Western States 2022 – Das Rennen

 

 


von Sabine 

  

Western States ist immer spannend – egal ob die Titelverteidiger antreten und sich die Frage stellt, ob sie es ein weiteres Mal schaffen. Oder ob die Titelverteidiger nicht am Start sind, denn dann ist das Rennen komplett offen. 

So war es in diesem Jahr. Weder Jim Walmsley, der Sieger von 2018, 2019 und 2021, noch Beth Pascall, die Siegerin von 2021, traten in diesem Jahr an. Dafür aber viele von denen, die im letzten Jahr unter die Top 10 gekommen waren und damit in diesem Jahr ein automatisches Startrecht hatten. Dazu kamen diejenigen, die sich über die Golden Ticket Races qualifiziert hatten oder solche Qualifikationen in den letzten Jahren wegen Covid nicht nutzen konnten (Overseas Rollover). Bei denjenigen, die per Los den Startplatz erhalten hatten, waren diejenigen in der überwiegenden Mehrheit, die noch nie den Western States gelaufen sind. Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Starterfeld auch beim Zieleinlauf „geteilt“ ist: Vorn diejenigen, die einen garantierten Startplatz per Qualifikation über den letzten Western States oder die Golden Ticket Rennen bekommen hatten – deutlich dahinter diejenigen, die den Startplatz im Losverfahren erhalten hatten. So kam – anders als in früheren Jahren – kein Läufer bzw. Läuferin in die jeweiligen Top 10, der/die das Ticket per Los bekommen hatte. Bester ausgeloster Läufer war Michael Dubova auf Platz 15, beste ausgeloste Läuferin Allison Baca auf Platz 13.

 

Der Rennverlauf

Es gibt eine „Weisheit“ beim Western States, dass derjenige, der den Anfangsaufstieg zum Escarpment am schnellsten zurücklegt, das Rennen garantiert nicht gewinnt. So war es auch dieses mal. Adam Kimble (USA; im Ziel auf Platz 12) führte das Feld an, dicht dahinter die Franzosen Ludovic Pommeret und Sebastien Spehler sowie Hayden Hawks (USA). Bei den Frauen waren Camille Herron (USA) und Ellie Pell (USA) die Schnellsten auf den ersten 3,5 Meilen. Danach geht es knapp 30 Meilen durch relativ technisches Gelände, das in diesem Jahr aber schneefrei war. Das Ende dieses Streckenabschnitts bildet die Aid Station Robinson Flat. Hier kam als erstes Ludovic Pommeret durch, gefolgt von Hayden Hawks, Adam Peterman, Sebastien Spehler und Tim Tollefson. Bei den Frauen liefen Emily Hawgood (ZIM) und Ruth Croft (NZL) gemeinsam an der Spitze, gefolgt von Keely Henninger (USA), Dominika Stelmach (POL) und Alisa Macdonald (CAN). 

Den nächsten Streckenabschnitt bilden die berühmt-berüchtigten Canyons, in denen es auch schon mal weit über 30 Grad heiß werden kann. Auch in diesem Jahr war es – nach einigen kühlen Tagen – sehr warm; allerdings wurden die Rekordtemperaturen von 2021 nicht erreicht. Hier war zu erwarten, dass sich die Reihenfolge nochmal ganz neu sortieren würde. Und genau so war es dann auch: In Michigan Buff, der ersten Aid Station nach den Canyons, waren es Hayden Hawks und Ruth Croft, die ihre Verfolger abgehängt hatten und das jeweilige Feld anführten. Bis Foresthill änderte sich daran nichts: Hayden Hawks führte mit 3 Minuten Vorsprung auf Adam Peterman und 11 Minuten Vorsprung auf Jared Hazen, Ruth Croft hatte 6 Minuten Vorsprung auf Emily Hawgood und 17 Minuten Vorsprung auf Camille Herron, welche sich in diesem Jahr im „High Country“ erstaunlich gut geschlagen hatte.
Der Western States, sagt man, beginnt erst in Foresthill. Dann sind 62 Meilen geschafft und noch 38 Meilen zu laufen. Vor allem ändert sich aber das Profil. Es geht im Wesentlichen bergab, mit einigen kleinen, aber zermürbenden Gegenanstiegen. Wer sich bis Foresthill Energie aufspart, hat die Möglichkeit, das Feld noch von hinten aufzurollen. 

