WMTRC 2023 – Fazit

 

Foto: WMRTC


von Sabine


WMTRC 2023: Das waren vier intensive Tage – für AthletInnen und Veranstalter sowieso, aber auch für die Zuschauer vor Ort oder am Computer. Und um es gleich zu sagen: Es war ein richtiges Fest! Tolle Trails, größtenteils ideales Laufwetter, Live-Streaming vom Feinsten … und obendrein „versilberten“ die deutschen AthletInnen diese Eindrücke durch hervorragende Leistungen. Aber fangen wir mal von vorn an.


Die Veranstaltung

Zum ersten Mal seit 2015, wo die IAU Trail World Championships in Annecy stattfand, waren die Alpen wieder Austragungsort – und 2023 war man wirklich im Herzen der Alpen. Wobei: Das Konzept der Austragungsorte (Innsbruck und Stubaital) wollte City und Landschaft verbinden. Das ist insgesamt sehr gut gelungen. Auch wenn die Verteilung auf zwei Veranstaltungsorte etwas mehr an Transport bedeuteten. 

Die Streckenauswahl für die Trailrunning-Wettbewerbe war vom Feinsten. Anders als bei vielen anderen WM-Veranstaltungen, bei denen die Strecken mit Blick auf schwächere Läuferinnen und Läufer, die sogenannten „Exoten“, eher entschärft werden, gab es in Innsbruck technische Single-Trails, heftige Anstiege und knackige Downhills. Der einzige Wermutstropfen: Da man für die Trailrunning-Wettbewerbe immer versuchte, die Trails der Nordkette mit denen der Stubaier Alpen zu verbinden, mussten die LäuferInnen zwangsläufig die Querung des Inntals auf sich nehmen – relativ flach, mit „Forststraßen“ und teilweise sogar auf Asphalt. Hätten sich die Veranstalter ausschließlich auf den Ausrichtungsort Innsbruck fokussiert, hätte man das vermeiden können: Dann hätte man den Short Trail in der Nordkette austragen können, den Long Trail in einer großen Schleife in den Stubaier Alpen. Aber bis auf die „Durststrecke“ im Inntal waren die Trails top!


Live Stream

Um die WM zu verfolgen, musste man nicht vor Ort sein – man konnte bequem von der heimischen Couch oder dem Schreibtisch zuschauen. Ein toller Live Stream machte das möglich. Und dieser Live Stream musste sich nicht vor den Streams von UTMB oder GTWS verstecken. Einen wesentlichen Anteil daran hatten die „Kameraläufer“ – exzellente Trailläufer, die sich zwar nicht für die WM qualifiziert hatten, aber schnell genug waren, die Top LäuferInnen - mit Handy und Gimbal bewaffnet - zu verfolgen. Das Ganze wurde „dirigiert“ von Philipp Reiter. Den Live-Stream gab es jeweils in 5 Sprachen – Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Spanisch. Auch die Kommentatoren machten einen guten Job – für die war es auch eine Ausdauerleistung, denn beispielsweise beim Long Trail dauerte der Live Stream ganze 12 Stunden. Auch gut gemacht: Für die Phasen, in denen mal keine Live-Bilder zur Verfügung standen, gab es vorbereitete „Schnipsel“: Interviews, Hintergrundinformationen und Rückblicke auf den bisherigen Rennverlauf. 

Bei allem Beifall aber eine kleine Kritik: Anders als beim Berglauf starten beim Trailrunning Männer und Frauen gemeinsam. Dies hat per se schon einen Nachteil für die Sichtbarkeit der Frauen. Leider war die Übertragung beim Short Trail sehr auf das Rennen der Männer fokussiert (beim Long Trail war die Übertragung ausgewogener). Aber vor allem: Die Übertragung brach bei beiden Rennen nach dem Zieleinlauf der 3. Frau ab. Es wäre schön gewesen, wenn man hier – wie bei den Männern – auch die Entscheidung in der Teamwertung abgewartet hätte. Aus deutscher Sicht hätte das auch dazu geführt, dass man hervorragende Athletinnen wie Daniela Oemus, Rosanna Buchauer oder Ida-Sophie Hegemann auch noch bei ihrem Zieleinlauf gesehen hätte.


