach. Halleluja!
Kurzer Zwischenstop - weit ist es ja nicht mehr. |
Antraben zum Endspurt. |
Katrin ist nicht zu sehen, sie ist wohl schon im Ziel. Ich trabe an, und wie so oft geht das Laufen ganz gut. Eine kurze Sprachnachricht an Andrea, dass ich jetzt komme. Ein kurzer Fotostop am „1 km to go“-Schild. Eine kurze Gehpause bei einer Straßenüberquerung (jetzt nur nicht noch an der Bordsteinkante hängenbleiben!). Und ein Stoßgebet: Lieber Gott, mach dass jetzt am Bahnübergang die Schranken offen sind. Anhalten will ich jetzt nicht mehr. Die Schranken sind offen. Ich sehe Andrea. Bei der scheint sich eine Wunderheilung vollzogen zu haben, sie trabt nämlich zusammen mit mir ins Ziel. YEAAAAAAAHHHH! Geschafft!!
Katrin ist schon da, sie war 6 Minuten schneller als ich. Sie muss den Jägersteig heruntergeschwebt sein. Super!! Wir freuen uns beide, dass wir es so gut geschafft haben – und dass jetzt alles vorbei ist. Und wir freuen uns mit Erik, unserem Sieger!
Siegerbier. Ich schaue leicht bis mittelgradig debil - das muss daran liegen, dass ein paar Hirnzellen auf dem Jägersteig geblieben sind ... |
Wir stellen alle fest, dass der Zugspitz Basetrail XL ein sehr schöner Lauf ist. Landschaftlich vielfältig, von der Strecke sehr viel schöner zu laufen als der Eiger E35. Erik müssen wir natürlich erzählen, wo er entlanggelaufen ist – er hat wie immer nicht so viel davon mitbekommen. Aber an das eine oder andere erinnert er sich dann auch 😁.
Abends, nach dem Siegerbierchen, Dusche, Whirlpool und Abendessen, liege ich im Bett und lasse den Tag nochmal Revue passieren. Und am nächsten Tag analysiere ich nochmal die Daten meiner Pulsuhr. Schließlich war es für mich ja auch ein Testlauf.
Was also habe ich gelernt?
1) Den Eiger werde ich mit meinen selbstgenähten Dirrrty Girl Gaiters laufen. Denn die Speedgoats fangen sich ganz gerne mal kleine Steinchen ein, wahrscheinlich weil sie um den Knöchel herum recht niedrig geschnitten sind.
2) Wenn ich nochmal Steinchen im Schuh habe, werde ich recht kurzfristig anhalten und die Schuhe leeren. Zwar verliert man damit Zeit, aber wenn man das nicht macht, endet das in einem vorsichtigen und unrunden Laufstil – und das rächt sich doppelt und dreifach.
3) An den Verpflegungsstationen haben wir uns recht lange aufgehalten: 2 ½ Minuten an V7, 10 Minuten an V8, 8 Minuten an V9 und ich war 4 Minuten an V10. Angesichts des weiten Abstands zwischen den Stationen war das aber absolut gerechtfertigt. Beim Eiger ist der Abstand zwischen den Verpflegungsständen kürzer – da müssen dann auch die Stops kürzer werden. Im Übrigen schätze ich, dass ich während des Laufs ca. 5,5 bis 6 Liter getrunken habe. Das ist absoluter Rekord für mich! Und auch das habe ich unbedingt gebraucht.
4) Ich weiß jetzt, warum es mir kurz vor der Partnachalm den Stecker gezogen hat: Ich war vom langsamen bergablaufen frustriert und wollte möglichst schnell Zeit gutmachen. Und bin diesen (kurzen) Berg viel zu schnell angegangen. Meine Pulsdaten zeigten: Knapp unter der roten Zone, sogar höher als beim abschließenden Endspurt. Das war zu hoch! Andererseits weiß ich jetzt auch, mit welchen Pulswerten ich sehr lange bergauf steigen kann, ohne zu sehr zu ermüden. Das werden meine Richtwerte für den E51.
Und das Fazit? Der Basetrail XL ist ein sehr anspruchsvoller Lauf. „Basetrail“ hört sich nach nicht viel an, und auch die reinen Zahlen (39,7km, 1970 HM) erzählen nicht die volle Story. Der Lauf ist schwierig durch seine Aufteilung in zwei ganz unterschiedliche Teile und die Tatsache, dass die erste Hälfte eben nicht so flach ist, wie es auf dem Höhenprofil aussieht, sondern dass es dort ständig auf und ab geht.
Trotz guten Wetters: Ein bisschen Schlamm ist immer - und wir nehmen garantiert jede Pfütze mit. Andererseits: Andere zahlen viel Geld für eine Fango-Packung ... |
Die Stimmung auf und an der Strecke war immer prima. Die Läufern und Läuferinnen waren relaxt, viel relaxter als beim Eiger Ultra. Ob das wohl daran liegt, dass die Läufer zum ZUT kommen, einzig und alleine weil sie diesen Lauf machen wollen – und nicht, weil sie Punkte für den UTMB sammeln (müssen)? Wo Publikum stand – ob das nun Begleiter waren oder Wanderer – war richtig Stimmung. Auch das tat gut! Und das absolute Highlight waren die Verpflegungsstationen. Ich habe mich ja schon bei meinem Bericht über den E35 als Fan von „Real Food“ bei Wettkämpfen geoutet. Ich mag den süßen Klibberkram nicht. Und hier gab es alles, was Herz und Magen begehrten. Vor allem: Viel Salziges und viel Mineralstoffhaltiges. Der Daumen zeigt auch hier nach oben!
Wenn ich einen Minuspunkt erwähnen soll, dann ist es die Startzeit – die ist mir viel zu spät. Der ZUT findet immer in der Zeit mit den längsten Tagen im Jahr statt – warum kann man da sowohl den Hauptlauf als auch die anderen Teilstrecken nicht früher starten, um das Tageslicht besser auszunutzen? Außerdem wäre es gut, wenn man den Supertrail nicht nur eine, sondern 2-3 Stunden vor dem Basetrail XL starten würde – so hätten auch dort die Spitzenläufer „freie Fahrt“ und würden nicht durch langsame Basetrailer auf den Singletrails ab der Partnachalm behindert.
Aber grundsätzlich ist der Basetrail XL ein toller Lauf. Den ich sicher in dieser oder in der längeren (Supertrail) oder kürzeren Form (Basetrail) nochmal machen will.
Aber jetzt steht nochmal Training an. Next Stop: Eiger Ultra E51.
In diesem Sinne: See you on the trails!
Ganz toll geschrieben❤
AntwortenLöschenDanke!
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