Bei den Männern war es unter anderem Adam Peterman, der noch Reserven hatte – während Hayden Hawks, der seit Meile 38 in Führung lag, einen Tiefpunkt hatte. Ihm ging es nicht gut, ihm war schwindlig. Adam Peterman aber, der seinen ersten Ultra vor nicht mal einem Jahr lief und dessen erster 100-Meiler der Western States sein sollte, schloss auf Hawks auf und überholte ihn auf der Cal Street hinunter zum Rucky Chucky River Crossing. Bei der Überquerung der Middle Fork des American River hatte Peterman knapp 2 Minuten Vorsprung auf Hawks herausgelaufen; dieser Vorsprung erhöhte sich von Aid Station zu Aid Station: Zunächst auf 5, dann auf 10 Minuten – und 10 Meilen vor dem Ziel waren es schließlich 30 Minuten. So erreichte Peterman das Ziel in 15:13:48 – und war damit der Erste seit Charles Jones 1986, der den Western States gewann ohne vorher ein 100-Meilen Rennen gefinisht zu haben. Anders als Jim Walmsley 2016 und 2017 wollte er nicht gleich Streckenrekord laufen – einen Angriff auf den Streckenrekord von Jim Walmsley hebt er sich nach eigenen Aussagen für einen späteren Zeitpunkt auf. Und es wäre nicht der erste Streckenrekord von Jim, den er kassieren würde: Bei seinem ersten Ultra überhaupt, dem Speedgoat 50k, kassierte er den bis dahin bestehenden Streckenrekord von Jim Wamsley. Die Leistung von Peterman beim Western States kann jedenfalls nicht hoch genug bewertet werden – er hat gezeigt, dass er sowohl das athletische Potential hat, sich aber das Rennen auch sehr klug einteilen kann. 

Hayden Hawks dagegen überwand zwar seine Schwächephase, musste aber dennoch realisieren, dass nicht nur der Zug abgefahren war, was Platz 1 anbetrifft, sondern auch von hinten Gefahr drohte: In Person von Arlen Glick, der im vergangenen Jahr vier 100 Meiler gewonnen hatte, und in Person von Tyler Green, dem Vorjahreszweiten. Bei Rucky Chucky (Meile 78) lagen die beiden noch  33 bzw. 40 Minuten hinter Hawks – bei Pointed Rocks waren es nur noch 14 bzw. 15 Minuten. Hayden Hawks konnte aber einen Vorsprung ins Ziel retten und wurde in 15:47:27 Zweiter. Arlen Glick kam knapp 9 Minuten später ins Ziel (15:56:17) und wurde fast noch von Tyler Green eingeholt, der in 15:57:10 Vierter wurde. Beste Nicht-US-Amerikaner waren die Franzosen Ludovic Pommeret auf Platz 6 und Vincent Viet auf Platz 7. 

Prominente DNFs waren Jared Hazen (Meile 85) und Sebastien Spehler (Meile 80). Und Tim Tollefson, von vielen in diesem Rennen favorisiert, musste sich regelrecht ins Ziel kämpfen und landete auf Platz 21. 

Auch bei den Frauen blieb es nach Foresthill spannend. Nicht so sehr im Kampf um den Sieg – denn der von Ruth Croft bis Rucky Chucky herausgelaufene Vorsprung von ca. 25 Minuten blieb weitgehend konstant. Interessant waren die ständigen Positionswechsel dahinter. Die Kanadierin Alisa Macdonald, bis dahin um Platz 5, sammelte auf der Cal Street Läuferin um Läuferin ein und hatte sich bis Rucky Chucky den zweiten Platz erkämpft. Dahinter war auf den Plätzen 3-5 viel Bewegung. Emily Hawgood, die so lange mit Ruth Croft zusammengelaufen war, fiel zurück und landete schließlich auf Platz 5. Dagegen konnte sich Marianne Hogan (CAN) von Platz 6 vorarbeiten und wurde Dritte. Auf Platz 4 kam die Schweizerin Luzia Bühler, die auf den letzten Kilometern noch Emily Hawgood überholen konnte und damit das beste Western States Ergebnis ihrer Karriere einfuhr. Zwischen Platz 3 und 5 lagen nur gute 10 Minuten! 

Klare Siegerin aber wurde Ruth Croft in 17:21:30. Das ist die drittbeste Zeit, die eine Frau beim Western States gelaufen ist – nach Ellie Greenwood (16:47:19, 2012) und Beth Pascall (17:10:42). Dieses Ergebnis ist umso beeindruckender, als Ruth Croft nach ihrem Sieg bekanntgab, dass sie 5 Wochen vor dem Western States an Covid erkrankt war. Anscheinend haben ihr die 1-2 Wochen ohne Training ganz gut getan …

Erwähnenswert auch die Leistung von Camille Herron, die sich mit diesem Rennen so schwer tut. Auch in diesem Jahr lief nicht alles Rund – vor allem zwischen Meile 70 und 85 – aber sie erreichte nach zwei DNFs und Platz 26 im letzten Jahr in diesem Jahr erstmals die Top 10: Platz 8. Die einzige vormalige WSER Siegerin im Feld, Kaci Lickteig, hatte noch sehr mit den Folgen des Trainingsausfalls rund um ihre OP zu kämpfen und kam auf Platz 18 ins Ziel. Und die „Queen“ vom Western States, Meghan Canfield (vorm. Arbogast), landete in ihrem 13. Rennen auf Platz 21 – in 24:38:20. Damit verpasste sie auch den Ü60 Rekord (23:52:56, Diana Fitzpatrick, 2018) recht deutlich. 