Starke Franzosen, schwache Spanier

Wenn man sich die Resultate der Weltmeisterschaften im (Ultra)Trailrunning anschaut, dann dominierten zwei Nationen: Frankreich und Spanien. Bei dieser Weltmeisterschaft waren in den Trailrunning Wettbewerben die Franzosen allen anderen Nationen haushoch überlegen. Sie holten drei von vier Goldmedaillen in der Einzelwertung – dazu kam noch eine Bronzemedaille. Und die Teamwertung gewannen sie dreimal und belegten einmal den dritten Platz. Dabei war interessant, dass es nicht unbedingt die FavoritInnen waren, die sich durchgesetzt haben. Auf dem Long Trail hätte ich beispielsweise eher eine Blandine l’Hirondel oder Audrey Tanguy vorn erwartet, oder bei den Männern ein Thibaut Garrivier oder Nicolas Martin. Das Beeindruckende bei den Franzosen: Wenn Top-LäuferInnen aufgeben müssen (l’Hirondel, Martin) oder es bei ihnen nicht ganz so gut läuft (Tanguy, Garrivier), dann gibt es so viele LäuferInnen dahinter, die ebenfalls Spitzenleistungen bringen können.  Mit den Siegen des erst 23 Jahre alten Benjamin Roubiol oder von Marion Delespierre hätte ich nicht gerechnet. Die Leistungsdichte in der Spitze ist bei den Franzosen sehr beeindruckend!

Enttäuschend war dagegen die Leistung der SpanierInnen: Der beste Platz in den Trailrunning-Wettbewerben belegte Oihana Kortazar mit Platz 7 beim Short Trail. Auch im Team kamen die SpanierInnen nie aufs Podest, und im Long Trail schafften sie es aufgrund der vielen DNFs nicht einmal in die Mannschaftswertung. Sind die besten Zeiten der Spanier im Trailrunning vorbei?


Die Deutschen: Top Leistungen und Enttäuschungen

Wenn ich an die WM 2023 zurückdenke, werde ich mich vor allem an eine Leistung erinnern: Die von Katharina Hartmuth beim Long Trail. Es war nicht nur die Tatsache, dass Katharina die einzige Einzelmedaille (Silber) gewann, sondern vor allem die Leichtigkeit und Unbekümmertheit, mit der sie kurz vor der „Halbzeit“ der Strecke die Führung übernahm. Auch wenn sie diese auf dem langen, flachen Stück durchs Inntal wieder abgeben musste, so brach sie auch beim schwierigen Schlussanstieg hoch zur Nordkette nicht ein. Super Moral, super Leistung, mit der ich vor der WM nicht gerechnet hätte! Auch Rosanna Buchauer und Ida-Sophie Hegemann liefen an der oberen Grenze ihres Leistungsniveaus und sicherten die Silbermedaille im Team – die war wirklich verdient. 

Foto: iRunFar


Hervorragend war aber auch die Leistung von Daniela Oemus im Short Trail! Sie erreichte den sechsten Platz hinter richtig starken Läuferinnen. Der Vergleich des ITRA Scores aus diesem Rennen mit ihrem derzeitigen ITRA Performance Index zeigt, wie hoch diese Leistung zu bewerten ist! Im Interview nach dem Zieleinlauf schien sie sich fast für die Platzierung entschuldigen zu wollen, aber das ist wirklich nicht notwendig: Eine solche Leistung gerade mal vier Wochen nach Zegama (und dazwischen auch noch mit Fußverletzung) ist mehr als man erwarten konnte. Das Fazit: Bei Daniela Oemus zeigt die Leistungskurve ganz steil nach oben. Positiv überrascht war ich auch von der Leistung von Anja Kobs (Platz 22), die die zweitbeste Leistung der deutschen Läuferinnen im Short Trail brachte. 

Foto: Berglaufteam Deutschland


Benedikt Hoffmann kam beim Short Trail in die Top 10 (Platz 10) und äußerte sich im Zielinterview, dass diese Leistung eine seiner drei besten Leistungen sei. Genau so ist es: Nach ITRA Punkten ist es sogar seine zweitbeste Leistung überhaupt, und er kann mit diesem Rennen wirklich sehr zufrieden sein. Beeindruckend bei ihm ist seine Konstanz – und das bei einem immer gut gefüllten Wettkampfkalender!

