Hier ist keiner krank! Und wenn einer krank ist, dann nur ein bisschen. Oder?

von Katrin

3 Grad unter Null, Schneeregen, Sturm:




Mein Göttergatte Erik steht nachdenklich am Fenster und schaut raus. Eine Tempoeinheit steht an. Normalerweise ist schlechtes Wetter kein Thema für Erik. Er läuft bei jedem Wetter und zu jeder Tages- oder Nachtzeit. Aber heute plagt ihn ein Virusinfekt.

Jeder normale, vernunftbegabte Mensch würde bei diesem Wetter schon ein leichtes Kratzen im Hals als willkommenen Anlass nehmen, nicht laufen zu gehen. Nicht so Erik!

Selbst eine Sturmwarnung kann ihn nicht davon abhalten, in den Wald zu gehen: "Wie groß ist schon die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baum gerade auf mich fällt?  Sicher hört man das auch, wenn ein Ast abbricht und dann kann man ja noch weglaufen."

Nun ja!



Aber heute ist es anders. Erik kämpft seit ein paar Tagen mit einem heftigen Schnupfen und einer Bronchitis (dem würde er natürlich vehement widersprechen: Er hat nur ein leichtes Kratzen im Hals, was ab und zu dazu führt, dass er einen Hustenanfall bekommt).

Aber er ist sich nicht ganz sicher, ob es nicht doch besser wäre, einmal eine Trainingseinheit auszulassen. Nein, eigentlich sucht er eher nach der Bestätigung, dass es gar kein Problem ist, in diesem Zustand zu laufen.

Welchen unserer befreundeten Ärzte könnte man denn anrufen und um Rat fragen?
Erik kommt zu dem Schluss, dass es keinen Sinn macht einen Arzt anzurufen. Es ist selbst Erik klar, dass kein verantwortungsvoller Arzt sagen wird: "Ja, geh nur laufen, dass wird deiner Bronchitis sicher gut tun!"

Mit Ärzten hat Erik, in dieser Beziehung, sowieso keine gute Erfahrung gemacht. Vor Jahren hatte er sich kurz vor einem Halbmarathon eine riesige, eiternde Blase zugezogen. Mit der Hoffnung auf eine Wunderheilung und einer Absolution für den Wettkampf ging er zu unserem Hausarzt, einem vernünftigen, älteren Herrn mit viel Erfahrung.

Deprimiert kam Erik vom Arztbesuch zurück. Denn weder konnte der Arzt eine Spontanheilung hervorrufen, noch war er der Meinung, man könne mit dieser Blase einen Halbmarathon laufen:
"Wenn Sie masochistisch veranlagt sind, dann gehen Sie doch lieber in ein SM-Studio."

Erik entschied sich für den Halbmarathon!

Seit diesem Tag zweifelt Erik daran, dass es einen Arzt mit dem hinreichenden Einfühlungsvermögen für ambitionierte Trailläufer gibt.

Also: Einen Arzt befragen war keine Lösung. Man könnte ja mal im Internet recherchieren, was dort zu dem Thema steht. Aber ganz offensichtlich tummeln sich im Netz eine Menge Weicheier, die tatsächlich der Meinung sind, dass man zumindest mit Fieber nicht laufen sollte.

Ich, also die eigene Ehefrau, bin auch nicht wirklich eine Hilfe. Ich habe lauter Horrorgeschichten von entfernten Bekannten auf Lager, die, nachdem sie krank waren und Sport gemacht hatten, jetzt einen Herzklappenfehler haben und gar keinen Sport mehr machen können.

"Das sind sicher nur Einzelfälle! Gerade fühle ich mich eigentlich auch besser. Ich glaube, ich bin schon fast vollständig genesen!"



Aber gerade als Erik die Entscheidung getroffen hat, dass es durchaus möglich und sinnvoll ist, mit Bronchitis laufen zu gehen, kommt unser 16 jähriger Sohn die Treppe hinunter.

Jeder weiß, dass bei Menschen dieses Alters, insbesondere bei Jungs, das Vernunftszentrum auf Grund des erhöhten Testosteronspiegels völlig ausgesetzt ist.  Jugendliche in diesem Alter neigen dazu, Risiken gänzlich zu unterschätzen und unkalkulierbare Gefahren einzugehen.

Hoffnung keimt bei Erik auf, dass da endlich jemand kommt, der ihn in seinem Vorhaben bestärkt. Jemand, der im Winter bei Schnee und Eis aus modischen Gründen mit Sneakers und ohne Socken in die Schule geht, sollte doch kein Problem damit haben, wenn man mit einem leichten Halzkratzen und etwas Husten laufen geht?

Aber weit gefehlt! Nicht mal auf den eigenen Sohn ist Verlass: " Spinnst Du, Papa? Du bist echt krank! Bleib zu Hause!"

Kann man, als erwachsener Mann, ernsthaft unvernünftiger als sein 16 jähriger Sohn sein?

Nein, an diesem Tag hat Erik tatsächlich, schweren Herzens und völlig unverstanden von der Welt um ihn herum, seine Trainingseinheit ausfallen lassen!

In  diesem Sinne: See you on the Trail mit Schnupfen, Husten  und Blasen!




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