Prominentester DNF war Lucy Bartholomew. Die Australierin rutschte kurz vor Robinson Flat (nach etwa 50 km) auf einem Stein aus, stürzte, und schlug mit ihrem Kopf auf einem anderen Stein auf. Fazit: Gehirnerschütterung, Sehstörungen, Übelkeit. Sie war gezwungen, das Rennen zu beenden.

 

Fazit

Ein großes Ausrufezeichen steht bei diesem Western States hinter der Leistung von Adam Peterman. Er hat bislang jedes Rennen gewonnen, bei dem er angetreten ist. Anfängerfehler scheint er nicht zu machen. Auch in diesem Jahr ist es für ihn wichtiger, weiter an seiner Schnelligkeit zu arbeiten, als kurzfristig noch auf andere Status-Rennen (z.B. UTMB) aufspringen zu wollen. Dieser Läufer hat – wenn es seine Physis zulässt – noch eine riesige Zukunft. 

Wie schnitten die Frauen im Verhältnis zu den Männern ab? Trotz der super Zeit von Ruth Croft etwas schlechter als im vergangenen Jahr – was auch daran lag, dass in diesem Jahr die DNF-Quote bei den Männern deutlich geringer war (vielleicht auch, weil es keinen Jim Walmsley gab, dem man hinterherstürmen muss) und die Leistungsdichte damit höher. Waren im letzten Jahr noch 3 Frauen in die Top 10 der Gesamtwertung gekommen und sogar 15 unter die Top 30, so landete in diesem Jahr die Siegerin auf dem 12. Gesamtplatz, und 11 Frauen erreichten die Top 30. Letzteres ist aber immer noch eine viel bessere Quote als bei allen Rennen vor 2021. 

Spannend ist auch noch eine andere Entwicklung: Bereits seit 2 Jahren suchen wir beim Western States vergeblich Läuferinnen aus den USA in den Top 3. Im vergangenen Jahr war die schnellste Läuferin aus den USA Brittany Peterson auf Platz 4. Und in diesem Jahr musste man noch weiter in den Ranglisten nach unten gehen: Die beste US-Läuferin war Leah Yingling auf Platz 6. Entwickelt sich hier ein „Fluch“ wie beim UTMB, wo seit Jahren Läufer aus den USA vergeblich versuchen, das Rennen zu gewinnen?

Bei allen positiven Überraschungen - Western States kann manchmal auch tragische Momente haben. So auch in diesem Jahr. Betroffen davon: Jim Howard, der Sieger des Western States 1984. Er trat in diesem Jahr nochmal an. Mittlerweile ist er 67 Jahre alt und hat zwei künstliche Kniegelenke. Er schaffte es bis Robie Point, eine Meile vorm Ziel. Dort war das Rennen für ihn vorbei, weil er den Cutoff nicht geschafft hatte – sehr schade!

 

Die Top 10
 

Frauen:

  1. Ruth Croft (NZL) 17:21:30
  2. Ailsa MacDonald (CAN) 17:46:46
  3. Marianne Hogan (CAN) 18:05:48
  4. Luzia Buehler (SUI) 18:08:32
  5. Emily Hawgood (ZIM) 18:16:02
  6. Leah Yingling (USA) 18:32:31
  7. Taylor Nowlin (USA) 18:46:42
  8. Camille Herron (USA) 18:51:54
  9. Katie Asmuth (USA) 19:30:26
  10. Camille Bruyas (FRA) 19:34:24


Männer:

  1. Adam Peterman (USA) 15:13:48
  2. Hayden Hawks (USA) 15:47:27
  3. Arlen Glick (USA) 15:56:17
  4. Tyler Green (USA) 15:57:10
  5. Drew Holmen (USA) 16:09:00
  6. Ludovic Pommeret (FRA) 16:20:02
  7. Vincent Viet (FRA) 16:28:22
  8. Alex Nichols (USA) 16:28:34
  9. Cody Lind (USA) 16:29:38
  10. Scott Traer (USA) 16:35:23


 

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