Die große Enttäuschung gab es für Hannes Namberger, der einer der großen Favoriten beim Long Trail war. Von Anfang an lief es nicht wie gewohnt, er fühlte sich absolut energielos. Platz für Platz wurde er durchgereicht – und in der Axamer Lizum, nach knapp der Hälfte der Strecke und vor dem langen Aufstieg zum Hoadl lag er sogar nur auf Platz 39. Irgendwas mit der Ernährung scheint da nicht gestimmt zu haben. Es zeugt von seiner Moral, dass er an diesem Punkt nicht das Handtuch geworfen hat, sondern versucht hat, die Dinge zu ändern und das Rennen nochmal zu drehen. Und tatsächlich, es funktionierte: Platz um Platz machte er gut, er sah auch wieder deutlich besser aus. Bis zum letzten Aufstieg hatte er schon 20 Plätze gutgemacht, und schließlich kam er auf Platz 14 ins Ziel. Auch wenn es nicht die erwartete Medaille war: Es war eine ganz große Leistung, aus der er mit Sicherheit auch seine Lehren ziehen wird. Bravo, Hannes! Und auf dem letzten Streckenabschnitt von Kranebitten nach Innsbruck war er nur knapp eine Minute langsamer als der Sieger Benjamin Roubiol ...


Insgesamt fällt auf, dass die deutschen Damen in der Spitze besser aufgestellt sind als die Männer. Während die Damen sehr geschlossene Mannschaftsleistungen zeigten, war es bei den Männern eher gemischt. Selbst wenn Hannes beim Long Trail keine Probleme bekommen hätte und den Lauf gewonnen hätte, wäre die deutsche Mannschaft nicht in die Wertung gekommen, weil nur zwei Läufer (Hannes Namberger und Adrian Niski) das Ziel in Innsbruck erreichten – Alexander Dautel und Florian Reichert mussten aufgeben. Dies führte letztendlich auch dazu, dass Deutschland in der Gesamtteamwertung (Overall Federation Team Award) den 3. Platz an die US-Amerikaner abgeben musste – mit einem weiteren Finisher im Long Trail hätte sich Deutschland den 3. Platz sichern können. Es wäre gut gewesen, die Mannschaft bei den Männern größer zu wählen. Mit Janosch Kowalczyk und Alexander Westenberger gäbe es auch weitere Top Läufer für den Long Trail, beide hatten aber abgesagt. Warum wurde nicht ein Matthias Krah, ein Markus Mingo oder ein Felix Weber mitgenommen?


Momente

Zwei besondere Momente aus dem Long Trail werden mir in Erinnerung bleiben: 

Zum einen der „Überholvorgang“, als Katharina Hartmuth beim Aufstieg zum Hoadl die zuvor führende Tschechin Marcela Vasinova überholte – und sich zunächst mal fast fünf Minuten mit ihr unterhielt. Erst als Vasinova zu einem Bach abbiegen musste, um sich ihre Flask neu aufzufüllen, endete die Plauderei. (5:52-5:58 des Live Stream)

Zum Zweiten der Zielsprint von Zach Miller gegen Drew Holmen (10:32-10:34 des Live Stream). Eigentlich ging es um nicht mehr sehr viel. Die Podiumsplätze waren weg, beide vom gleichen Team … da hätte man theoretisch auch sagen können: Laufen wir mal zusammen ins Ziel. Nicht so die beiden US-Boys: Nach 85 Kilometern legten sie noch einen ordentlichen Zielsprint hin … und fast hätte es auch noch gereicht für den Sieg in der Mannschaftswertung. Letztlich hatten die Franzosen gerade mal 5 Minuten Vorsprung vor dem Team USA. 




Trailrunning ist olympiawürdig

Trailrunning ist mittlerweile längst nicht mehr ein Sport, in dem Läufer morgens in den Wald oder auf den Berg rennen und nach 12 Stunden wieder zurück zum Ziel kommen. In den letzten Jahren haben UTMB und GTWS gezeigt, dass es mittlerweile technische Möglichkeiten gibt, den Sport live von der Strecke zu übertragen. Und die diesjährige Weltmeisterschaft hat bewiesen, dass das auch bei einer Verbandsmeisterschaft gelingen kann. Mein Fazit daraus: Trailrunning ist olympiawürdig und kann dem zuschauenden Publikum genauso vermittelt werden wie ein Marathonlauf oder ein Radrennen – eine gute Trailauswahl vorausgesetzt!


Zusammen geht es besser

Als der ehemalige Bergläufer Jonathan Wyatt während seiner WMRA Präsidentschaft die Idee einer gemeinsamen Austragung der Weltmeisterschaften im Berglauf und im (Ultra-)Traillauf pushte, schien der Berglauf am Ende zu sein – und auch die Trailrunning Championships erfreuten sich bei den absoluten Spitzenläufern nicht immer großer Beliebtheit. Diese WM hat gezeigt, wie gut die Idee von Wyatt war: Die Disziplinen „Berglauf“ und „Trailrunning“ passen zusammen, und zusammen kann man mit einem klugen Austragungskonzept mehr Sichtbarkeit für diese beiden (Rand)Sportarten erzeugen als wenn es jeder Verband alleine probiert. Und mehr Sichtbarkeit wird auf die Dauer auch mehr SpitzenathletInnen anziehen. 

Auch wenn man sonst nur die Trailrunning-Events verfolgt: Es war absolut faszinieren, auch die beiden Berglauf-Events anzuschauen. Wie souverän beim Vertical die LäuferInnen steilste Anstiege hochkletterten (und das OHNE Stöcke) – und wie sehr beim Mountain Classic auf der hügeligen Strecke die Post abging. Die deutschen Erfolge (Silber für die Deutschen Frauen in der Mannschaftswertung beim Vertical und Bronze für Filimon Abraham beim Mountain Classic) machten diese Events noch attraktiver. 

Da kann man sich auf jeden Fall auf die nächste Ausgabe der WMTRC freuen: Diese findet vom 25-28 September 2025 in Canfranc in den spanischen Pyrenäen statt.


Ergebnisse


Trail Short, Frauen

1. Clementine Geoffray, FRA, 4:53:12
2. Judith Wyder, SUI, 4:55:13
3. Theresa Leboeuf, SUI, 5:09:29
...
6. Daniela Oemus, GER, 5:16:34
22. Anja Kobs, GER, 5:31:28
29. Lena Laukner, GER, 5:37:12
52. Dioni Gorla, GER, 5:59:37
DNF: Laura Hottenrott
DNS: Sarah Kistner


Teamwertung, Frauen, Trail Short

1. Frankreich (15:35:53)
2. Schweiz (15:44:14)
3. USA (15:54:29)


Trail Short, Männer

1. Stian Angermund, NOR, 4:19:00
2. Thomas Roach, GBR, 4:21:18
3. Luca del Pero, ITA, 4:22:04
...
10. Benedikt Hoffmann, GER, 4:32:28
27. Marc Dürr, GER, 4:44:47
40. Thomas Wanninger, GER, 4:54:08
44. Marcel Hoeche, GER, 4:45:54


Teamwertung, Männer, Trail Short

1. Großbritannien (13:18:52)
2. Italien (13:26:32)
3. Frankreich (13:34:38)



Trail Long, Frauen

1. Marion Delespierre, FRA, 11:22:31
2. Katharina Hartmuth, GER, 11:29:14
3. Manon Bohard Cailler, FRA, 11:34:22
...
5. Rosanna Buchauer, GER, 11:45:58
15. Ida-Sophie Hegemann, GER, 12:16:49
20. Eva Sperger, GER, 12:45:34
45. Marie-Luise Mühlhuber, GER, 13:30:56


Teamwertung, Frauen, Trail Long

1. Frankreich (34:58:23)
2. Deutschland (35:32:01)
3. Italien (36:20:08)


Trail Long, Männer

1. Benjamin Roubiol, FRA, 9:52:59
2. Andreas Reiterer, ITA, 10:00:46
3. Peter Frano, SVK, 10:02:10
...
14. Hannes Namberger, GER, 10:33:47
34. Adrian Niski, GER, 11:08:42
DNF: Florian Reichert
DNF: Alexander Dautel


Teamwertung, Männer, Trail Long

1. Frankreich (30:43:09)
2. USA (30:48:17)
3. Italien (31:29:55)

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